Duisburg-Rheinhausen. . Im abschließenden Teil unserer Serie blickt Betriebsrat Theo Steegmann auf das Ende des Arbeitskampfes. „Die Solidarität war überwältigend“.

Der Rückblick von Theo Steegmann (62) an eine für die ganze Region dramatische und auch prägende Zeit, endet sozusagen in der Gegenwart. Die Schließung des Werkes war letztlich nicht zu verhindern, doch gibt es auch positive Aspekte? Hier die vom damaligen Betriebsrat kommentierte Chronologie, die einsteigt am

11. April 1988: Mahnwache der Stahlarbeiter vor dem Landtag in Düsseldorf und Blockade der Rheinkniebrücke. In der „Düsseldorfer Vereinbarung“, die Anfang Mai 1988 zustande kommt, verpflichtet sich Krupp, das Werk nicht auf einen Schlag, wie ursprünglich geplant schon 1988 zu schließen, sondern teilweise bis 1990 weiter zu betreiben und dann eine Weiterführung zu überprüfen. Mannesmann, Krupp und die Landesregierung verpflichten sich, am Standort Rheinhausen mindestens 1500 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Rund 3000 Stahlkocher werden bis 1993 auf einen neuen Arbeitsplatz vermittelt, in den Thyssen-Werken Beeck, Bruckhausen und Düsseldorf-Benrath, bei den neuen „Hüttenwerken KruppMannesmann“ und der neu gegründeten „Mannesmann Fahrzeugbau“ in Huckingen sowie im Bochumer Krupp-Werk.

Nach der Fusion mit Hoesch und der endgültigen Stilllegung des letzten Hochofens im Rheinhauser Werk am 19. August 1993 wechselt ein Teil der verbliebenen rund 1900 Arbeiter zum Hoesch-Stahlwerk nach Dortmund. Ältere Arbeitnehmer ab dem 56. Lebensjahr wurden in Vorruhestandsregelungen vermittelt. Rund 200 Arbeiter sind nach 1993 im Werk Rheinhausen noch etwa fünf Jahre mit der Restabwicklung, mit Aufräumarbeiten, beschäftigt. Unter dem Strich ist kein Kruppianer arbeitslos geworden. Getroffen hat die Stilllegung die Beschäftigten der Zulieferbetriebe.

Was die „Düsseldorfer Vereinbarung“ vorsah War eine Art Kompensationsleistung: Der Businesspark Niederrhein in Asterlagen. Auslastung heute, mehr als 20 Jahre nach der Inbetriebnahme: Unter 70 Perozent. Foto: Hans Blossey/Archiv

Als Ergebnis der „Düsseldorfer Vereinbarung“ wird 1991 in Asterlagen der Grundstein für den „Businesspark Niederrhein“ gelegt. Dort siedeln sich ab 1997 einige mittelständische Unternehmen an. Heute ist der Businesspark zu knapp 70 Prozent belegt. Sollte das geplante chinesische Handelzentrum (wir berichteten) kommen, wäre das Areal voll belegt, mehr als 30 Jahre nach der Grundsteinlegung.

Ab 1. Januar 1989 nimmt das „Qualifizierungszentrum Rheinhausen“ seine Arbeit auf. Steegmann: „Der letzte Streik musste abgebrochen werden, das war Bedingung für die Moderation. Das hat Ärger gegeben – aber unter dem Strich sind wir da erhobenen Hauptes rausgekommen. Aus heutiger Sicht wird das Ergebnis von den meisten positiv gesehen, vor allem das Gefühl, Geschichte geschrieben zu haben. Widerstand lohnt sich, das ist ja gerade für die Jüngeren eine wichtige Botschaft.“

16. April: Rund 15.000 Besucher feiern das Solidaritäts-Volksfest „Rheinhausen ist überall“ auf dem Glück-Auf-Platz in Hochemmerich.

3. Mai: Die Belegschaft des Krupp-Stahlwerkes nimmt die Ergebnisse an, die Ministerpräsident Johannes Rau in sechs Verhandlungsrunden mit der Krupp-Stahl AG erzielt hat. Damit endet nach 165 Tagen der längste und härteste Arbeitskampf in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands. Ein großer Teil der Krupp-Belegschaft erhält später neue Arbeitsplätze und Abfindungen. „Das wir das Ergebnis überhaupt abstimmen ließen, brachte uns viel Kritik aus dem Unternehmerlager ein. Aber unsere basisdemokratische Arbeit als Betriebsrat hat uns das Vertrauen der Belegschaft gesichert. Die Solidarität war damals auch so überwältigend, weil es so viele Formen und Gelegenheiten gab, sich zu beteiligen. Ob es die Videowerkstatt, die Fraueninitiative, die Bürgerinitiative oder etwas anderes war – jeder konnte sich einbringen. All das hat uns geholfen, der Wut, der Empörung Ausdruck zu verleihen.“

Am 19. Mai 1988 war es amtlich

19. Mai: Der Aufsichtsrat der Krupp Stahl AG beschließt gegen die Stimmen der Arbeitnehmervertreter die Schließung des Hüttenwerks Rheinhausen.

15. August 1993: Der letzte Hochofen wird ausgeblasen.

1997 bis 2000: Die meisten Gebäude des Hüttenwerks Rheinhausen werden gesprengt oder abgerissen. Auf dem ehemaligen 265 Hektar großen Werksgelände entsteht das Logistikzentrum Logport I mit heute rund 5000 Arbeitsplätzen.