Duisburg-Bissingheim. Die Siedlergemeinschaft Duisburg-Bissingheim feiert ihr 75-jähriges Bestehen. Ein Rückblick auf bewegte Jahre in der Eisenbahner-Siedlung.

Helmut Ternes kennt die Hinweise, die darauf deuten, dass es eine organisierte Gemeinschaft der Bissingheimer Siedler bereits seit dem Beginn der Bebauung im Jahr 1921 gibt. Damals wurde die neu angelegte Eisenbahner-Siedlung im Südosten Duisburgs noch unter dem Namen Rheinisch-Bissingheim geführt.

Quellen deuten darauf hin, dass damals bereits ein „Siedlerbund“ gegründet wurde. Der aktuelle Vorsitzende – seit 2018 im Amt – sieht die eher dürftige Datenlage über die angebliche Vorgängerorganisation mit Skepsis. „Ich vermute stark, dass da eine Verwechselung mit der damaligen „Siedlergesellschaft“ vorliegt. Die hatte aber einen ganz anderen Zweck als der heutige Zusammenschluss.“ So gilt nach wie vor der 14. Mai 1948 als offizieller Gründungstag der Siedlergemeinschaft, deren erster Vorsitzender Josef Kohm war.

Selbstversorgung stand in Duisburg-Bissingheim in den Nachkriegsjahren im Mittelpunkt

In den Nachkriegsjahren stand auch in Bissingheim die Selbstversorgung im Mittelpunkt. Die Bebauung im südöstlichen Duisburger Stadtteil bot sich dafür an. Der Bevölkerung standen in der Regel größere Grundstücke und Gartenflächen zur Verfügung, die für den Obst- und Gemüseanbau genutzt werden konnten. Auch für die Kleintierhaltung eigneten sich die großen Grundstücke durchaus. „Noch bis in die 1960er-Jahre gab es in Bissingheim Hühner, Ziegen und auch Schweine“, weiß Ternes.

Das Kinder- und Sommerfest stärkte den Zusammenhalt in der Siedlergemeinschaft.
Das Kinder- und Sommerfest stärkte den Zusammenhalt in der Siedlergemeinschaft. © Volker Poley

Die Siedlergemeinschaft bot ihren Mitgliedern damals sachkundige Hilfe an. Ein Schwerpunkt war in den ersten Jahren nach dem Krieg die „Belehrung und Schulung über den Obst- und Gemüseanbau sowie über die Kleintierhaltung“. Zudem vertrat die Gemeinschaft die Interessen der Siedler nach außen, war darauf bedacht, deren Rechte zu wahren, und bot den Mitgliedern materiellen Schutz. Zu den Aufgaben zählte damals auch, die Sammelbestellungen von Tierfutter und Einkellerungskartoffeln. Auch eine Spritze, um Pflanzenschutzmittel auszubringen, konnte ausgeliehen werden.

Fehlende Kanalisation führte zu selbst gemachten Düngemitteln

Um Düngemittel brauchten sich die Dorfbewohner weniger zu kümmern. Die waren praktisch „selbst gemacht“, daran beteiligte sich täglich die ganze Familie. Der Grund: Erst Ende der 1960er-Jahre erhielt Bissingheim eine Kanalisation. Fäkalien und sonstige unappetitliche Abwässer landeten in den zu den Häusern gehörenden Jauchegruben. Die Hobby-Landwirte düngten im Frühjahr ihre Anbauflächen mit dem hausgemachten Naturprodukt und verliehen so dem Dorf eine ganz besondere Duftnote.

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Für den Zusammenhalt im Dorf sorgte auch die Ausrichtung des Kinder- und Sommerfestes. Das erste Fest dieser Art wurde 1947 noch von der stark im Ort verankerten Arbeiterwohlfahrt durchgeführt. Bereits kurz nach ihrer Gründung übernahm die Siedlergemeinschaft die Organisation dieser Veranstaltung, die schnell den Charakter eines Heimat- und Volksfestes annahm. Dieses bunte Sommerfest wurde im Zusammenhang mit einem Kirmestreiben auf dem Vorplatz des damaligen ETuS-Sportplatzes am südlichen Ende des Blauen Sees gefeiert.

