Duisburg. Eine Duisburger Grundschule animiert Kinder dazu, öfter zu Fuß zu gehen – und den Schülern gefällt‘s. Warum sie gerne auf Elterntaxis verzichten.
Bevor Steven aus Duisburg im Klassenzimmer sitzt, ein Heft aufschlägt und seiner Lehrerin zuhört, sind schon drei Kilometer auf seinem Schritte-Konto. Zu Fuß zur Haltestelle, ein paar Stationen mit dem Bus, dann noch mal ein langer Fußmarsch – so sieht der Schulweg des Viertklässlers jeden Morgen aus.
Wie es sich anfühlt, mit einem Elterntaxi zur Schule zu fahren, kennt Steven nur vom Hörensagen: „Mit dem Auto wurde ich noch nie gebracht, dafür muss meine Mutter zu früh raus.“ Doch statt sich über den langen Schulweg zu beschweren, sagt er gelassen: „Zu Fuß zu gehen, ist nicht schlimm, manchmal sogar ganz schön.“
Weniger Elterntaxis, mehr Fußwege: Kinder sehen viele Vorteile
Das bemerken gerade viele Schüler der Grundschule Auf dem Berg in Duisburg-Bergheim. Die GGS nimmt an einem Projekt teil, bei dem Kinder Preise gewinnen können, wenn sie oft zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Tretroller zur Schule kommen. Und den Grundschülern fallen immer mehr Vorzüge der frischen Luft im Vergleich zum Beifahrersitz auf.
„Ich gehe mit meiner Freundin Aliyah zusammen, weil sie in der Nähe wohnt, und es ist richtig toll, wenn wir uns schon vor der Schule so viel sehen“, sagt Lena aus der 4a. Das sieht Aliyah genauso: „So macht der Schulweg richtig Spaß.“
Die beiden gehen zehn bis 15 Minuten zur Schule, fahren aber auch mal mit dem Tretroller und sind dann schneller. Sobald sie den Fahrradführerschein der Schule bestanden haben, wollen sie mit dem Rad kommen.
Nur aufs Auto haben die beiden keine Lust mehr: „Es ist viel schöner, aufzustehen und dann direkt an der frischen Luft zu sein“, erklärt Lena. Aliyah nickt und weiß: „Dann ist man auch im Unterricht viel konzentrierter.“
Schüler schätzen Zeit mit Freunden an der frischen Luft
Viele Schüler nutzen den Fußweg, um Zeit mit Freunden zu verbringen, so zum Beispiel Tom aus der 4a: „Donnerstags gehe ich immer mit demselben Freund, sonst auch mal mit anderen Freunden, Hauptsache nicht alleine.“ Mittlerweile werde er kaum noch mit dem Auto gebracht, solange es nicht hagelt oder stark regnet.
Manche Kinder sind schon erfahren darin, den Weg zu Fuß zu gehen, weil sie nah an der Schule wohnen. So geht es zum Beispiel Enes und Hanna aus der 4b: „Enes holt mich immer ab, dann gehen wir zusammen und sind in fünf Minuten an der Schule. Nur in der ersten Klasse wurden wir mal gebracht“, meint Hanna.
Noch schneller an der Schule ist Luca aus der 4b, wenn er mit dem Roller zur GGS fährt: „Zu Fuß brauche ich sieben Minuten, mit dem Roller schaffe ich es in vier.“
Schüler mit langem Schulweg dürfen auch ein Stück mit dem Bus fahren
Für Schüler, die weiter weg wohnen, ist die Anreise ohne Auto oder Bus deutlich schwieriger. Neben Steven geht es zum Beispiel Noé aus der 4b so, denn er wohnt in Friemersheim.
