Haldern. . Der Komponist Heiner Frost wird in diesem Jahr das Festival in der Kirche eröffnen. Im Interview spricht er über ein Künstler-Dasein zwischen den Welten.
Er wurde 1957 in Haldern geboren, wuchs in Aspel auf, wohnt schon länger in Kranenburg und kommt am 11. August, 30 Jahre nachdem er sein Examen als Komponist bestanden hat, für den größten Moment seines Komponisten-Lebens heim. Heiner Frost war der erste Künstler, den Haldern Pop für das Festival 2016 bestätigt hat. Im Interview erzählt er, warum er sich zwischen den Welten fühlen wird. Haldern Pop hat ein Frost-Problem...
Heiner, wie kam es, dass Du beim Haldern Pop auftreten darfst?
Ich hab’ vor drei Jahren nach dem Festival ein Stück komponiert, als Hommage ans Haldern Pop. An einem Regentag beim Festival fand ich es toll, wie diszipliniert das alles abging, wie die Leute im Regen vor dem Spiegelzelt standen in einer 200 Meter langen Schlange. Das hätte es woanders so nicht gegeben. Das Stück hieß „Der Regen lächelt“, ein Stück für Klavier Solo. Das habe ich Stefan Reichmann (Haldern Pop Chef, Anm. der Red.) erzählt. Bei der Uraufführung in Rees hatte Stefan sich das angehört und meinte, dass wir vielleicht irgendwann mal etwas damit machen könnten.
Dann hatten wir 2016 eine Uraufführung im Kurhaus Kleve mit dem neuen Stück „Magnificat“. Da war Stefan nicht dabei, aber ich habe ihm die Aufnahme geschickt. Da sagte er: „Mensch, kannst du dir vorstellen, dass wir das für unseren ersten Trailer nehmen?“ Ich sagte: „Stefan, Du kannst machen, was Du willst.“ Irgendwann meinte Stefen, es könne sein, dass er das Stück doch nicht nehme. Da dachte ich schon: Mist. Würde mich als Komponist schon freuen. Dann fragte er später: „Wenn man dich denn jetzt ankündigt, wie würde man dich ankündigen?“ Da habe ich gesagt: „Frost“. Dann rief er später an und sagte: „Ich hab’ dir den Trailer geschickt. Guck mal, ob der so bleiben kann.“ Da habe ich mich zuerst gefreut, dass sie mein Stück ja doch genommen haben. Dann sehe ich die ersten Bestätigungen und der erste Name, der da steht ist: Frost! Ich dachte: ach, ja?!
Moment. Das heißt, Du hast das Video zum ersten Mal gesehen und dann gemerkt, die haben dich gerade gebucht?
Ja. Ich habe erstmal meine 17-jährige Tochter geholt. Sie sollte sich das mal angucken. Wenn Papa was komponiert, na ja, dann klingt das für sie schon mal ein bisschen schräg. Da sie auch Haldern Pop-Fan ist, dachte ich, mal gucken, was sie sagt. Dann sagte sie: „Das glaube ich jetzt nicht!“ „Ja, doch, dein Alter ist beim Haldern Pop“, habe ich ihr gesagt.
Welche Gedanken sind dir nach dieser „Überraschung“ durch den Kopf gegangen?
Es wird Leute geben, die wollen wissen, was macht der eigentlich? Aber es gibt von mir nichts. Also habe ich angefangen Musik von mir bei Youtube und Facebook einzustellen. Das sind mittlerweile zehn oder zwölf Stücke. Ich merke, da gucken tatsächlich Leute nach.
Du wolltest dich für das Publikum erreichbar machen?
Genau. Ich würde als Besucher dasselbe machen. Ich will ja wissen, wo gehe ich hin? Jetzt sollen die Leute im schlimmsten Fall wenigstens wissen, auf wen sie verzichten können.
Du bist so bescheiden...
Es gibt Leute, die hängen Plakate an ihre Wand, um zu zeigen, was sie alles machen. Bei uns hängt ein Plakat auf Kyrillisch, weil mal ein Stück von mir in St. Petersburg gespielt worden ist. Das hänge ich mir an die Wand, weil keiner merkt, dass das ein Konzert von mir war. Damit kann ich leben. Aber eines ist für mich klar: Wenn das Haldern Pop Plakat raus ist und ich stehe da drauf, dann rahme ich mir das ein. Das kommt an die Wand.
So richtig geglaubt hatte ich an den Auftritt aber immer noch nicht, bis ich Post von Mirko (Bogedaly, Haldern Pop-Mitarbeiter, Anm. d. Red.) bekam: Er bräuchte jetzt ein Bild und Presseinfos von mir. Ok, dachte ich, jetzt wird’s ernst. Aber, was sag’ ich nur über mich? Dann fielen mir die Eckpunkte in diesem Jahr für mich ein. Am 24. Januar habe ich in der Robert-Schumann-Musikhochschule in Düsseldorf, wo ich Komposition studiert habe, ein Konzert. 30 Jahre nach meinem Examen komme ich als Komponist zurück und es wird Musik von mir gespielt. Es ist Neue Musik. Es kann passieren, dass die an der Hochschule sagen: „Was der da schreibt, das ist ja für Softies.“ Und es kann dann beim zweiten Eckpunkt dieses Jahres, beim Haldern Pop, sein, dass die Leute sagen: „Mein Gott, das ist aber harte Kost.“ Das habe ich Mirko geschrieben: Ich bin eigentlich zwischen den Welten. Zu progressiv für die Konservativen, zu konservativ für die Progressiven. Das ist das Frost-Problem.
Wie reif ist Haldern Pop denn für Klassik?
Sehr reif. Cantus Domus (der Chor trat zuletzt mehrfach beim Festival auf, Anm. d. Red.) machen ja nun wahrhaftig keinen Pop. Aber die Leute haben „innerlich getobt“. Sie haben mit Ruhe reagiert. Danach sind sie auf die Bänke geklettert. Das ist das Wunderbare an Haldern Pop. Da gibt’s Sachen, bei denen man nicht glaubt, dass sie möglich gewesen wären. Aber hier gibt’s noch ein Frost-Problem. Ich bin ja jetzt nicht Bach oder irgend ein gestandener Chor. Die kennen weder den Typen, der die Musik gemacht hat, noch die Musik. Ich kann verstehen, dass Haldern Pop sagt: „Mach mal 15 Minuten.“ Aber diese 15 Minuten sind für mich das Ereignis des Jahres!
Was dürfen die Haldern Pop Besucher denn von dir erwarten?
Das Festival wird am Donnerstag, 11. August, um 15 Uhr mit 15 Minuten Frost eröffnet. Es wird drei Stücke zu hören geben: das „Magnificat“, „Der Regen lächelt“ – natürlich, das muss dahin – und ein drittes Klavierstück: „Heek.“
Wirst Du auf die Bühne gehen?
Nein, ich sitze wahrscheinlich irgendwo hinten.
Kannst Du es so besser genießen?
Ich genieße die meisten Sachen, bevor sie stattfinden. Jedes Konzert, das ich mache, habe ich vorher im Kopf. Die schönsten Augenblicke sind es, wenn es im Kopf funktioniert, die schlimmsten sind es, wenn sie in der Wirklichkeit anecken. Aber ich glaube, Haldern Pop wird eine neue Erfahrung.