Duisburg-Marxloh. Ein brutaler Angriff erschüttert Duisburg: Grundschüler brechen in Tiergehege am Petershof in Marxloh ein, erschlagen ein Huhn und quälen Ziegen.
Der Schock sitzt tief am Marxloher Petershof. Drei Kinder sind am Sonntagnachmittag, 12. Mai, in das sozialpastorale Zentrum an der Mittelstraße eingebrochen. Ihr Ziel: das Tiergehege. Dort bewarfen die jungen Täter ein Huhn solange mit Pflastersteinen, bis es starb. Außerdem jagten die jungen Einbrecher die beiden Ziegenböcke mit Spaten, Steinen und Stöcken. Den langsameren Bock, Anton, schlugen sie und verletzten ihn unter anderem am linken Vorderlauf. Sie verpassten ihm auch eine Platzwunde unterm Auge. Tage später zittert er immer noch. Eine gute Dreiviertelstunde wüteten die Kinder im Gehege, bevor sie aufgehalten wurden.
Später untersuchte und versorgte ein Tierarzt die überlebenden Tiere. Der Petershof organisierte spontan einen kleinen Wachtrupp, um weitere Einbrüche und Tierquälerei zu verhindern. Bis lange nach Mitternacht blieben die Freiwilligen am Tiergehege.
„Richtiger Gewaltexzess“: Drei Kinder töten und quälen Tiere mit Steinen, Stöcken und Spaten
Die Mitarbeiter und Ehrenamtler des Petershofs sind „erschüttert und fassungslos“ aufgrund dieses brutalen Angriffs. Er ist der traurige Höhepunkt einer bislang dreiwöchigen Einbruchsserie. Gestohlen wurden bislang Kanarienvögel, Wellensittiche und Hühner. Erstmals konnten die Täter jedoch auf frischer Tat ertappt werden. Nachbarn hatten den Krawall im Tiergehege bemerkt und die Polizei gerufen.
Streifenpolizisten stellten die drei Jungen gegen 14.30 Uhr im Tiergehege. Sie sind neun und zehn Jahre alt und wollten gerade eine elektrische Heckenschere benutzen. Das bestätigt Polizeisprecherin Vanessa Pajak auf Nachfrage der Redaktion. Die Duisburger Einsatzkräfte hatten allerdings zunächst den Kadaver des gesteinigten Huhns gar nicht entdeckt, weshalb später erneut eine Streife zum Tatort ausrückte. Zu den drei Einbrechern gehört demnach auch ein Mädchen, das allerdings vor dem Petershof blieb. Ob sie sich nicht einzubrechen traute oder ob sie Schmiere stehen sollte, dazu kann die Polizei noch keine Angaben machen.
Die Kinder sind alle dem Gesetz nach strafunmündig und wurden deshalb von den Einsatzkräften zu ihren Erziehungsberechtigten gebracht. Vanessa Pajak bestätigt, dass die Gruppe bereits vorher aktenkundig gewesen sei. Dies heiße aber nicht zwangsläufig, dass sie schon als Täter aufgefallen seien. So betont die Polizeisprecherin, dass die polizeibekannten Kinder „keine Intensivstraftäter“ seien. Allerdings, ergänzt sie, zeige Videomaterial aus einer Überwachungskamera, die der Petershof als Reaktion auf die Einbruchsserie angeschafft hat, dass ein beteiligter Junge bereits am Vortag ins Tiergehege eingestiegen sei. Er warf am Samstag, 11. Mai, zwei Hühner über den Zaun. Was aus ihnen geworden ist, hat die Kamera nicht eingefangen.
Dafür hat sie deutlich die jüngste Tat gefilmt. Die drei Jungen sollen zu sehen sein, wie sie ein Huhn getötet und einen der beiden Ziegenböcke misshandelt haben. Die Aufnahme sei „harter Tobak“, ein „richtiger Gewaltexzess“ und „unerträglich“, heißt es aus dem Petershof. Das Videomaterial sei noch nicht komplett ausgewertet, so Vanessa Pajak, die Polizei ermittle noch. Die Kinder würden zu dem Verbrechen angehört und auch ihre Eltern seien vorgeladen. Zusätzlich ist das städtische Jugendamt eingeschaltet und hat von der Polizei einen Bericht über die kriminell gewordenen Kinder erhalten.