Für einen kompletten Fußmarsch wäre der Weg zu lang. Um trotzdem am Projekt teilnehmen zu können, hat er mit seiner Lehrerin einen Kompromiss ausgemacht: „Ich werde bis zum Aldi gebracht und gehe die letzten zehn Minuten zu Fuß.“
Viele Gefahren durch Elterntaxis vor der Schule
Ob nun mit langem oder kurzem Schulweg, eins merken alle Kinder: Je weniger mit dem Auto gebracht und abgeholt werden, desto sicherer wird es rund um die Schule. Denn die GGS ist nur über die schmale Straße Auf dem Berg zu erreichen – da sorgen Elterntaxis schnell für gefährliche Situationen.
Das erleben nicht nur die Eltern hinter dem Steuer, sondern auch die Schulkinder: „Ich kam einmal zur Schule, als fünf Autos gleichzeitig auf den Schulparkplatz wollten. Da wurde es eng und kein Auto kam mehr weiter“, sagt Noé. Das Tempo sei ebenso ein Problem in der unübersichtlichen Straße, meint Steven: „Einer kam viel zu schnell um die Ecke geschossen, als ich über die Straße wollte.“
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Auch die kommissarische Schulleiterin Birgit Molsner sieht die Elterntaxis nicht gerne: „Davon gibt es auch an unserer Schule viel zu viele.“ Das habe sie den Eltern bereits in einem Schulbrief geschrieben. Der Hausmeister habe oft einen Blick auf den Verkehr, manchmal auch das Ordnungsamt.
Trotzdem blieben Gefahren nicht aus, bestätigt sie: „Es gab schon mehrere Beinahe-Unfälle, weil Eltern ihre Kinder unbedingt vor der Schule rauslassen wollten.“ Eng werde es vor allem, wenn sie auf den Lehrerparkplatz fahren, um dort zu wenden.
Projekt für weniger Elterntaxis: „Die meisten Eltern machen mit“
Deswegen freut sich Molsner darüber, dass das Projekt bisher Wirkung zeigt: „Viele Kinder kommen zu Fuß zur Schule und die meisten Eltern machen mit.“ Ihr als Sportlehrerin sei es besonders wichtig, dass sich die Kinder mehr bewegen: „Die Zeit an der frischen Luft tut ihnen gut, auch mit Blick auf die Konzentration im Unterricht.“
Viele Erwachsenen müssten erkennen, dass Kinder nicht immer gebracht werden wollen, findet Birgit Molsner. Die Eltern, die der Meinung sind, der Schulweg sei zu gefährlich, würden ihre Kinder begleiten. „Die Schüler des ersten Jahrgangs gehen beim Projekt alle mit Begleitung“, erklärt sie.
Molsner ist optimistisch, dass viele Kinder auch noch zu Fuß zur Schule gehen, wenn das Projekt Anfang Mai vorbei ist und es für den Fußmarsch keine Preise mehr gibt. Die Viertklässler bestärken ihre Hoffnung, so zum Beispiel Lena: „Wenn ich nach der vierten Klasse aufs Krupp-Gymnasium gehe, werde ich ganz oft mit dem Fahrrad fahren.“
>> Preise für den Fußweg: So funktioniert der „SpoSpiTo-Bewegungspass“
- Eine Belohnung für viele Schulwege ohne Auto bekommen Schüler beim „SpoSpiTo-Bewegungspass“. Das Projekt läuft über sechs Wochen. Jedes Kind, das in diesem Zeitraum mindestens 20 Mal zu Fuß, mit dem Tretroller oder mit dem Fahrrad zur Schule kommt, erhält eine Urkunde und nimmt an einer Verlosung teil.
- Die Grundschule Auf dem Berg arbeitet dabei auf Vertrauensbasis mit einer Stempelkarte: Die Eltern unterzeichnen, wenn ihr Kind ohne Auto zur Schule gekommen ist. Neben den Einzelpreisen will die Schule selbst auch einen Pokal an die beste Klasse vergeben.
- Der Bewegungspass ist ein bundesweites Projekt, an dem neben der GGS Auf dem Berg zwei weitere Schulen aus Duisburg teilnehmen: die Grundschulen Van-Gogh-Straße in Bergheim und Sternstraße in Aldenrade. Die Abkürzung „SpoSpiTo“ steht für „Sporteln, Spielen und Toben“.