Emmerich-Praest. . Knapp einen Monat nach dem Start der Regionalzuglinie RE19 werden die Ansagen im Zug korrigiert. Grund ist das „Dehnungs-’e’“ in Praest.

  • Pensionierter Gymnasialleiter aus Emmerich hatte „Kopfweh“ beklagt wegen Zug-Ansage
  • Bahnunternehmen Abellio will die Stationsansage in Kürze austauschen
  • Stimme der Zugansagen kommt von einem Berliner Radiomoderator

Als einst die erste Eisenbahn die Städte Nürnberg und Fürth verband, sollen Ärzte der Legende nach vor Gesundheitsgefahren gewarnt haben - wegen der damals als rasend empfundenen Reisegeschwindigkeit von 60 Stundenkilometern.

Herbert Ulrich, stellvertretender ehrenamtlicher Bürgermeister in Emmerich, schrieb jüngst dem Bahnanbieter Abellio Rail per Post, er erleide bei Fahrten in der neuen Linie RE19 Kopfweh. Nicht wegen des Tempos, sondern wegen einer der Stationsansagen im Zug.

„Geistige Kopfschmerzen“ würde ihm die Ansage des Bahnhofs Praest machen, schrieb Ulrich der Abellio-Geschäftsführung am zweiten Weihnachtsfeiertag. Seit 11. Dezember ist die Linie zwischen Emmerich und Düsseldorf unterwegs.

Komfort und Ausstattung der durchweg neuen Züge gäben keinen Anlass zu Klagen, schrieb der pensionierte Gymnasialleiter und studierte Germanist. Doch der Haltepunkt Praest werde in der Zugansage „Präst“ ausgesprochen – und das sei falsch.

Das Dehnungs-’e’ als Stolperfalle

Warum Praest mit langem „a“ gesprochen wird - also „Prahst“ - und nicht als „ä“, weiß Ulrich auch nicht. „Da gibt es keine Regel“, sagt er. Wohl aber gebe es sprachliche Stolperfallen durch das „Dehnungs-’e’“, wie es sich auch in Städtenamen Soest, Straelen oder Bochum-Laer findet.

Angeregt durch die Zugansage hat Ulrich, der in Emmerich-Elten lebt, sogar in Chroniken geblättert und herausgefunden, dass Praest ursprünglich „Sullen“ hieß. Dieser Ort jedoch sei vor Jahrhunderten bei einem Rhein-Hochwasser untergegangen und hätte, gäbe es ihn noch, dem Sprecher der Abellio-Ansagen wohl keine Probleme bereitet.

Abellio-Sprecher ist Radiomoderator aus dem Berliner Raum

Dass der Emmericher Ortsteil Praest nicht „Präst“ ausgesprochen wird, ist inzwischen sogar bis Berlin vorgedrungen. Im Tonstudio des Unternehmens GSP Sprachtechnologie wurden die Stationsansagen der Abellio-Linien eingesprochen.

„Von einem Radiomoderator aus dem Berliner Raum“, sagt Alexander Schlegel, der den Bereich der Streckennetzprogrammierung leitet. Weltweit ist die Firma für viele Verkehrsunternehmen aktiv, darunter auch mit Stationsansagen in Russland oder Australien.

Die Ansage Praest werde nun neu aufgenommen und dann in Kürze dem Kunden ausgeliefert, kündigt man bei GSP an. Eine Arbeit, für die eine Sprechausbildung unabdingbar sei: Änderungen müssten vom selben Sprecher ergänzt werden können.

Der müsse in der Lage sein, den Text stets in gleichmäßiger Lautstärke, Geschwindigkeit und Betonung vorzutragen - „auch nach Jahren noch“, sagt Schlegel. Damit sich neue Ansagen mit den bisherigen ohne Qualitätsverlust kombinieren lassen.

Leider hat Praest keine Behörde

Die Aussprache von Ortsnamen habe immer wieder ihre Tücken. Das sei auch ein Grund, warum solche Zugansagen nicht von Computerstimmen kommen. Zur Recherche greife man unter anderem auf ein Aussprache-Wörterbuch zurück, „in dem fast alle Orte zu finden sind“ - Praest allerdings nicht.

Oft helfe dann ein Anruf im örtlichen Rathaus, beschreibt Schlegel. In Praest allerdings gab es keine Behörde, bei der sich im Vorfeld hätte testen lassen, wie sich das Personal am Telefon meldet und den Ortsnamen sozusagen aus dem Bauch heraus ausspricht.

Denn eines hat man bei GSP in Berlin nach vielen Jahren im Metier erfahren: „Frage nie vor Ort konkret nach, wie man einen Ortsnamen ausspricht.“ Weil die Menschen dann „zum Nachdenken kommen“, sagt Schlegel. Das produziere meist Fehler.

Den man in punkto Praest beim Bahnunternehmen Abellio auch schon vor Herbert Ulrichs Brief bemerkt habe, erklärt Firmensprecherin Anamaria Preuss: „Ein ortskundiger Mitarbeiter hatte uns darauf aufmerksam gemacht“. Es folgte der Auftrag, die Ansage zu korrigieren.

Die DB sprach auch schon „Präst“

Damit macht sich Abellio womöglich mehr Mühe, als die Deutsche Bahn, die bis zum Fahrplanwechsel mit der Linie RE5 bis Emmerich fuhr. Reisende berichten, auch dort sei bei Ansagen von „Präst“ die Rede gewesen.

Ab 6. April werden die Stationsansagen um zwei Bahnhöfe erweitert: Wenn der RE 19 bis nach Arnheim verlängert wird. „Die Ansagen haben wir schon aufgenommen“, teilt man bei GSP mit - die Stationen Zevenaar und Arnhem auch auf Niederländisch. Mal abwarten, von welchen Schmerzen Reisende dann berichten...

>> HIGH TECH AUS DEM ZUGLAUTSPRECHER

Stations-Ansagen in modernen Personenzügen kommen längst nicht mehr auf Knopfdruck vom Triebfahrzeugführer und sind auf Kassette gespeichert. Dahinter steckt High-Tech, sagt Alexander Schlegel, vom Berliner Unternehmen GSP Sprachtechnologie.

Die auf Rechnern gespeicherten Ansagen werden über Satelliten-Navigation aktiviert, per GPS-Signal. Etwa 1,5 Kilometer vor dem nächsten Haltepunkt kommt die Ansage. „Damit Reisende noch ausreichend Zeit haben, ihre Sachen zu sammeln und dann auszusteigen“.

Als Stimmen für Haltestellenansagen würden sich Frauen und Männer in punkto Verbreitung inzwischen die Waage halten, meint Schlegel. Dank besser gedämmter Züge und deutlich verbesserter Lautsprecher-Technologie.

Frauenstimmen seien bei Umgebungslärm meist klarer zu verstehen, „weil sie ein höheres Frequenzband haben als Männerstimmen“, sagt Schlegel. Auch einen emotionalen Faktor gibt es: „Frauenstimmen wirken deeskalierend“, Männerstimmen würden dagegen Sachinformationen „besser rüberbringen“.