Duisburg. Die MS Colorado war Kriegsschiff, Zuhälter- und TV-Yacht. Darauf lebt heute ein Paar. Wie Marina-Betreiber Octeo die Bewohner nun loswerden will.

Das Motorschiff „MS Colorado“ hat eine faszinierende Vergangenheit. Gegen Ende des 2. Weltkrieges wurde es für die Kriegsmarine gebaut. Etliche Jahre später wurde das 22,77 Meter lange Boot von einer Kölner Rotlichtgröße zur Luxusyacht umgebaut. Seit 2020 gehört es einem Paar, das seitdem auf dem Boot im Duisburger Innenhafen lebt. Doch friedlich geht es rund um Birgit Steinich, Sascha Rösler und die „Colorado“ nicht mehr zu. Der Vielfachdienstleister Octeo – das städtische Tochterunternehmen ist Betreiber der Marina Duisburg – will das Boot loswerden. Inzwischen beschäftigt das die Gerichte.

In vielen Veröffentlichungen heißt es, die „Colorado“ wäre ein Torpedofangboot gewesen. Dann wäre sie nur ein Marinehilfsschiff, das teure Übungstorpedos beim Schulschießen einsammeln sollte. Sascha Rösler glaubt zu wissen, dass sein Zuhause als Schnellboot gebaut wurde. Dann wäre die „Colorado“ sogar ein echtes Kriegsschiff gewesen. Schwer zu sagen, nach all den Umbauten in acht Jahrzehnten. Da ist viel Raum für Diskussionen von Marine-Experten.

MS Colorado: Aus Ausflugsboot wurde die Luxusyacht von „Schäfers Nas“

Nach dem Krieg erfuhr die „Colorado“ höchst zivile Nutzungen. Heinrich Schäfer, eine weit über die Grenzen der Domstadt hinaus bekannte Kölner Rotlichtgröße, soll das Boot in Frankreich gekauft haben. „Da war es als Ausflugsschiff unterwegs“, berichtet Rösler. Für mehr als zwei Millionen D-Mark ließ „Schäfers Nas“, wie der zwei Meter große Zuhälter genannt wurde, die „MS Colorado“ zur Luxusyacht mit goldenen Wasserhähnen und riesigem Bett umbauen.

Nach einem bewegten Leben, zu dem eine lange Haftstrafe ebenso gehörte wie die uneigennützige Beteiligung an der Wiederbeschaffung eines aus dem Kölner Dom gestohlenen Kreuzes, starb Schäfer 1997 mit 60 Jahren an Herzversagen. Die „Colorado“ wurde zwangsversteigert, um die aufgelaufenen Liegekosten zu bezahlen. Danach ging das Boot durch mehrere Hände, landete spätestens 2015 im Duisburger Innenhafen.

Birgit Steinich und Sascha Rösler vor der mit Kölner Wappen verzierten Hausbar im Salon der „MS Colorado“. Die zwei verstehen die Welt nicht mehr.
Birgit Steinich und Sascha Rösler vor der mit Kölner Wappen verzierten Hausbar im Salon der „MS Colorado“. Die zwei verstehen die Welt nicht mehr. © Bodo Malsch

Traum vom Wohnboot wurde für Duisburger Paar wahr

„Wir hatten immer von einem Wohnboot geträumt“, sagt Birgit Steinich. Mit ihrem Lebensgefährten teilt sie schon lange die Leidenschaft für Boote. Die „Colorado“ war ihnen sofort aufgefallen. „Die hatte genau die richtige Größe für uns.“

2020 hing ein Schild daran: „Zu verkaufen.“ Als das Paar die bewegte Geschichte der „Colorado“ erfuhr und das Interieur aus schwarzer Mooreiche sah, verliebte es sich in das Boot. Sascha Rösler, der beruflich als Schlagzeuger und – allerdings im Schlauchboot – als Wasserretter unterwegs ist, gaben ihre Wohnung in Neudorf auf und zogen auf die „Colorado“. „Viel verändert haben wir nicht. Wir wollten alles bewahren.“

Die Besitzer und ihre Yacht tauchten oft in Fernseh-Magazinen auf. Die „Colorado“ war noch häufiger zu sehen: in Serien wie „Cobra 11“ oder im Video „Pirate“ der Kölner Band „Kasalla“. Und auch „Schäfers Nas“ lässt das Paar nicht los. „Wir waren zur Vorstellung des Buches ‚Wenn es Nacht wird in Köln‘ ins ‚Pascha‘ eingeladen“, erzählt Birgit Steinich schmunzelnd. „Auf dem Cover ist nämlich unser Boot.“

Man könnte meinen, dass die prominente „Colorado“ bestens als Werbeinstrument für die Marina geeignet wäre. Doch im Juni 2023 sei sie zum Hafenmeister gerufen worden, berichtet Birgit Steinich: „Ich sollte eine Kündigung unterschreiben. Bis Ende des Monats sollte das Boot raus.“

Auch das am Amtsgericht Ruhrort ansässige Rheinschifffahrtsgericht wird sich noch mit dem Fall befassen müssen. (Archivbild)
Auch das am Amtsgericht Ruhrort ansässige Rheinschifffahrtsgericht wird sich noch mit dem Fall befassen müssen. (Archivbild) © WAZ FotoPool | Lars Froehlich

Aus heiterem Himmel kam der Rausschmiss

Sie unterschrieb nicht. Das Paar zahlte einfach weiter für den Liegeplatz. „Da Octeo unser Geld nicht mehr wollte, haben wir es auf ein Sperrkonto eingezahlt.“ Im Herbst 2023 kam die Räumungsklage.

Das Landgericht Duisburg verhandelte. Die Octeo vertrat die Auffassung, dass nur ein befristeter Mietvertrag bestehe, der jederzeit beendet werden könne. Birgit Steinich und Sascha Rösler konterten mit einem Wohnungsgeberschein, der ihnen 2020 von der Octeo ausgestellt worden war, und der ihnen ganzjähriges Bewohnen garantiert. Die 7. Zivilkammer wies die Klage des Marina-Betreibers vor wenigen Tagen ab.

Warum soll die „Colorado“ weg?

Einen Grund, warum die „Colorado“ weg soll, erfuhren Birgit Steinich und Sascha Rösler auch vor Gericht nicht, sagen sie. Das Paar hat aber eine Ahnung, woher der Wind wehen könnte: „In der Marina machen sich Gewerbliche breit, die immer mehr Platz für zu vermietende Hausboote und Yachten brauchen. An denen verdient die Octeo mehr.“

Die Octeo wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern. „Wir prüfen das Urteil des Landgerichts. Ansonsten sagen wir derzeit nichts dazu“, antwortet Sprecher Ingo Blazejewski auf Fragen zum Streit.

Der erste Erfolg gegen die Räumung beruhigt das Paar nicht. Das Landgericht Duisburg verwies Teile der Klage, in denen es vor allem um baurechtliche Fragen geht, zur Verhandlung ans Rheinschifffahrtsgericht in Ruhrort. Ein Termin steht noch nicht fest. „Wir finden das alles ungerecht“, seufzt Birgit Steinich. „Wir haben doch niemandem etwas getan. Und wir wollen hier nicht weg. Duisburg ist unser Lebensmittelpunkt.“

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