Emmerich. . Marianne Lorenz schließt ihr Geschäft für Bürobedarf, Schreib- und Lederwaren im Juni. Räumungsverkauf beginnt. Haus wurde verkauft. Appartements entstehen .

Für Tradition kann man sich nichts kaufen. Aber schade ist es doch, wenn ein vertrauter Anblick im Stadtbild verschwindet. Das ist, wenn Marianne Lorenz oder ihre Tochter Dorothee die Ständer mit Glückwunschkarten morgens vors Geschäft stellen und abends wieder reinholen.

Das ist bald vorbei. „Mitte Juni schließe ich“, kündigte Marianne Lorenz gestern an. 104 Jahre war Motz eine bewährte Adresse für Bürobedarf und Schreib- und Lederwaren. Als Grund gibt sie nicht etwa ihr Alter an – sie ist auch mit 80 noch ungemein agil – sondern die Tatsache, dass sie das Haus auf der Steinstraße nach vier Jahren verkaufen konnte.

Der neue Besitzer, ein Bauunternehmer aus Bocholt, hat inzwischen die beiden Wohnungen in mehrere kleinere Appartements umgewandelt. Die Nutzung des Erdgeschosses ist noch ungewiss: Laden oder Büro. Als zweiten Grund führt Lorenz die Lage des Einzelhandels in Emmerich an, der nicht mehr viel abwirft. „Das Internet ist doch unsere Krankheit“, sagt die Kauffrau ganz energisch.

1970, als ihr Vater Heinrich Motz starb, war sie, unterstützt von ihrer Mutter Therese, in den Familienbetrieb eingestiegen. Weil Technik nicht so ihr Ding war, ließ sie fortan die Finger von Büromaschinen. Heinrich Motz wiederum hatte die Stafette von seinem Vater Wilhelm übernommen, der das Geschäft 1912 gegründet hatte. Außer dem Laden für Schreibwaren gehörte zunächst auch noch ein Ausstellungsraum auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Geschäft. Dort also, wo die Gasthaus-Stiftung gerade erst ein neues Wohnhaus hochzieht, konnten früher auch Gemälde, Stiche und Aquarelle bestaunt und erworben werden.

1940 wurden diese Räume dann aufgegeben. Während des Kriegseinsatzes von Heinrich Motz in Russland schloss die NSDAP 1942 kurzerhand das inzwischen von dessen Frau Therese geführte Geschäft. Grund: Heinrich Motz hatte sich geweigert, Mitglied in der Partei zu werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren von dem Geschäft, in dem die Familie bis 1980 auch noch wohnte, nur noch eine Ruine übrig geblieben. Nur Vorder- und Hinterfront standen noch.

Dienstag, 26. April, startet der Räumungsverkauf bei Motz. Die Preise purzeln wie einst beim Sommerschlussverkauf. Schreibgeräte, Alben, Gästebücher, Telefonverzeichnisse, Schreibtischartikel in Leder, Acryl oder Lerche Stahl, Stofftiere, Geldbörsen, Schreibwaren, Arbeitsmappen, Kulturtaschen, Schmuckkassetten, Kindersachen von Spiegelburg oder die Glückwunschkarten – alles muss jetzt raus.

46 Jahre lang Geschäftsfrau – tut der Abschied da nicht weh? „Ich fühle mich gar nicht so schlecht“, sagt Marianne Lorenz, „aber das kann noch kommen an dem Tag, wenn ich den Schlüssel umdrehe“. In den vier langen Jahren, in denen sie für das Haus einen Käufer suchte, habe sie sich mit dem Gedanken schon abfinden können. Zu tun gibt’s für die engagierte Emmericherin auch danach noch genug: für „Familie in Not“ und die Waisenhausstiftung Rees. Und schließlich mischt sie ja auch immer noch im Stadtrat mit.