Emmerich. . Vor 72 Jahren ging die mittelalterliche Handelsstadt im Bombenhagel unter und wurde wieder aufgebaut. Bilder aus Syrien ähneln denen Emmerichs 1944.
- Am 7. Oktober 1944 legten britische Bomber die Nachbarstädte Kleve und Emmerich in Schutt und Asche
- 22-jähriger Syrer hat keine große Hoffnung, dass seine Heimatstadt jemals wieder aufgebaut werden wird
- In St. Martini können sich Bürger am Freitag, 7. Oktober, zum interreligiösen Gebet versammeln
Bei einem Tagangriff heute vor 72 Jahren legte die Royal Air Force die Städte Kleve und Emmerich in Schutt und Asche. Bei dem Großangriff zur Mittagszeit wurde Emmerich fast vollständig dem Erdboden gleich gemacht. Vermutlich war der Rheinstadt vor allem die Lage an einem bedeutsamen Eisenbahnknotenpunkt zum Verhängnis geworden.
In dem Hagel von Spreng- und Brandbomben kamen 641 Zivilisten und 91 Soldaten ums Leben. Hätte es nach den Septemberangriffen nicht eine Evakuierungswelle gen Mitteldeutschland gegeben, dann wäre die Zahl der Opfer sicherlich weitaus höher ausgefallen. So befanden sich nur noch 8000 bis 9000 Bewohner in der einst stolzen Hansestadt, die einer Geisterstadt glich. „Keiner, der Emmerich bisher kannte, erkennt es wieder“, schrieb Leo Verwyk damals. Die Stadt nahe der niederländischen Grenze entstand nach den Schrecken des Krieges neu. Nicht in alter Pracht, aber immerhin.
„Nichts mehr wie vorher“
Ob Kobane, im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei gelegen, jemals wieder aufgebaut wird, das bezweifelt Mohammed Juma und damit auch seine Rückkehr. „Es wird nicht mehr wie vorher“, sagt der 22-Jährige. Zu sehr stehen er und die anderen Flüchtlinge, die dem syrischen Bürgerkrieg entkommen sind, unter dem Eindruck von Tod, Elend, Hoffnungslosigkeit: „Alles ist kaputt“, sagt Mohammed. Er zeigt auf seinem Handy ein Foto seiner Heimatstadt, die einen trostlosen Anblick bietet. Die Ruinen ähneln fatal denen Emmerichs nach dem 7. Oktober 1944. Zwar sind Schulen und Krankenhaus inzwischen wieder eröffnet, aber es mangele immer noch an Wasser und Strom.
Mohammed hat sich alleine bis nach Deutschland durchgeschlagen. Der Rest der großen Familie – die Eltern, drei Schwestern und sieben Brüder – blieb in der Türkei und hat dort inzwischen Arbeit gefunden. Mohammed holt noch einmal sein Handy hervor und zeigt das Foto seiner Schwester Zahra, die bei einer Explosion in Kobane ums Leben kam und nur 17 Jahre alt wurde.
Seit dem 20. Oktober 2015 lebt der junge Kurde in Emmerich, im ehemaligen Kolpinghaus Oelstraße, sieben Personen in drei Zimmern, und wartet sein Asylverfahren ab. Lehramt habe er in Syrien studiert, erzählt er. Das Studium würde er hier gerne wieder aufnehmen. „Ich muss aber noch besser Deutsch lernen.“ Bei der AWo an der Goebelstraße hat Mohammed einen Sprachkurs von Seyran Dag belegt. Sollte es mit dem Studium nicht klappen, könnte er auch als Friseur arbeiten.
Aktuell leben in Emmerich etwa 490 Asylsuchende, wovon 85 Personen, vor allem Syrer, bereits anerkannt sind. Die Gesamtzahl der Syrer in Emmerich liegt aktuell bei 188 Personen, darunter auch Flüchtlinge aus Kobane. „Die habe ich aber erst hier in Emmerich kennengelernt“, erzählt Mohammed und lächelt.
In der St. Martini-Kirche, die im Zweiten Weltkrieg ebenfalls bombardiert wurde, sind die Bürger heute um 13.15 Uhr zu einem interreligiösen Friedensgebet im Gedenken an die Zerstörung Emmerichs am 7. Oktober 1944 eingeladen. Bürgermeister Peter Hinze hält eine Rede. Traditionell läuten nach 14 Uhr die Glocken aller Innenstadtkirchen. Auf die Friedensglocken für Syrien oder Afghanistan dagegen wird man wohl noch länger warten müssen.