Haldern/Birkenfeld. Man stolpert nicht, man verneigt sich – auch vor dem Stolperstein für Gerhard Storm, der jetzt in Birkenfeld verlegt wurde. Ein Gastbeitrag.
Zur Verlegung der Stolpersteine waren wir nach Birkenfeld, eine kleine Stadt im Hunsrück, an der Nahe eingeladen. Die Verlegung der Stolpersteine war eingebettet in ein kulturhistorisches und -politisches Begleitprogramm. Im Rahmen dieses Gedächtnisses wurde der jüdischen Mitbürgerinnen, Ida und Rosa Schiffmann, gedacht und für sie Stolpersteine gesetzt.
Ausgegangen war die Initiative 2010 von der SPD-Fraktion, doch sie wurde von den anderen Parteien abgeblockt. Erst im Laufe der Zeit, als auch eine Verjüngung des politischen Personals einsetzte, und mit der Beharrlichkeit der Initiatoren erlangte das Projekt weitgehende, aber nicht vollständige Akzeptanz.
Die Konzept überzeugte
Dann mit Unterstützung des Gymnasiums und der Realschule plus in
Birkenfeld und der politischen Institutionen wurde die gescheiterte Initiative wieder lebendig. Nach zweijähriger Vorbereitungszeit wurde die Aktion jetzt Wirklichkeit.
Uns hat die pädagogische Konzeption des Gesamtprogramms der Initiatoren überzeugt, dass nämlich die Studienfahrt der Schülerinnen und Schüler ins Vernichtungslager Auschwitz und die Konfrontation mit der NS-Vergangenheit heruntergebrochen wurde auf die lokale bzw. regionale Ebene, was sich auch in der Ausstellung in der Kreissparkasse zeigte. Auschwitz ist nicht weit weg, sondern hat seine Wurzeln hier bei uns.
Und nicht nur für diese beiden jüdischen Mitbürger und Opfer wurden die Stolpersteine gesetzt, sondern auch für den Niederrheiner Gerhard Storm.
Storm warnte frühzeitig vor der NSDAP
Als Autoren und Herausgeber des Forschungsbandes „Vom Winde nicht verweht – Gerhard Storm – Prophet und Rebell“ waren wir zu diesem feierlichen Anlass eingeladen worden. Es ist mehr als bemerkenswert, wenn eine Stadt im Hunsrück einen ehemaligen Abiturienten des Birkenfelder Gymnasiums, der vom unteren Niederrhein stammt und hier auch seine spätere Wirkungsstätte vor allem als katholischer Jugendseelsorger hatte (Wesel, Emmerich), in dieser Weise ehrt.
Seine dreijährige Oberstufenzeit am Birkenfelder Gymnasium haben Storm sicherlich dazu motiviert als Berufswunsch Journalist anzugeben. Dem Berufswunsch ist Storm letztlich treu geblieben, auch wenn er katholischer Geistlicher wurde.
Storm hat bereits vor der Machtergreifung vor der NSDAP gewarnt, ist mit seinen Jugendgruppen während der Weimarer Republik in die verschiedenen Wahlversammlungen gegangen und hat mit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Programme und Argumentationen diskutiert, wie uns Beteiligte berichteten.
Storm, der „politische Jugendseelsorger“
Als Redakteur der Kirchenzeitung hat er ein deutschlandweites, redaktionelles Netzwerk aufgebaut und in der NS-Zeit immer wieder über brisante politische Ereignisse berichtet, so dass er schließlich Schreib- und Berufsverbot erhielt.
Er wurde nie ordentlicher Pfarrer, sondern blieb immer Kaplan, Religionslehrer an Schulen und Redakteur – ein „politischer Jugendseelsorger“, der sich einmischte. Warum er so spät – gerade aktuell vor 75 Jahren (15. Mai 1942) – verhaftet wurde, ist nicht zu klären, denn er unterlag immer wieder der Beobachtung und Bespitzelung in Emmerich.
Eine Gedächtnisplatte erinnert in Haldern
In seiner Heimatpfarre St. Georg in Haldern ist zwar eine kleine Straße nach ihm benannt, doch wurde erst 2013 in dieser Kirche eine größere Gedächtnisplatte gerade auch mit Unterstützung des polnischen Geistlichen Marian Szalecki angebracht. Dass nun ein Stolperstein vor dem ehemaligen Gymnasium, einem schönen, repräsentativen klassizistischen Bauwerk eingelassen wurde – damit bezeugt Birkenfeld eine Weite des Herzens und des Gedächtnisses.
>> DIE BEDEUTUNG VON STOLPERSTEINEN
Stolpersteine, wie es sie auch in Rees gibt, erinnern an die Opfer der NS-Terrorherrschaft. Oft hat Gunter Demnig, künstlerischer Initiator der Stolpersteine aus Köln, die Anwürfe gehört: „Man trampelt doch nicht auf den Namen von Menschen herum! Was soll das Ganze, mal ist es genug!“
Gunter Demnig sieht sein Werk, das er noch immer selbst betreut, als eine konkrete Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte. Die Opfer erhalten einen Namen, werden der Anonymität entrissen, sind als Mitbürger der Stadt erkennbar. Wenn man die Namen mit Daten näher lesen will, muss man sich zum Stolperstein hinabbeugen und gelangt in den Gestus der Verneigung.