SCHWARZARBEIT. Die Jagd nach Sozialschmarotzern und Steuerhinterzie-hern sorgt auch im Kleverland bisweilen für Aufsehen.

Allein ihr Anblick bringt selbst starke Männer aus dem Konzept. Das liegt an den Uniformen, den Pistolen an den schwarzen Gürteln und den Stiefeln, mit denen auch die GSG 9 gut gerüstet wäre. Und so gesteht der schwergewichtige Landwirt aus Materborn, der an diesem Morgen im April von seiner aufgeschreckten Familie nach Hause gerufen wurde: "Die machen mich nervös." Zumal sie ohne Vorwarnung und zu viert geklingelt haben, diese Staatsdiener, die nach Sozialschmarotzern und Steuersündern fahnden. Ihr Einsatzleiter spricht sachlich, aber so, dass es trotzdem wie ein Vorwurf klingt: "Guten Tag, Aurich mein Name. Wir sind von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit." Der Landwirt greift zum Telefon, bittet seinen Steuerberater um Hilfe.Es ist kurz nach acht, als die Uniformierten auf dem Parkplatz an der A57-Ausfahrt Goch halten. Ihr Kleinbus und ihr Kombi sind mit Blaulicht ausgestattet, grün-weiß lackiert; "www.zoll-stoppt-schwarzarbeit.de" steht drauf. Aus dem Bulli springt Michael Aurich. Die Dienstkluft scheint maßgeschneidert für den kantigen Körper des 46-Jährigen. Auf dem Parkplatz ziehen er und seine Leute sich schusssichere Westen über.Die sind Vorschrift, "obwohl wir sie und die Waffen zum Glück noch nie gebraucht haben", versichert Aurich. Einer Art Spezial-Einheit gehören er, Katrin Kubitza (26), Josef Bauhaus (42) und Christoph van Holt (42) an: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) ist ein "Sachgebiet" des Hauptzollamtes Duisburg. Dort wollen rund 200 Zöllner Schwarzarbeit verhindern, ahnden und ermitteln. Wie an diesem Morgen im Kleverland. Der erste Tipp kommt von der Ausländerbehörde des Kreises: In einem Gartenbau-Betrieb soll ein Liberianer sein Geld ohne Arbeitserlaubnis verdienen.Die Wagen steuern erst auf der B9 der Sonne entgegen, biegen dann nach Reichswalde ab. Am Zielort schwärmen die Zöllner aus und umzingeln ein Ensemble aus Gewächshäusern. Aurich klingelt am Klinkerbau davor. Der Chef des Betriebes öffnet erst nach zwei, drei Minuten, beschwert sich sofort: "Ihr wart doch letztes Jahr erst bei uns."Seine Kollegen haben derweil die Mutter und die Frau des Arbeitgebers, drei Polen, zwei Afrikaner und einen Südeuropäer zusammengesucht. Nun sitzen sie alle im Glashaus. Auf Deutsch, Englisch, mit Händen und Geduld versuchen die Zöllner DIN-A4-Bögen zu füllen, die mit "Prüfung gem. § 2 SchwarzArbG und § 107 SGB IV" überschrieben sind: "Bekommen Sie Leistungen des Sozialamtes?" "Haben Sie eine Aufenthaltsgenehmigung?" Nach einer halben Stunde sind alle Volksvertreter von der Sozialversicherungs-Nummer bis hin zur "Kleidung des Befragten" ordnungsgemäß erfasst. Die Polen lassen das Prozedere belustigt über sich ergehen, der Südeuropäer stellt seine Routine zur Schau. Der Liberianer ist nicht vor Ort: "Der war mein bester Mann. Den hat mir das Ausländeramt einfach weggenommen", schimpft der Chef - und gerade in Rage auch noch darüber, dass er für seine Begonien vor Jahren noch 12,50 Euro und dieser Tage nur noch 2,78 Euro bekomme.Sein Mann von der Elfenbeinküste bekommt noch Arbeitslosengeld II, hat seinen Job nicht gemeldet. Er sei erst zwei Stunden im Einsatz, verteidigt er sich aufgeregt. "Sagen sie alle", meint Aurich. Nach mehrminütigem Hin und Her zahlt der Chef eine Verwarnung in Höhe von 35 Euro für den Ertappten. Alle anderen vor Ort haben eine Arbeitsgenehmigung und auch sonst nichts zu verbergen.Ganz wie der schwergewichtige Landwirt, der sich 15 Minuten später den Schweiß von seinen Rotbäckchen wischt. Die heben sich mehr und mehr von seiner verblassenden Gesichtsfarbe ab. Ob er Osteuropäer beschäftige, will Aurich wissen. Dass das ein anonymer Informant aus der Gegend behauptet, sagt er nicht. Aber: "Nach den Meldeunterlagen der Rentenversicherung haben Sie keinen Arbeitnehmer." "Doch, einen", entgegnet der Befragte. Die aktuellen Papiere hat der Steuerberater. Der will sie dem Hauptzollamt zuschicken, verspricht er am Telefon. "Ein bisschen viel Aufwand für so eine Routine-Kontrolle", gibt der erleichterte Landwirt den Beamten mit auf den Weg.Die machen den Rest ihrer Schicht Zufallsstichproben auf dem Bau. "Den nehmen wir auch noch mit", funkt Aurich van Holt an der Gocher Landstraße zu. Ein Staplerfahrer aus Wesel muss Fragen beantworten. Er packt auf dem Bau seines Schwagers mit an, hat dafür extra Urlaub genommen. Alles rechtens. Die Kontrolle sei kein Problem, sagt der 46-Jährige lächelnd - obwohl die Nachbarn gucken. Als die FSK ein paar Straßen weiter Malergesellen befragt, mahnt ein schaulustiger Rentner vom Gehweg aus: "Sind alle weg, waren aber hier, die Schwarzarbeiter." Da ist er sich ganz sicher, obwohl Aurich auch diesem Bauherrn eine weiße Weste bescheinigt.