Rees. . Viel Prominenz an Bord: Gestern wurde die Flutmulde vom Wasser aus offiziell eingeweiht. Bürgermeister Fonck: Sie hat die Region europaweit bekannt gemacht
Fast sah es aus wie in Papenburg, wenn ein Kreuzfahrtschiff die Meyer-Werft verlässt. Die Köln-Düsseldorfer „RheinFantasie“, immerhin 85 Meter lang und 14 Meter breit, fuhr in die Flutmulde ein. Nur das Freideck war noch von den Ufern Rees und Niedermörmter aus hinter dem Deich zu erkennen. Währenddessen näherte sich von der anderen Seite die Fähre einem schwarz-rot-goldenen Band, das über die Flutmulde gespannt war. An Bord dieser Fähre „Räßße Pöntje“ stand zum Festakt viel Prominenz, Minister, Staatssekretär, Bürgermeister,Verantwortliche der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und Gäste. Fährmann Daniel de Raaf platzierte sein „Pöntje“ punktgenau vor dem Band. Mit einem gemeinsamen Schnipp war die Flutmulde eröffnet – das zweite Bett für den Rhein, ein Ausweich-Stück bei Hochwasser.
Im Rückwärtsgang verließ die „MS RheinFantasie“ wieder die Flutmulde, die von nun an für Schiffe tabu ist. Die Ehrengäste schipperten den regulären Weg über die Fährschneise zurück.
Auch Eröffnung war Meisterwerk
Wer ein Jahrhundertbauwerk wie die Flutmulde baut, der kann auch deren Vollendung spektakulär gestalten. Dieses Kompliment wurde an Diplom-Ingenieur Dietmar Abel hundertfach herangetragen, der von der ersten Stunde an das Projekt seitens der WSV begleitete (die NRZ berichtete mehrfach).
Als vor 25 Jahren sich erstmals Wissenschaftler und Techniker darüber Gedanken machten, wie die große Gefahr durch hohe Hochwasser zu bannen und die Rheinerosion aufzuhalten sei, schien der Bau des heutigen Großprojekts reine Fantasie. Welch’ passendes Ambiente, nun die offizielle Einweihung auf der „MS Rhein-Fantasie“ zu feiern, fand der Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Prof. Hans-Heinrich Witte. Der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, und NRW-Umweltminister Johannes Remmel gaben Komplimente an diejenigen, die dieses Jahrhundertbauwerk verwirklicht und dem Rhein so einen neuen drei Kilometer langen Weg gegeben haben, auf dem zirka 20 Prozent mehr Wasser aufgenommen werden kann. Und Vater Rhein zwischen Kalkar und Rees die Kurve kriegt. Der Strom hat inzwischen seinen neuen Weg selbst gefunden – weit vor der offiziellen Einweihung, nämlich beim Hochwasser im Januar, als die deutliche Verbesserung, der fehlende Druck auf die Reeser Stadtmauer, spürbar war.
Staatssekretär Enak Ferlemann betonte, wie ungewöhnlich es für eine Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sei, eine Hochwassermaßnahme in Angriff zu nehmen, die 60 Millionen Euro verschlungen habe. Dass es besser sei, in Vorbeugung zu investieren, als den Schadensfall zu regulieren, sagte auch Minister Remmel in seiner Laudatio. „Schließlich“, so Staatssekretär Ferlemann, „wer weiß, was die Natur noch mit uns vor hat.“
Der Kalkarer Bürgermeister Gerhard Fonck, bereits am linksrheinischen Spatenstich in Reeserward im Jahr 2009 beteiligt, weiß: „Die Flutmulde hat unsere Region europaweit bekannt gemacht.“ Nicht zuletzt erhielten ihre Erbauer den Preis „Working with Nature Award“ in San Francisco. Das Projekt vereint vorbildlich Natur, Umwelt, Schifffahrt und Hochwasserschutz.
Für die WSA-Amtsleiterin Birgitta Beul fand gestern ihr bedeutendes Projekt einen glanzvollen Höhepunkt. Noch ein Prozent Arbeit sind in der Flutmulde zu bewältigen. Dann geht es rheinaufwärts, denn inzwischen reicht die Zuständigkeit der Duisburger WSA-ler bis nach Mainz. Fast hätte Niedrigwasser die Einweihung des Hochwasserprojektes torpediert. „Die 30 Zentimeter Regen der vergangenen Woche haben uns geholfen“, freute sich Dietmar Abel über den Coup, mit der RheinFantasie in die Flutmulde einzufahren.