BUNDESWEHR. "Urgestein" Jörg Reichow gehörte zum Vorkommando und marschierte am 21 . Juni 1969 in Emmerich mit ein. Das Pionierbataillon 140 wird nun im Kameradenkreis "begraben".
EMMERICH. Jörg Reichow marschierte mit, als die Pioniere am 21. Juni 1969 mit klingendem Spiel in Emmerich einzogen und auf dem Geistmarkt Aufstellung nahmen. Es war ein heiterer Tag: "Die Bevölkerung war ja schon positiv eingestimmt worden, denn die Propaganda lief von 1964 bis 1969", erinnert sich der heute 63-jährige Fahrlehrer.
Nur einige Friedensbewegte um den Künstler Waldemar Kuhn hätten auf der Paradestraße ein Sit-in veranstaltet. Das sei dann aber von einer soldatischen Eingreiftruppe schnell aufgelöst worden. Alles blieb friedlich: "Es gab keine Buhrufe." Von einem "Super-Verhältnis" zwischen Bürgern und Soldaten schwärmt Reichow noch heute. Abends ging man in den Scotch-Club: "Da wurde nicht gepöbelt. Wir gehörten einfach dazu."
Der gebürtige Kieler Jörg Reichow hat sämtliche Pionier-Stationen durchlaufen: Grundausbildung in Warburg, Stammeinheit Köln-Longerich. Dort, beim schweren Pionierbataillon 716 (später Pionierbataillon 140), ließ er sich zum Kraftfahrer ausbilden, zum Pioniermaschinenfahrer für sämtliche Erdbewegungsgeräte wie Walzen, Erdhobel Bagger und Raupen, schwenkte um auf "Fahrer Rad", wurde Fahrlehrer und ließ sich umfunktionieren zum Schirrmeister in der 1. Kompanie. Er verwaltete 176 Radfahrzeuge sowie Maschinen: "In dieser Funktion bin ich mit der 1. Kompanie nach Emmerich umgezogen."
"Es war nichts da"
Jörg Reichow gehörte dem Vorkommando an, das schon ein halbes Jahr vor Einzug des Bataillons damit begann, Schränke, Regale, Betten usw. in Emmerich aufzubauen: "Es war ja nichts da, außer nackten Wänden. Der Zaun hatte noch große Löcher. Vorne wurde der Zement reingefahren und hinten wieder raus. Es wurde viel geklaut und umgeleitet." Natürlich wurden auch die Fahrzeuge etappenweise nach Emmerich überführt. Viele Fahrzeuge steuerte Reichow selbst - den großen Laster wie den kleinen Fahrschulwagen.
Jörg Reichow verbindet noch eine andere, höchst angenehme Erinnerung an die Anfangsjahre: "Im Vorkommando lernte ich meine spätere Frau Marlies auf der Hüthumer Kirmes lennen." Als erster Soldat des Bataillons hat er 1970 in Emmerich geheiratet, bei Pastor Lambert Brimmers in Heilig-Geist, mit großem Spalier: "Geheiratet wurde damals natürlich in Uniform."
Jörg Reichow bezeichnet sich selbst als "Urgestein" des Pionierbataillons. Und weil das Berufssoldatentum für ihn nicht bloß ein Job war ("wir identifizieren uns mit unserem Beruf"), fällt es ihm schwer zu glauben, dass es die Kaserne bald wirklich nicht mehr gibt.
Er hat selbst schon Erfahrungen mit einer Auflösung gesammelt und weiß, wie das ist, wenn Spinde geräumt und die Bilder abgehängt werden. Das war, als das Pionierausbildungszentrum 800 (PAZ) im Juli 1993 aufgelöst wurde, in dem er Reservisten ausbildete. Der Abschied fiel nicht leicht : "Die Kaserne war ja unser Zuhause." 15 Jahre später, Reichow hat seine Uniform längst an den Nagel gehängt, wiederholen sich die Auflösungserscheinungen, nur eben einige Nummern größer: "Damals war das ja nur das PAZ ..."
Am 30. Mai endet das Emmericher Bundeswehr-Kapitel da , wo es vor 39 Jahren begonnen hatte: auf dem Geistmarkt. Zum feierlichen Abschiedsappell hat Reichow drei Soldaten mit Ehefrauen zu sich eingeladen: "Wir wollen gemeinsam das Bataillon begraben."Die Pioniere ziehen ab, aber Spuren bleiben, z.B. das Eugen-Reintjes-Stadion: "Es wurde nur gebaut, weil die Bundeswehr kam. Das meiste Geld kam vom Verteidigungsminister", sagt Jörg Reichow. Die Schwimmhalle wurde für die Schwimmausbildung der Tauchergruppe errichtet, die bei Havarien eingesetzt wurde. Die erste Beleuchtung an der Rheinbrücke waren Scheinwerfer der Soldaten.