Nach Einbruchsserie: Petershof diskutiert derzeit über die Konsequenzen
Nach Abschluss der Ermittlungen wird der Petershof wohl zivilrechtliche Ansprüche gegen die Familien der Täter erheben können. Doch Schadensersatz ist derzeit kein Thema bei den Mitarbeitern und Ehrenamtlern. Vielmehr bedrückt sie, dass weder Mauer, Zaun noch Überwachungskamera die Hühner und Ziegen im Gehege vor Angreifern schützen können. Für freiwillige Wachen fehlen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler, ein professioneller Sicherheitsdienst ist zu teuer. So wird nun darüber diskutiert, das Gehege zu schließen und die Tiere abzugeben.
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„Das ist sehr bedauerlich, ich habe viele der Tiere mit angeschafft“, sagt Ordensschwester Ursula Preußer gegenüber der Redaktion. Sie ist Mitarbeiterin der Pfarrei St. Johann, zu der auch der Petershof gehört. Nach dem Polizeieinsatz gehörte sie zum freiwilligen Wachtrupp. In Marxloh steige in den letzten Jahren stetig der Vandalismus, habe sie beobachtet. „Was geht vor in Kindern, die hilflose Geschöpfe quälen?“, fragt sich Schwester Ursula wie fast alle Menschen, die von dem brutalen Angriff im Tiergehege erfahren haben. „Ich bin keine Frau für Schnellschüsse“, betont sie, sieht aber doch die Zeit gekommen, um zu handeln. Denn bei Kindern, die ein Huhn erschlagen und auf einen Ziegenbock mit einem Spaten und mit Pflastersteinen losgehen, sei die „Hemmschwelle gegenüber Menschen nicht viel höher“.
Entsetzen im Stadtteil: „Probleme gehen nicht weg“
Zwar bräuchten die Täter höchstwahrscheinlich selbst Hilfe, weil sie gewalttätige Erfahrungen gemacht hätten. Doch für Schwester Ursula „steckt Sprengstoff“ hinter der Einbruchsserie und der Tierquälerei: „Es kann nicht sein, dass so ein Verhalten nicht gestoppt werden kann.“ Sie sieht jetzt die Behörden gefordert, aber auch die Menschen in Marxloh. Denn sie weiß: „Die Probleme gehen nicht weg.“
Zumindest lindern soll auch der Petershof die Probleme der vielen Marxloher Kinder, findet Ehrenamtlerin Rikarda Licht. Sie habe dort früher Mädchen und Jungen betreut und sei oft und gerne mit ihnen ins Tiergehege gegangen. Seit der Corona-Pandemie ist dieses Angebot ausgesetzt. Der Angriff auf die Tiere rufe gerade deshalb Entsetzen im Stadtteil hervor, „weil die Täter Kinder sind“. Doch Rikarda Licht ist davon überzeugt, dass sich die Situation verbessert, „solange die Kinder hier nicht auf sich allein gestellt sind“. Deshalb tritt sie dafür ein, dass die Kinderbetreuung wieder angeboten wird. Diesen Vorschlag prüft der Petershof derzeit ebenso wie die Zukunft des Tiergeheges.
>> Diese Möglichkeiten haben Behörden bei Verbrechern im Kindesalter
- Die Polizei hat das Jugendamt über den Einbruch beim Petershof und den Angriff auf die Tiere informiert. Da die Täter jünger als 14 Jahre und damit strafunmündig sind, möchte die Stadt auf den Einzelfall „zum Schutz der Betroffenen nicht eingehen“.
- „Verbrechen, die bei älteren Jugendlichen zur Strafverfolgung führen würden, werden bei jüngeren Kindern als ,Kinderdelinquenz‘ bezeichnet“, erläutert Stadtsprecher Peter Hilbrands ganz grundsätzlich. Die Staatsanwaltschaft stelle Verfahren gegen strafunmündige Kinder zwar ein, diese Taten werden dennoch systematisch von der Polizei erfasst und an das Jugendamt weitergeleitet.
- „Ab diesem Punkt beginnt ein abgestimmter Prozess zwischen Polizei und Jugendamt“, so Hilbrands weiter. Je nach Schwere oder Häufigkeit der Tat könne das Kind ins Programm ,Kurve kriegen‘ aufgenommen werden. Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Polizei betreuen darin die Familien, um eine kriminelle Karriere der Kinder zu verhindern.
- Im künftigen Haus des Jugendrechts sollen Staatsanwaltschaft, Polizei und Jugendamt sowie das Programm „Kurve kriegen“ unter einem Dach arbeiten und die Zusammenarbeit stärken.