Duisburg. Der Arbeitskampf der Stahlindustrie ist zentrales Thema der Reden beim DGB-Fest am 1. Mai im Landschaftspark. Kritik auch am Venator-Management.
Der Kampf um den Erhalt der Duisburger Stahlstandorte, für den am Dienstag die Belegschaften von Thyssenkrupp Steel (TKSE) und der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) demonstriert hatten, war am Tag darauf auch das zentrale Thema der Redner bei der Kundgebung zum 1. Mai. Zum Ziel Tausender Besucher im Landschaftspark Nord wurde am Tag der Arbeit aber das große Familienfest bei der NRW-Kundgebung des DGB.
Ein Grund für eher spärliche Resonanz vor der Bühne mag sein, dass Hauptredner Jürgen Kerner als 2. Vorsitzender der IG Metall nicht den Bekanntheitsgrad von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst genießt, der im vergangenen Jahr deutlich mehr Zuhörer fand. So sucht sich mancher lieber einen schattigen Sitzplatz vor den umstehenden Wagen der Gastronomen.
„Wir brauchen keinen zweiten Kletterpark im Stahlwerk“, sagt Dieter Lieske zur Stahl-Krise. Dabei gibt nicht nur diese Anlass zur Sorge in Duisburg. Lieske erinnert an Venator, das britische Chemieunternehmen will in Homberg fast 400 Jobs streichen. „Dabei zahlt Venator Boni in Millionenhöhe für verkommene Manager“, kritisiert der 2. Vorsitzende des DGB in Duisburg den Konzern mit Sitz in England.
Ungewiss ist auch die Zukunft der Sana-Kliniken. Das Haus schreibt hohe Verluste und hat einen Sanierungsbedarf im dreistelligen Millionenbereich. Fraglich ist, wie es angesichts der anstehenden Klinikreform wirtschaftlich überhaupt weiterzuführen ist. Beschäftigte und der Betriebsratsvorsitzende Helmut Böckeler machen darauf mit einem Transparent aufmerksam: „Hände weg von unseren Kliniken.“
Gewerkschaften besorgt: Immer weniger Beschäftigte mit Tarifvertrag
Für Unsicherheit bei den 800 Beschäftigten der Mercedes-Niederlassung Rhein, zu denen auch das Haus in Meiderich gehört, sorgen die Verkaufspläne des Konzern. Um neue Tarifverträge für die Beschäftigten im Groß- und Einzelhandel sowie im ÖPNV führen die Gewerkschaften harte Auseinandersetzungen mit den Arbeitgebern.
„Es macht uns Sorgen, dass nur noch knapp 50 Prozent der Beschäftigten in Deutschland mit einem Tarifvertrag beschäftigt sind“, sagt Jürgen Kerner, der an den 75. Jahrestag der Verabschiedung des Tarifvertragsgesetzes erinnerte. „Das Ziel der Gewerkschaften müssen Tarifverträge für alle Branchen bleiben. Durch die Tarif-Flucht fehlen pro Jahr 130 Milliarden Euro nicht nur in den Taschen der Beschäftigten, sondern auch bei den Sozialabgaben und Renten.“
Industrie und Klimaschutz seinen keine Gegensätze, betont der 2. Vorsitzende der IG Metall: „Aber wir benötigen mehr Investitionen, schnellere Genehmigungen, verstärkte Ausbildung und einen starken Sozialstaat.“ Bis günstige erneuerbare Energie zur Verfügung steht, brauche die energieintensive Industrie einen Brückenstrompreis, um konkurrenzfähig zu bleiben. Kerner: „Am besten brauchen wir einen europäischen Preis, um gemeinsam gegen die globale Konkurrenz zu bestehen.“
Kerner zur Schuldenbremse: „Ohne Jobs können wir uns für schwarze Null nichts kaufen“
Die Bundesregierung fordert Kerner auf zur Reform der Schuldenbremse, um Investitionen in die Infrastruktur zu ermöglichen. „Schienen, Brücken, Straßen – alles ist marode. Wenn es am Ende keine Jobs mehr gibt, können wir uns für die schwarze Null nichts kaufen.“
In die gleiche Kerbe schlägt auch Jannik Erdogan. „Wo bleibt die Jugend?“, fragt der DGB-Jugendsekretär. Angesichts milliardenschwerer Sondervermögen, die etwa für militärische Aufrüstung bereitgestellt werden, vermisst er „einen Aufschrei“. Für Auszubildende, die nicht mehr zu Hause leben, werde es zunehmend schwerer, angesichts steigender Kosten ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Die DGB-Jugend plädiert deshalb für den Bau günstiger Bleiben in Azubi-Wohnheimen.
>> KERNER-KRITIK AN THYSSEN-CHEF LÓPEZ: „NICHT IHRE PRIVATVERANSTALTUNG“
Am Tag nach der Großdemo, bei der er verhindert war, kritisierte auch Jürgen Kerner Thyssenkrupp-Chef Miguel López. Kerner vertritt als stellv. Vorsitzender die Arbeitnehmerseite im Konzern-Aufsichtsrat.
Er sei 48 Stunden bevor der Vorstandschef den Einstieg des tschechischen Investors Daniel Kretinsky öffentlich bekannt gab, „mündlich informiert worden“, so Kerner. Am Tag darauf habe es lediglich ein „nichtssagendes Gespräch“ mit Kretinsky gegeben.
„Hören Sie auf mit diesen Spielchen“, so Kerner in Richtung López: „Reden Sie mit der Mitbestimmung und beteiligen Sie die Politik. Das ist nicht Ihre Privatveranstaltung.“
In Duisburg sieht der Metaller tausende Arbeitsplätze in Gefahr: „Durch die DRI-Anlage bei Thyssenkrupp Steel entsteht Zukunft, aber nur für zwei Millionen Tonnen. Für die HKM gibt es noch keine grüne Vision.“
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