Irmgard Gille und der Tanz des Lebens.
Imgard Gille steht an einem Wendepunkt. 38 Jahre war sie im Schuldienst, zuletzt an der Luitgardis-Hauptschule Elten. Davor ein halbes Jahr Praest und sechseinhalb Jahre Hamburg. "Ich habe nicht Kunst unterrichtet", fügt die 63-Jährige sogleich hinzu.
Hätte nämlich auf der Hand gelegen. Denn Irmgard Gille, in den Kriegswirren 1943 auf dem Großen Lazaretteschiff Berlin in der Ostsee geboren, hat ein Händchen für die Kunst. Und ist dabei äußerst vielseitig. "Drucken ist sehr spannend", sagt sie, "man weiß nie, was dabei heraus kommt." Irmgard Gille hat sich sogar eine eigene Druckstation zugelegt. Die hat sie sich von dem Geld zugelegt, das ihr die Lehrer-Kollegen zum Abschied schenkten. Das Rüstzeug zum Drucken erwarb sie sich in einem Workshop in der bx-Galerie, wo sie außer im Schlösschen Borghees und im Rheinmuseum ausgestellt hat.
Irmgard Gille liebt große wie kleine Formate gleichermaßen und malt Portraits nach Fotos. Auch ihr eigenes. "Man macht sich so seine Gedanken", sagt sie beim Blick auf ihr eigenes Konterfei und lächelt dabei.
Der Neuanfang im Leben von Irmgard Gille war lange geplant und wird auch in ihrem Haus am Helenenbusch deutlich. Das wird derzeit gründlich renoviert. Das Wohnzimmer soll heller werden, damit die vielen Bilder noch besser zur Geltung kommen. "Im Keller richte ich mir ein Atelier ein", sagt sie, sogar Tageslicht schimmert hinein. Irmgard Gille steckt voller neuer Pläne.
Die Hände nach dem Ausscheiden aus dem Schuldienst in den Schoß zu legen ist wahrlich nicht ihr Ding. Die Malerei ist es um so mehr. Gerade hat Irmgard Gille die Sommerakademie Schwalenberg im Lippischen östlich von Detmold besucht, neue Bilder geschaffen und aufgetankt.
Schon als sie in den Kinderschuhen steckte, floss eine künstlerische Ader in Irmgard Gille. Sie bastelte und malte viel. Die Ader versiegte in der Pubertät. "Da war die Unbefangenheit weg, und mir fehlte auch die Technik, und ohne sitzt es nun mal nicht so gut". Freilich: Ein Anreiz stellte die Kunst für sie immer dar. In einem Dänemark-Urlaub wollte sie ein Bild kaufen, da meinte die Familie: "Das kannst Du auch!" Die Lust war wieder geweckt. Die ersten Linien zog sie am Sandstrand. Das erste gemalte Bild war ein Papagei, mit den Fingerfarben von Tochter Xenia
Und weiter ging's. Während sie tagsüber Chemie, Hauswirtschaft, Deutsch und Musik unterrichtete, besuchte sie abends Mal-Kurse im Haus der Familie. Bei Lisa Böll, einer Nichte Heinrich Bölls, dann bei Gerd Borkelmann. Das war Ende der 80-er Jahre. Lisa Böll war eine Meisterin in der hohen Kunst, ihren Schülern die Angst vor dem weißen Blatt zu nehmen. Also wurde mit Schwamm und Nagelbürste erstmal drauflos gemalt.
Irmgard Gille probierte verschiedene Techniken aus, aber der Acrylfarbe blieb sie treu. Vor rund fünf Jahren legte sie eine künstlerische Pause ein. Und mit Collagen in einem Workshop bei Beatrix Kalwa fing es dann wieder an. "Der Aufbruch" hieß die erste Collage, "und da bin ich noch dran", sagt Irmgard Gille, die nichts dagegen hat, "Freizeitkünstlerin" genannt zu werden.
Die Anregungen holt sich Irmgard Gille beim Besuch von Ausstellungen. Schon die Mutter, eine Kriegerwitwe, die drei Kinder durchbringen musste, ging mit ihr zu berühmten Hamburger Kunsthalle: "Ein Interesse an Kunst war also schon da." Oder sie schneidet aus Zeitungen aus und verwendet die Schnipsel für eine ihrer Collagen, von denen es schon mal heißt, sie könnten auch von Andy Warhol sein. "Einiges ergibt sich aber auch einfach." Wie bei den vier Damen: "Die sind einfach von innen heraus gekommen."
"Mal sehen, was kommt" ist das Motto von Irmgard Gille. Wenn sie malt, "ist das wie eine Flucht in eine andere Welt. Alle Sorgen sind wie weggeblasen. Wenn ich zwei Tage an einem Bild sitze, ist das lang. Ich bin nicht gerade geduldig." Zwischendurch ein Walzer von Chopin, erster Teil. Irmgard Gille und das gezeichnete Selbstbildnis, 2006. Die blauen Blumen Noch nicht ganz fertig Collage, selbst gedruckt.