Duisburg. Gut gemeint, schlecht gemacht: Die neue Grundsteuer ist schon jetzt ein Lehrstück für eine völlig verbockte Reform. Ein Kommentar.

Die neue Grundsteuer in NRW hat gute Chancen, künftig unter dem Wikipedia-Eintrag „Reform-Chaos“ einen Spitzenplatz einzunehmen. Die Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils aus 2018 ist ein Trauerspiel in mehreren Akten. In den Hauptrollen: Bundesfinanzministerium, die Finanzämter und die NRW-Landespolitik. Das ganze Desaster ausbaden dürfen, so scheint’s, am Ende wohl die Kommunen und ihre Bürger, egal ob sie im eigenen Häuschen oder zur Miete wohnen.

Schon die Grundsteuer-Erklärungen sorgten in Duisburg für viel Ärger

Dabei: Die 2018 höchstrichterlich angeordnete Reform war lange überfällig. Zu eklatant die Steuerdifferenz zwischen alten und neuen Immobilien in den alten Bundesländern, in den neuen war nach der Wiedervereinigung eine Neubewertung unterblieben.

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Seinen Lauf nahm das Chaos in den Finanzämtern mit den unsäglichen Grundsteuer-Erklärungen. Motto: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht. Der heilige Bürokratius möge verhindern, dass Gerichtsurteile ein Änderungsverfahren erfordern.

Das „Bundesmodell“ versucht die Quadratur des Kreises mit einer Rechnung, die nicht aufgehen kann: Gewerbetreibende entlasten, Wohn-Immobilien gerechter besteuern und gleichzeitig das Steueraufkommen für die Kommunen konstant zu halten, kann nur dann funktionieren, wenn die Mieter und Hausbesitzer die Zeche für die Wirtschaftsförderung zahlen.

Ein Trauerspiel: Die Umsetzung der Grundsteuer-Reform kommentiert WAZ-Redakteur Martin Ahlers.
Ein Trauerspiel: Die Umsetzung der Grundsteuer-Reform kommentiert WAZ-Redakteur Martin Ahlers. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Volkszorn wird sich bei Rat und Verwaltung der Städte entladen

Warum NRW nicht längst wie andere Bundesländer an den Messbeträgen schraubte, als das Dilemma offenbar wurde, bleibt rätselhaft. Nun schiebt die Landesregierung die heiße Kartoffel weiter zu den Kommunen. Das Argument, so mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen, ist fadenscheinig. Der Volkszorn wird sich bei den Bürgermeistern, Kämmerern und Stadträten entladen, die am wenigsten für das Desaster verantwortlich sind.

Die Wut der Bürger ist gerade in Duisburg verständlich. Heftig hat die Stadt an der Grundsteuer-Schraube gedreht, der Hebesatz stieg seit dem Jahr 2010 von 500 auf 855 v.H., um den Haushalt zu sanieren. Erst mit dem Jahreswechsel griff eine Absenkung um zehn Punkte. Die Gewerbesteuer wurde bereits zweimal gesenkt. Warum sollen nun höhere Grundsteuern die lokale Wirtschaft fördern?

Der sehr deutsche Anspruch, mit einem einzigen Gesetz allen gerecht zu werden, wird sich auch bei der Grundsteuer-Reform einmal mehr nicht erfüllen. Allerdings: Es in sechs Jahren deutlich besser zu machen, ist kein Hexenwerk. Absehbar ist: Finanzgerichte werden wohl die Scherben des Politikversagens zusammenkehren müssen.