Rees. . Die Reeserin hat ein Wörterbuch zur Reeser Mundart verfasst mit Unterstützung von Hermann Venhofen und Hermann Voss, die noch Platt sprechen.

Als Hermann Venhofen zum ersten Mal die Augen aufschlug, war es „Kroomfrau“ Else Lörcks, die er erblickte. Nicht ahnend, dass er mehr als acht Jahrzehnte später deren Tochter Agnes Jay geborene Lörcks eine wichtige Stütze für ihr Erstlingswerk „Reeser Platt, ein Nachschlagwerk“, sein würde.

Die pensionierte Pädagogin für Englisch und Geschichte ist nämlich die Tochter der damals stadtbekannten Kroomfrau, zu Deutsch Hebamme. Agnes Jays Vater, Eugen Lörcks, sprach feinstes Platt, sorgte aber strengstens dafür, dass seine vier Kinder nur Hochdeutsch sprechen. Und was verboten ist, hat für Kinder bekanntlich einen ganz besonderen Reiz.

Das Interesse war bei der kleinen Agnes geweckt. „Mein Vater wollte, dass wir dadurch bessere Chancen für eine höhre Schulbildung haben“, erinnert sie sich, wohlwissend, dass die Plattsprecher, und von denen gab es bis in die 60er-Jahre in Rees mehr als genug, häufig Probleme mit dem dritten und vierten Fall haben. „Mir und mich verwechsel ich nich, das kommt bei mich nicht vor“, war ein beliebter Spruch.

Nach einem Werk, das sich ausschließlich mit dem Reeser Platt beschäftigt, suchte Agnes Jay vergebens. Bekannt sind eher nordniederfränkische Dialekte, aus denen das Reeser Platt entstand.

Agnes Jay hat fünf Jahre recherchiert

Gleich nach Ausscheiden aus dem Schuldienst im Jahr 2012 begann Agnes Jay, die mit ihrem Mann, der aus Panama stammt, in Essen-Kettwig lebt, mit der Recherche und der Vervollständigung ihrer bisherigen Wörter-Sammlung. Bei einem Besuch in Rees fragte sie im Bürgerservice nach, wer aus der alten Garde ihr wohl hilfreich zur Seite stehen könnte, um das Nachschlagewerk zu komplettieren.

Sie wurde an den Geschichtsverein Ressa verwiesen und fand in Hermann Venhofen und Hermann Voss genau die Reeser, die dieser Sprache mächtig sind. Bevor das Reeser Platt ausstirbt, wurde es nun auf knapp 500 Seiten für die Ewigkeit bewahrt. Entstanden ist nicht nur ein klassisches Wörterbuch Platt-Hochdeutsch, Hochdeutsch-Platt. Zu den Nomen stehen in der Regel Plural- und Verkleinerungsformen, Verben werden häufig konjugiert.

Es ist eine gesprochene Sprache

Auch gibt es Hinweise auf die Herkunft der Worte. „Wie man sie schreibt, darüber gibt es verschiedene Meinungen, denn Platt ist schließlich eine gesprochene Sprache“, so Jay. Sie hat ihr Buch angereichert mit Anwendungsbeispielen, Redensarten, Lied- und Gedichttexten und Erläuterungen zu Reeser Sitten und Gebräuchen.

„Es gibt auch Wörter in Platt, die man nicht mit einem hochdeutschen Wort übersetzen kann. Zum Beispiel: Hömmel, ein gebrechlicher oder alter Mensch, oder prakesiere, nach allen Seiten hin reiflich überlegen“, gibt Agnes Jay Beispiele. Auch für Nicht-Reeser ist das Wörterbuch eine spannende Lektüre. Wer weiß, was ein Pennelecker ist? Ein Büroangestellter.

Keine Fisematänte

Während die Autorin herausgefunden hat, dass viele den Ausruf „Maranta!“, du meine Güte!, nicht kennen, mag Hermann Venhofen besonders die Erkenntnis: „Dat duuk van se Lääwe niet meer“, das mache ich nie im Leben mehr. Vorbei mit Fisematänte.

>> MIT UNTERSTÜTZUNG VON RESSA ENTSTANDEN

„Reeser Platt – ein Nachschlagewerk“ gibt es für 19,90 Euro in der Bücherecke und beim Bürgerservice der Stadt Rees. ISBN 978-3-96014-255-3. Es ist mit Unterstützung der Sparkasse Rhein Maas und des Reeser Geschichtsvereins entstanden.

Die Umschlagseite zeigt die Skulptur „Das Zwiegespräch“. „Keuj dat well glöwwe?“ fragt die eine. „Nä, dat es niet te begrippe“, antwortet die andere.

Wer Probleme bei der Übersetzung hat, findet neben dem Wortschatz im Anhang Grammatik, Straßen-, Orts- und Ländernamen, Vornamen und Berufe.