Hochelten. . Stammt das berühmte Kuppelreliquiar gar nicht aus Hochelten? Ist es gar kein Tabernakel? Zu diesen Schlussfolgerungen gelangen Experten nach eingehender Untersuchung des Star-Objektes in London.
Neuere Untersuchungen haben alles auf den Haufen geworfen, was man bisher über das Hocheltener Kuppelreliquiar zu wissen glaubte, das sich seit 1861 in London befindet.
Londoner und Berliner Konservatoren haben dieses Meisterwerk mittelalterlicher Goldschmiedkunst sowie das täuschend ähnliche Kuppelreliquiar aus dem Welfenschatz, das sich im Besitz des Kunstgewerbemuseums Berlin befindet, unter die Lupe genommen und neue Informationen zu Tage befördert.
Ob die Fachleute der bislang dem Stift Hochelten zugeschriebenen, 54 cm hohen Miniatur einer byzantinischen Kirche ihre letzten Geheimnisse entlocken konnten, ist fraglich. Umstritten allemal. Gerade in Hochelten.
Verschlungene Pfade
Fakt ist, dass die Experten bei der Komplett-Dekonstruktion unter dem Bodenblech des Holzgehäuses eine undatierte Notiz über eine Reparatur Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckten. Danach haben Jean-Baptiste Carrand und sein Sohn Louis dieses „Monumentum“ aus einer Kölner Benediktiner-Abtei (vermutlich St. Pantaleon), das Schaden genommen hatte, wieder herrichten lassen. Kein Sterbenswörtchen also über eine Hocheltener Provenienz.
Das kupferne, damals unansehnliche Kästlein hatte nach den Stürmen der napoleonischen Ära eine abenteuerliche Reise hinter sich. Es befand sich im Besitz eines Kanonikers in Dornick, eines Althändlers in Anholt, auf Schloss Anholt und bei Fürst Soltykoff in Paris, der es mit sattem Gewinn an das South-Kensington- Museum in London verkaufte.
Die dendrochronologische Analyse des Holzkerns immerhin ergab, dass der Baum um 1148-1158 gefällt wurde, was das bisher schon angenommene Entstehungsjahr 1180 bestätigt.
Nächster Paukenschlag: In London glaubt man auch nicht mehr der Mär vom Reliquiar, sondern hält es für einen Tabernakel. Die Experten halten es für ungewöhnlich, dass nicht Heilige dargestellt wurden, deren Reliquien in dem Behälter aufbewahrt wurden, sondern Szenen aus dem Leben Jesu: Geburt, Kreuzigung usw. Dieses Figurenprogramm passe aber viel eher zu einem Tabernakel, in dem geweihte Hostien aufbewahrt werden.
Die Neuetikettierung war perfekt. Und so wurde das „Star-Objekt“ unter der Bezeichnung „Tabernakel, Köln, um 1180“ für würdig empfunden, in die neu aufgebaute Mittelalter- und Renaissance-Galerie des Victoria-and-Albert-Museums aufgenommen zu werden.
Ist damit alles falsch, was Franz Bock im 19. Jahrhundert oder später der Eltener Heimatforscher Leo Gies verfasst haben? Wobei Bock das Reliquiar zunächst in Rees am dortigen Kollegiatsstift verortete.
Jesuiten-Pater Karl-Heinz Fischer vom Eltenberg, geschichts- und kunstbewandert, hält die Thesen für eine „glorreiche Fehleischätzung“ und sagt: „Tabernakel halte ich für völlig ausgeschlossen. In der Romanik gab es nur feste Tabernakel in der Wand.“ Erhabene Sakramentshäuser seien erst in der Gotik mit der in Fronleichnamsprozessionen zum Ausdruck gebrachten Volksfrömmigkeit Thomas von Aquins aufgekommen. Für den Pater steht fest: „Das war kein Tragaltar, sondern ein Reliquiar, wir wissen halt nur nicht, was drin war“. Zu dumm auch, dass keine Inventarlisten mehr existieren. Die dürften in der Feuersbrunst des 80-jährigen Krieges verbrannt sein.
Pater Fischer hält nach wie vor die Forschungen von Gies und anderen für plausibel, die Indizien sammelten, wonach das Kuppelreliquiar von den mächtigen und wohlhabenden, mit Kaisern bestens vernetzten Fürstäbtissinnen in Auftrag gegeben, dann auf dem Berg aufbewahrt und präsentiert worden ist. An Hochfesten, ist Fischer überzeugt, stand das Prunkstück in der Vierung von St. Vitus.