Emmerich. . An der Kaßstraße stehen viele Läden leer. Doch es ist wohl auch so, dass vielen Emmerichern nicht bewusst ist, was sie dort alles noch finden.

  • An Emmerichs Haupteinkaufsstraße stehen inzwischen 14 Geschäfte leer
  • Handelsverband prognostiziert weitere drastische Ladenschließungen
  • Kaßstraße muss attraktiver werden, dazu ist auch „Schrumpfen“ im Gespräch

Die Zettel im Schaufenster sollen die Phantasie anregen: Ein Wein-Laden könnte hier Platz finden, eine Boutique, eine Fahrschule, steht darauf. Die Lage in der Passage zwischen Neumarkt und Kaßstraße biete „hohe Kundenfrequenz“, wirbt der Vermieter. Seit einem Dreiviertel-Jahr aber ist sein Laden leer, sagt er. Und es ist nicht der einzige an und in der Kaßstraße.

Es geht um Emmerichs Haupteinkaufsstraße. In punkto Einzelhandel gilt sie nach wie vor als „1a-Lage“. Doch die ist geschrumpft. Experten sehen nur noch den Bereich zwischen Hausnummer 18 und 59 als vergleichsweise „Top“-Adresse an.

Viele Angebote zum Bummeln

Zuletzt hatte sich Ende Januar Tchibo verabschiedet: „Danke und auf Wiedersehen“ steht noch immer auf dem Schaufenster von Nummer 26. Drinnen fällt der Blick auf rohe Steinwände. 14 Geschäfte an der Straße stehen leer. Von 71 Ladenlokalen insgesamt.

Schuhe, Mode, Schmuck, Sport-, Schreib- und Spielwaren, Brot, Lebensmittel, Fotoartikel, Brillen, Parfüm bis hin zu Eiscafé und 1-Euro-Schnäppchen, Mobilfunkläden und Geldinstituten: Auf der Kaßstraße lässt es sich bummeln und shoppen, mindestens für den täglichen Bedarf. Manch’ Emmericher wird das verwundern, glaubt Sascha Terörde: „Vieles in der Stadt leidet daran, dass es schlecht geredet wird“, hat der 45-Jährige erfahren.

Terörde ist seit einem Jahr verantwortlich für die Wirtschaftsförderung in Emmerich. Auch der Einzelhandel ist da für ihn Thema. „Viele Emmericher fahren zum Einkaufen lieber nach Kleve oder Bocholt“, hat Terörde längst erfahren. „20 Prozent der möglichen Kaufkraft gehe in Emmerich so verloren“ – das könnten auch die Niederländer nicht ausgleichen, die Emmerich gerne besuchen.

Kaßstraße „gesundschrumpfen“

„Der Ort leidet“, sagt David Meister vom Lippstädter Makler Kienemund. Eigner des Gebäudes Nr. 33, früher mal Sitz einer Bank-Filiale. Die A-Lage an der Kaßstraße zieht er noch enger: zwischen Bonita und Takko – also am Rheincenter.

Ohnehin stehen die Zeichen auf Konzentration, sagt Sascha Terörde - „Gesundschrumpfen“. Der Handelsverband Deutschland prognostiziert für Klein- und Mittelstädte noch viel mehr Leerstand; liege die Quote bundesweit jetzt bei zehn Prozent, steige sie schon 2021 auf 20 Prozent und dann noch weiter. Der Onlinehandel nehme dem stationären Handel immer mehr Kunden weg. „Kreative Konzepte“ seien nötig, um Innenstädte attraktiv zu machen.

Die Fußgängerzone verkürzen?

Das könnte an der Kaßstraße zum Beispiel darauf hinauslaufen, die Fußgängerzone zu verkürzen, dafür zu sorgen, dass sich die Straße da herausputzt, wo die meisten Läden sind. Vieles, sagt Terörde, werde derzeit diskutiert. Dazu müssten sich auch Vermieter zusammenschließen, etwa um Ladenfläche zu vergrößern - der Nachfrage folgend.

