Duisburg. Er stand beim MSV-Platzsturm den Randalierern gegenüber: Ein Duisburger Polizist spricht jetzt ganz offen über die Gewalt und große Enttäuschung.
Einige Tage sind seit dem Platzsturm bei der Partie MSV Duisburg gegen Erzgebirge Aue mittlerweile vergangen. Doch bei den Polizistinnen und Polizisten sind die Bilder noch sehr präsent. „Diese Gewaltbereitschaft hat uns alle betroffen gemacht“, sagt ein routinierter Beamter.
Dabei war im Vorfeld bereits bekannt, dass es beim letzten Heimspiel des feststehenden Absteigers kein normaler Einsatz werden würde. „Es lagen Erkenntnisse vor, dass mit einem hohen Grad an Emotionalität und Aggressivität zu rechnen war“, erklärt die Kraft der Einsatzhundertschaft. Vieles habe zunächst auf ein Szenario hingedeutet, bei dem Fangruppierungen nach Abpfiff den Platz betretenen könnten.
Platzsturm beim MSV Duisburg: Polizist spricht über Pfefferspray-Einsatz
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: In der 83. Spielminute wurde ein Fluchttor im Bereich der Fankurve aufgehebelt, etwa 50 Randalierer stürmten dadurch verbotenerweise in den Innenraum. Ordner und Polizisten formierten sich zu Ketten, um sie aufzuhalten. Die Polizei befand sich dabei zunächst in zweiter Reihe. Der Grund: „Wir wollten erst einmal deeskalieren. Die Polizei ist in diesem Lager ein Feindbild.“
Als die Chaoten dann diese Kette durchbrechen wollten und das Ordnungspersonal mit gefährlicher Pyrotechnik bewarfen, wurde die Lage neu bewertet. Die Einsatzkräfte drängten die Gruppe in den Block zurück, griffen dabei zunächst zum Pfefferspray. Als das nicht ausreichte, zückten sie auch den Einsatzmehrzweckstock. „Es ging darum, die Gesundheit von Menschen zu schützen“, unterstreicht der Beamte. Und dieses Ziel sei so auch erreicht worden.
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In Fanforen wurde in den Tagen nach den Ausschreitungen besonders der Einsatz des Reizgases kritisiert. „Wir haben das vorher angedroht und das Spray in die Höhe gehalten. Wer zu diesem Zeitpunkt noch in Reichweite stand, war kein Unbeteiligter“, macht der Polizist deutlich.
Hinterhältiger Angriff an der Nordkurve
Er und seine Kollegen wurden während des Einsatzes bespuckt, getreten und geschlagen. Sieben Polizeibeamte erlitten Verletzungen, drei von ihnen mussten krankgeschrieben werden. Besonders eine Attacke hat den erfahrenen Polizeibeamten schockiert: Als einer seiner Kollegen im Bereich hinter der Nordkurve einen der Chaoten festnehmen wollten, sprang ein Angreifer ihm mit beiden Beinen voran in den Rücken. „Das war einfach hinterhältig“, sagt der Beamte und schüttelt den Kopf.
Die Ausschreitungen haben bei den Polizistinnen und Polizisten allerdings nicht nur körperliche Spuren hinterlassen. Viele von ihnen seien betroffen, spürten so etwas wie einen „Bruch“. „Wir sind mit Fußball aufgewachsen, viele von uns sind MSV-Fans und schon mit ihren Eltern ins Stadion gegangen. Und jetzt erleben wir hier diese Aggressivität“, beschreibt es der Duisburger.
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Was ihn massiv beschäftigt: Viele Fans aus der bürgerlichen Mitte hätten die Gewalt seinen Beobachtungen nach toleriert. „Wir sind sogar von der Vortribüne aus mit Bierbechern beworfen worden.“ Aber: Es habe auch Anhänger gegeben, die sich nach dem Spiel dafür bedankt hätten, dass die Polizei sie vor den Chaoten schützte.
Über 100 Hinweise aus der Bevölkerung
Nach Angaben von Polizeisprecher Daniel Kattenbeck haben viele Menschen den Ermittlern zudem zahlreiche Bilder und Videos aus dem Stadion zugeschickt. Mehr als 100 Hinweise sind bislang bei der Behörde eingegangen. Material kann weiter über ein Hinweisportal unter nrw.hinweisportal.de hochgeladen werden.
Die Chancen stehen somit gut, dass zahlreiche Randalierer ermittelt werden können. Laut Polizei wurden bislang 13 Personen identifiziert. Derzeit laufen in diesem Zusammenhang Ermittlungen, ob diese bei den Ausschreitungen beteiligt waren. Strafanzeigen wegen versuchter Gefangenenbefreiung, Angriff auf Polizeibeamte, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und Landfriedensbruch sind gestellt worden.
Der MSV Duisburg hat angekündigt, gegen bekannte Verursacher mit aller Deutlichkeit vorgehen zu wollen. Szenekenner rechnen mit einer „hohen Zahl“ von Stadionverboten.