Rees. . Ein gebürtiger Marburger hat das Anwesen gekauft, in dem früher Gustav Schaeling wohnte. Warum ihm der Erhalt des Hauses am Herzen liegt.
- Vor vielen, vielen Jahren lernte Dr. Klaus Schmidt das Schaeling-Haus beim Spaziergang kennen
- Als Ministerialrat der Kommission in Brüssel war er bei der EU für die Entwicklungshilfe in Afrika zuständig
- Das Schaeling-Haus will der Marburger so wenig wie möglich verändern
Als Dr. Klaus Schmidt vor vielen, vielen Jahren erstmals über die Reeser Rheinpromenade bummelte, stach ihm das Haus am Mühlenturm sofort ins Auge. Schon damals faszinierten ihn historische Gebäude, seine Bewunderung gilt damals wie heute Kulturgütern. Als er im vergangenen Jahr erfuhr, dass das Haus der Familie Schaeling zum Verkauf steht, zögerte er nicht lange. Dass der gebürtige Marburger sich dafür von seiner Wohnung in Florenz trennte, ist ein ganz großes Kompliment für wohl eines der schönsten Anwesen am Unteren Niederrhein.
Verliebt in die Renaissancetreppe
Dr. Schmidt ist ebenso wie Gustav Schaeling, der Vorbesitzer des Hauses, dessen Ursprung auf das Jahr 1322 datiert ist, ein Weltbürger. Als Ministerialrat der Kommission in Brüssel war er bei der EU für die Entwicklungshilfe in Afrika zuständig und lebte viele Jahre auf dem schwarzen Kontinent. Als er im Jahr 2006 in Pension ging, zog es ihn nach Südfrankreich, wo er mit seiner Frau, der Reeserin Barbara Arnold, ein Anwesen erwarb. „Damals verliebte ich mich in eine Renaissancetreppe“, erzählt Schmidt schmunzelt.
„Ich kaufte zur Treppe das Gebäude, ein Nebenhaus eines Barockschlosses, das über 200 Jahre unbewohnt war.“ Das Anwesen liegt in der Nähe von Aix en Provence und hier erprobte sich das Ehepaar erstmals im Erhalt eines Kulturgutes, was ihm von der dortigen Gemeinde hoch angerechnet wird. „Wenn in Frankreich so etwas wie der Tag des offenen Denkmals begangen wird, lassen wir natürlich die Besucher in unser Haus und das habe ich auch in Rees vor“, verspricht Dr. Schmidt. Dort betrieb er im Ort eine Galerie mit Antiquitäten-, Kunsthandel und Kunstgewerbe, bevorzugt mit Raritäten aus Afrika.
In Rees möchte der Ministerialrat so wenig wir möglich am Haus Schaeling, so wird es in der Denkmalliste der Stadt geführt, verändern. Restaurator Gerfried Schell bewundert das Eichenparkett, das in einem ungewöhnlichen Bild verlegt wurde. Er hat die Dielenböden aus Fichte und Tanne im Salon, im Erker und Kaminzimmer aus Eiche gesäubert und aufgearbeitet, ebenso wie die Eichentreppen und -geländer, auch die, die hinunter ins „Verließ“ führen, der als Weinkeller genutzt wurde.
Bereits in 1958 wurde umgebaut
Der Keller wurde übrigens beim Umbau 1958 neu in Beton gegossen. „Ich habe den Eindruck, dass kein alter Stein mehr übrig geblieben ist“, vermutet Schmidt. Diese allerdings fanden die Mitarbeiter der Firma Farebo aus Bocholt. Sie haben nach den Maßgaben des Denkmalschutzes die defekten Steine im Mauerwerk ausgetauscht, dazu Steine von alten Bauernhöfen verwandt und mit Steinrestaurierungsmörtel beigearbeitet, erklärt Mitarbeiter Frank Kleinherbers. Die Fassade wurde im Nebelstrahlverfahren gereinigt und dann mit Kalktrassmörtel, farblich mit der Denkmalbehörde abgestimmt, verfugt.
Die alten Steine hat Kleinherbers im Turmfundament gefunden. „Sie waren nicht gebrannt, sondern nur luftgetrocknet.“ Doch Wurzelwerk und Getier hatten das Fundament zerstört, so dass es von unten neu abgefangen wird. Jeder Schritt der Sanierung wird von dem Unternehmen in Wort und Bild dokumentiert. Ein Schreiner aus Wertherbruch, der auf Restaurierung spezialisiert ist, wird die Fenster aufarbeiten.
Häuptlings-Bett wurde zum Tisch
Im Obergeschoss hat Dr. Schmidt bereits die ersten Nächte verbracht, obwohl er mit seiner Frau auch eine Wohnung in der Kapitelstraße besitzt. Von einem riesigen Bett, das aus Sansibar stammt, schaut er jetzt auf den Rheinstrom. Während das Bett eines afrikanischen Häuptlings aus Kamerun zu einem Wohnzimmertisch mutierte. Selbst die schweren Vorhänge, die Gustav Schaelings Fenster zierten, werden wieder zur Geltung kommen. „Die Firma van de Mötter arbeitet sie auf, ich habe nur Reeser Firmen beauftragt“, so Schmidt.
Vor einiger Zeit hat er begonnen zu malen. So wird es durchaus möglich sein, dass es hier im Haus am Mühlenturm Ausstellungen geben wird, ein offenes Haus soll es bleiben. Ein großes Kompliment gibt Schmidt an Kerstin Pieper, zuständig für Denkmalpflege im Rathaus, weiter, die ihn beratend zur Seite stand. Das neue Abenteuer Schaeling-Haus machen ihm und seiner Frau den Abschied vom Domizil in Florenz leichter.
>> EIN POSTKARTENMOTIV
Das auf die Stadtmauer aufgesetzte Wohnhaus aus rotem Backstein stammt im Kern aus dem Jahr 1332; nach 1945 erhielt es sein heutiges Aussehen. Durch seine besondere städtebauliche Lage trägt es, gemeinsam mit den Bastionen und Stadttürmen, zum mittelalterlichen Erscheinungsbild der Stadtmauer auf der Rheinseite bei. Zahlreiche Postkarten spiegeln das Aussehen des Hauses beginnend 1890 wieder. Eine Ansicht aus dem Jahr 1912 zeigt auch die Badeanstalt im Rhein vor der Stadtmauer in Höhe des Mühlenturms.
Der Chirurg am Reeser Krankenhaus, Dr. Gustav Schaeling (1887-1971) erwarb im Jahr 1958 das denkmalgeschützte Haus am Mühlenturm 5. Über drei Jahre ließ er das Haus in Rees sanieren. Nach seinem Ausscheiden als Chefarzt mit 74 Jahren praktizierte er noch in seinem Privathaus am Bär, bis er sich zur Ruhe setzte und mit seiner Ehefrau in sein Haus am Mühlenturm zog.
Nach seinem Tod 1971 lebte hier seine Frau Charlotte bis zu ihrem Tod 1978. Danach nutzte Sohn Gustav Schaeling das Anwesen als Sommerhaus, bis der pensionierte Bankdirektor im Jahr 2005 den ersten Wohnsitz von Wiesbaden nach Rees verlegte. Im Mai des Jahres 2015 verstarb Gustav Schaeling und vermachte das Haus der Familie.