Emmerich. . Inge und Georg Maiß haben Charles Odei und Allem Atai aufgenommen, zwei unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMA). Für alle ein Glücksfall.

  • Bei Familie Maiß haben die Jungs aus Ghana und Afghanistan ihr Lachen wieder gefunden
  • Georg Maiß hat selbst eine Flüchtlingsvergangenheit - sie nehmen die Minderjährigen aus Menschlichkeit auf
  • Die Stadt Emmerich sucht weitere Familien wie die Maiß’, die für den Fall der Fälle bereit stehen

Inge und Georg Maiß sind mit 73 und 75 Jahren noch mal Oma und Opa geworden. Zumindest gibt es seit viereinhalb Monaten zwei nette junge Männer im Haus, die sie Oma und Opa nennen. Charles Odei (17) aus Ghana und Allem Atai (16) aus Afghanistan haben sich bestens bei der Leegmeerer Familie eingelebt. Jüngst ging es sogar gemeinsam in den ersten Mosel-Urlaub. Alle strahlen. „Das war sehr schön“, sagt Inge Maiß.

Härtetest bestanden, kann man wohl sagen. Das Paar hat die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (kurz UMA), die 2015 nach Emmerich kamen, freiwillig aufgenommen. Ob sie sich das gut überlegt hätten, haben einige Bekannte sie gefragt. Aber wenn man es Inge und Georg Maiß nicht zutraut, wem dann?

Die Maiß’ sind Stolz auf ihre Jungs. Auch die eigenen Kinder und Enkel sind begeistert vom „Familienzuwachs“. Nach so kurzer Zeit in Deutschland können beide schon einem Pressegespräch folgen und Fragen beantworten: „Sie sind lernwillig, fleißig, ganz lieb und freundlich. Wir lachen viel zusammen“, sagt Inge Maiß.

Dass die Jungs ihr Lachen wieder gefunden haben, ist nicht selbstverständlich. Charles hatte Probleme mit seinem Vater, die er nicht näher beschreiben möchte. Allem spricht offen über seine Heimat Afghanistan: „In meinem Land ist Krieg. Ich wollte ruhig leben.“ Er hat seine Eltern, seine zwei Schwestern und drei Brüder zurück gelassen. Zuletzt vor vier Wochen hatte er Kontakt zu ihnen: „Mein Vater muss zwei Stunden auf den Berg marschieren, um telefonieren zu können“, verrät der 16-Jährige. Er hofft, dass es allen gut geht. Taliban und andere Terroristen wüten in seiner Heimat. Es gibt keine Perspektiven. Während Charles aus Ghana über London nach Deutschland geflohen ist, war Allem 50 Tage zu Fuß, im Zug und auf dem Schiff unterwegs.

Es gibt keinen Weg zurück

Über das neue Familienleben in Emmerich sagt Allem: „Ich fühle mich sehr wohl. Die Leute sind sehr nett und hilfsbereit. Es ist ganz anders als in Afghanistan.“ Zur Schule konnte er in seiner Heimat nie gehen. Jetzt plant er am Berufskolleg in Kleve seinen Hauptschulabschluss zu schaffen. Am liebsten würde er später eine Mechatroniker-Lehre absolvieren. Ob er denn die Heimat vermisse? Da bringt er nur ein knappes „Tja“ heraus: „Ich kann nicht zurück. Sie machen mich tot...“

Charles betont ebenfalls: „Die Familie ist sehr gut zu mir.“ Geht’s nach ihm, liegt seine Zukunft im IT-Bereich. Zu seinen Hobbys zählt er Lesen, Tischtennis und Filme auf Deutsch und Englisch gucken. Demnächst besucht er einen Schwimmkurs. Auch Allem ist eine Sportskanone.

„Wir dachten, wir nehmen einen Jugendlichen auf. Wir hatten zwei Kinderzimmer frei. Eins wollten wir aber frei lassen“, schildert Inge Maiß. Georg Maiß hat selbst eine Flüchtlingsgeschichte und kann deshalb die Schicksale vielleicht etwas besser verstehen: „Ich bin 1945 mit meinen Eltern aus Schlesien vertrieben worden.“ Zunächst habe der Vater, ein Wehrmachtsbeamter, sich noch um die Rückkehr bemüht, bis ihm dann die Leiterstelle des Vetriebenen- und Flüchtlingsamtes in Emmerich angeboten wurde: „Es kam mir all die Jahre nicht so vor, als ob wir Flüchtlinge gewesen wären.“

Ihre Motivation ist die Menschlichkeit. Bevor die Familie einer Betreuung zustimmte, sollte erstmal die Chemie getestet werden. Zum Termin kamen dann beide UMA: „Wir konnten doch keinen Herzschmerz verursachen. Also haben wir beide genommen“, verrät Georg Maiß. Im Nachhinein finden die Speelberger, zu zweit sei es für Jungs ohnehin leichter.

Was die Zukunft bringt, das wissen sie alle nicht. Charles und Allem ist die berufliche Perspektive sehr wichtig. „Die Asylanträge werden gestellt“, sagt Inge Maiß. Sie hofft, dass ihre Junge Praktikums- und Ausbildungsplätze bekommen können, das würde ihre Bleibechancen erhöhen. Irgendwann werden sie auch wieder ausziehen.

Die Stadt Emmerich hat im Moment noch eine weitere Familie in der Hinterhand, bei der beide Eltern berufstätig sind, die Flüchtlinge aufnehmen würden. Weitere werden gesucht.

Die Stadt sucht weitere Gastfamilien

Die Stadt Emmerich ist verpflichtet, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (kurz UMA) zu betreuen. Zu Beginn der Flüchtlingswelle in 2015 wurde übergangsweise auf dem Reiterhof Lensing-Hebben eine erste Gruppe eingerichtet. Inzwischen ist diese fix an der Hansastraße.

Auch in Gastfamilien können UMA untergebracht werden. Dafür kommen nur gewisse Flüchtlinge in Frage: „Das geht nur, wenn ein Trauma ausgeschlossen werden kann. Sonst ist ein intensiveres pädagogisches Fachwissen nötig“, schildert Nancy Urselmann, die bei der Stadt Emmerich zuständig ist.

Weitere Gastfamilien werden noch gesucht. Interessierte melden sich bei Urselmann unter 02822/75-1418 oder per Mail an nandy.urselmann@stadt-emmerich.de. Infrage kommen Menschen, die sich auf Neues, auf andere Kulturen einlassen können. Gut wäre es, wenn die Gasteltern Zeit haben. Bei eher selbstständigen Jugendlichen wären auch berufstätige Gasteltern denkbar. Inzwischen klappt bei Neuankunft der Übergang in die Schule recht schnell.

Familie Maiß unterstreicht, dass der Papierkram aufwendig sei. Auch der gemeinsame Urlaub musste genehmigt werden.