Die RAG hat auf dem Bergwergsgelände in Walsum mit dem Abbruch der Industrieanlagen begonnen. Gestern wurde zum erstenmal gesprengt: Ein Teil der Kohlenwaschanlage sackte in die Tiefe.

Es beginnt mit einer Sinnestäuschung: Ein paar häßlich grelle Blitze züngeln ruckartig von oben nach unten. Der für die Sprengung akurat zurecht geschnittene Teilbereich der Kohlenwaschanlage des Bergwerks Walsum kippt bereits zur Seite, doch von einem Knall ist nichts zu hören. Erst der Fall, dann der Knall. Doch dann kommt das häßliche Geräusch hinterher gekracht, oh weh! Ohrenschmerzen für Millisekunen! Denn die Sprengung dauert ja auch nur 160 Milli-Sekunden.

24 000 Kubikmeter umbauter Industrieraum, dort wo Jahre lang Kohle vom Bergematerial getrennt wurde, sacken staubig in die Tiefe und türmen sich auf zu einem chaotischen Gebirge aus Beton und Stahl.

Der Förderturm 1 bleibt als Denkmal erhalten

In gebührendem Abstand, auf der anderen Seite des Nordhafens, steht am diesem Montag Morgen um 10.01 Uhr Wolfgang Marbach. Er ist hoch zufrieden. Er ist der Leiter der Abteilung Flächensanierung der Fa. Remex. „Wir sind die Abwickler” sagt er und lacht. Diese Sprengung, so sagt er, „war eine Bilderbuchsprengung.”

Sie war die erste von vorerst drei geplanten Sprengungen, die die RAG auf dem Walsumer Bergwerksgelände in Auftrag gegeben hat. Das sperrige, mit viel Stahlträgern gestützte Haus der Kohlenwäsche wird in zwei Wochen ein zweites Mal, und 14 Tagen darauf dann ein drittes Mal mit Sprengstoff bearbeitet. Dazwischen müssen in wahrer Herkulesarbeit jeweils 5000 bis 6000 Tonnen Schutt beiseite geschafft werden. Das sind 300 Lkw-Ladungen.

Das ganze Bergwerksgelände, sagt Ulrich Ostrawski von der RAG Montan Immobilien-Gesellschaft, soll bis zum Jahre 2012 an Evonik übergeben werden. Nur einzelne Baukörper, wie zum Beispiel der Förderturm von Schacht 1, wird hier einmal als Denkmal erhalten bleiben. Das Teilstück der Kohlenwäsche muss gar schon zum 1. Juni dieses Jahres von den Industrieanlagen befreit – gewissermaßen besenrein – an Evonik überreicht werden.

Gut sechs Wochen an Vorbereitung hat es gedauert, bis der dreiteilige Komplex der alten Aufbereitungshallen von giftigen Sonderabfällen befreit war; dann noch einmal vier Wochen, um den 40 Meter hohen Teilabschnitt aus Stahlbeton anzuschneiden wie eine Torte, zu schlitzen und mit Sollbruchstellen für den großen Knall zu versehen. Locker, federleicht schaut es aus, als der Kasten gestern, an einem trüben Märzmorgen, den Gesetzen der Schwerkraft folgend die Tiefe fährt.

Was sagt die Erschütterungsmessung?

Sprengmeister Hermann Havekost macht deutlich, was alles dazu gehört: „Wir haben 154 Bohrlöcher gesetzt, 30 Kilo Super-Gel-Dynamit eingesetzt und an acht Stahlträgern Schneidladungen angebracht.” Die sind das reinste Teufelszeug. Sie können Stahl zerschneiden wie Papier. Eine Ladung kann eine 3,5 Zentimeter dicke Stahlplatte 8000 Meter pro Sekunde zerschneiden. Furchterregende Kräfte, die da frei werden.

Und die Gebäude in der Umgebung? Haben die den Fall der 5000 Tonnen unbeschadet überstanden? Havekost hört per Handy mal nach. Schließlich haben sie während der Sprengung extra fünf Erschütterungsmessungen gemacht. „Alles okay”, sagt er, als er die Antwort vernimmt.

Für den Förderschacht 1, nur knappe einhundert Meter vom Sprengort entfernt, wurde eigens eine Erschütterungs-Prognose erstellt. „Schließlich ist der Förderschacht noch nicht außer Betrieb, er wird noch gebraucht”, sagt Ostrawski, der Mann von der RAG Montan Immobilien. Deshalb wurden gestern für ein paar Stunden die Seilfahrt untertage und der Grubenlüfter gestoppt. In einem Jahr aber werden dann auch beide Schächte verfüllt für immer und ewig aus dem Verkehr gezogen sein.