„Investieren? Mit den geringen Mieten hier kann man als Immobilienbesitzer nicht viel machen“, meint Dr. Dietmar Viertel. Er ist der Mann mit den Zetteln im Durchgang zum Neumarkt. „Ich würde das Geschäft für unter fünf Euro den Quadratmeter vermieten“, sagt er. Aber auch damit habe er bisher noch keinen Interessenten locken können – „und ich habe auch schon versucht, andere Geschäftsleute abzuwerben“.

„Es tut sich demnächst was“

Für Makler Rainer Elsmann würde es das Bild der Straße schon verbessern, wenn wenigstens die Schaufenster der leeren Läden genutzt würden. Er selbst hat im Haus Nr. 49 nur das Ladenfenster gemietet – für Immobilienangebote. „Eine gute Werbefläche“, sagt der Eltener.

Elsmann sucht eine Nachnutzung für die frühere Metzgerei in der Kaßstraße 7. Interessenten seien schon da gewesen. Meist „aus dem Imbiss-Bereich“. Aber sie schreckten davor zurück, dass sie das Geschäft kaufen müssten: Preisvorstellung 90.000 Euro.

In die ehemalige Dresdner Bank gegenüber der Tillmannsteege könnte bald wieder Leben einziehen. „Es tut sich demnächst was“, deutet Makler David Meister an. Ein Filialist habe Interesse. „Wir sind in abschließenden Verhandlungen“. Nähere Angaben aber macht Meister nicht.

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Emmerich hat zu viel Verkaufsfläche

49 Prozent der Geschäfte auf der Kaßstraße werden von Filialisten betrieben, also Einzelhändlern wie Deichmann, dm oder der Modekette Engbers. Laut dem Immobilien-Dienstleister Brockhoff ist der Wert einer der Indikatoren für die Attraktivität einer Einkaufsstraße. Der Vergleich zeigt, Kleve (54,9%) und Bocholt (58,6%) sind auf ihren jeweiligen Haupteinkaufsstraßen bei großen Ketten gefragter.

In punkto Ladenmieten müsste die Kaßstraße in Emmerich eigentlich eine lockende Adresse sein: Zwischen zehn und 24 Euro Miete je Quadratmeter führt Brockhoff in seinem „1a-Lagen-Atlas“ auf. Laut einer IHK-Studie sollen die Ladenmieten in Emmerich mittlerweile sogar noch niedriger sein. In Kleve und Bocholt liege das Mietniveau 50 Prozent höher, immer auch gestaffelt nach Ladengröße.

37 Leerstände in der Innenstadt

„Die mangelnde Nachfrage zeigt, die Mieten sind es nicht, die Händler davon abhalten, nach Emmerich zu kommen“, sagt Wirtschaftsförderer Sascha Terörde. Entscheidend für Ansiedlungen seien hingegen neben der Kaufkraft auch die sogenannte Zentralität. Bei Nahrungs- und Genussmitteln etwa läge die in Emmerich bei 91. 100 wäre gut, darüber bedeute: die Stadt zieht auch noch Publikum von außen an.

Ein weiterer Punkt: Mit 1,53 Quadratmetern je Einwohner liegt Emmerich bei der Verkaufsfläche über dem Bundesdurchschnitt (1,4). „Umwandlung wäre sinnvoll“, sagt Terörde, etwa in Büroräume.

Aktuell würden 37 Leerstände in der Innenstadt gezählt und 187 Einzelhandelsbetriebe und Gaststätten im Kernbereich der Stadt, sagt Terörde. Es werde an Lösungen gearbeitet. Ein Ziel sei: Händler, zum Beispiel die der Kaßstraße, sollten Gemeinschaften bilden und eigene Aktivitäten organisieren, um Kunden in die Stadt zu locken.

An vielen Stellschrauben sei zu drehen, sagt Terörde. Deshalb werde unter anderem das Einzelhandelskonzept überarbeitet. Manches müssten auch die Händler anpacken: „Wir haben 30 verschiedene Öffnungszeiten in der Innenstadt gezählt“, sagt Terörde.