Fahrrad- und Rollerkorso durch das Dorf bei Heimat- und Volksfesten

Legendär waren die Hausfrauennachmittage im Festzelt, auch echte Kirmesraufereien waren nicht selten, bei denen der damalige Dorfpolizist seltsamerweise so gut wie nie aufzutreiben war. Ein Höhepunkt war immer der Fahrrad- und Rollerkorso durch das Dorf, bei dem die am schönsten geschmückten Fahrzeuge jeweils prämiert wurden.

Der Korso galt als Höhepunkt des Festes.
Der Korso galt als Höhepunkt des Festes. © Privat

Mit dem Beginn der Wohnbebauung 1967 verlor die Siedlergemeinschaft den Festplatz, in der Folge gab es noch einige Versuche, das Fest am Leben zu halten, aber 1971 wurde endgültig ein Schlussstrich gezogen.

Ärger über Denkmalamt- Im Duisburger Süden brodelt esHeute ist die Siedlergemeinschaft lebendiger denn je. Rund 300 Mitglieder gehören der Gemeinschaft an. Auch wenn sich einiges in den vergangenen 75 Jahren geändert hat, steht die Nachbarschaftshilfe nach wie vor im Vordergrund. Dazu Helmut Ternes: „Viermal im Jahr entsorgen wir die Grünabfälle unserer Mitglieder, organisieren nach wie vor Sammelbestellungen für Gartenbedarf, wir veranstalten Gemeinschaftsfahrten, informieren über den richtigen Obstbaumschnitt und auch über diverse Themen rund um die Bereiche Haus und Garten.“

Das Bild zeigt den Festumzug im Jahr 1958.
Das Bild zeigt den Festumzug im Jahr 1958. © Walter Dorsel

Das soll auch in Zukunft so bleiben, denn eines ist offensichtlich: Die steigende Zahl der Mitglieder zeigt, dass die Siedlergemeinschaft nach wie vor eine wichtige Rolle im idyllischen Dorf im äußersten Zipfel der Stadt einnimmt.

>>PROGRAMM AM JUBILÄUMSWOCHENENDE

  • Die Verantwortlichen der Siedlergemeinschaft haben für das Jubiläumswochenende ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Am Freitag, 18. August, ist der Kabarettist Kai Magnus Sting in Bissingheim zu Gast. Beginn ist um 19.30 Uhr in der Sporthalle des ETuS Bissingheim.
  • Am Samstag, 19. August, stellen sich ab 10.30 Uhr die Teilnehmer des Kinder-Fahrrad-Korsos auf dem Schulhof am Dorfplatz ihre Räder auf. Dabei werden wie in alten Zeiten die Fahrräder und Roller der Kinder bewertet, bevor um 11 Uhr unter der musikalischen Begleitung der Ruhrpott Guggis der Festzug durch das Dorf startet.
  • Um 12 Uhr wird das Jubiläumsfest auf der Bühne auf dem Dorfplatz offiziell eröffnet. Im Anschluss daran steht der benachbarte Schulhof der Gemeinschaftsgrundschule im Mittelpunkt. Dort gibt es Spiel- und Spaß-Aktionen. Mit dem Kinderprogramm auf dem Schulhof wird gleichzeitig das 100-jährige Bestehen der Bissingheimer Schule (früher Volksschule) gewürdigt
  • Um 17 Uhr entert die „Kapelle Krebs“ die Bühne, deren Musikrichtung man als Kraut- und Rübenrock bezeichnen kann. Um 19 Uhr macht die Partyband „Granufunk - Gegen Tanzschwäche“ auf der Open-Air - Bühne weiter.