Duisburg. In Duisburg gibt es Streit um Baugenehmigungen: Sie wurden im Landschaftsschutzgebiet erteilt. Jetzt droht die Auseinandersetzung zu eskalieren.
Weil ein Karnevalsverein und ein Ratsherr mit Genehmigung der Stadt Duisburg im Landschaftsschutzgebiet bauen durften, droht der Verwaltung eine Klage: Der Streit um die beiden Bauten eskaliert. Jetzt wendet sich der Vorsitzende des Beirats bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) in einem offenen Brief an Behörde, Politik und Oberbürgermeister Sören Link. Seine Forderung setzt die Stadt unter Druck.
Sie lautet: Die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus an der Straße Breitenkamp in Duisburg-Serm soll zurückgezogen werden. Denn: Sie sei „rechtswidrig“ erfolgt.
Die Stadt sieht das anders.
Illegal oder rechtmäßig? Darum geht es im Streit um die Baugenehmigungen
Ein Kernpunkt des Streits ist die Frage, ob das private Baugrundstück des Duisburger Ratsherren im Innenbereich liegt, also innerhalb einer zusammenhängenden Bebauung, oder im Außenbereich (also außerhalb derselben). Dr. Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirats bei der Unteren Naturschutzbehörde und Mitglied des BUND, argumentiert: Sowohl das im Bau befindliche Einfamilienhaus als auch die 2021 errichtete Wagenbauhalle des Karnevalsvereins KG Südstern befänden sich im Außenbereich – und dürften dort nicht stehen.
Meßer argumentiert mit dem Bebauungsplan 839 I von 1994, der nach wie vor gültig sei. Darin werde „ausdrücklich die Straße Breitenkamp als Grenze der städtischen Entwicklung im Dorf Serm gewählt“. In der Tat wird die Straße dort als nördliche Grenze des Bebauungsbereiches festgelegt, mit der Begründung, es „soll eine städtebaulich befriedigende Dorfabrundung zur freien Landschaft gefunden werden“. Der Beirats-Vorsitzende schlussfolgert: „Alle Grundstücke nördlich der Straße Breitenkamp zählen danach zur freien Landschaft.“
Die Stadt hingegen betrachtet die Fläche zwischen Breitenkamp und der Bundesstraße B 288 als Innenbereich. Als die Auseinandersetzung um die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus im Februar öffentlich wurde, führte Stadtsprecherin Anja Kopka aus, es handele sich bei der Fläche – ein Landschaftsschutzgebiet – um einen „im Zusammenhang bebauten Ortsteil“. Also: Innenbereich, Baugenehmigung rechtmäßig erteilt.
Aktuell sagt Stadtsprecher Malte Werning: „Der Bebauungsplan 839 I gilt nicht für den Bereich, der im Zusammenhang mit dem Einfamilienhaus und der Wagenhalle gemeint ist.“ Die Bauten seien entsprechend der Bauordnung NRW genehmigt worden, „wonach eine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen“. Es handele sich um einen „unbeplanten Innenbereich“. Und „auf Vorhaben im Innenbereich findet die Eingriffsregelung des Bundesnaturschutzgesetzes keine Anwendung“.
Außenbereich, Baugenehmigung illegal: Das hingegen ist die Position von Johannes Meßer. Er fordert, die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus zurückzunehmen und „die Flächen in den vorherigen Zustand zurückzuversetzen“. Tatsächlich können Baugenehmigungen vor Gericht kassiert werden, wenn sie illegal waren. In solchen Fällen besteht gegebenenfalls Schadensersatzanspruch gegenüber der Behörde, die die Genehmigung erteilt hat.
Baugenehmigung im Landschaftsschutzgebiet: erlaubt oder nicht?
Uneins sind sich Stadt und UNB-Beirats-Vorsitzender auch in der Frage, was die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet für die Bauten Privathaus und Wagenbauhalle bedeutet. In diesem Zusammenhang ist ein Beschluss aufschlussreich, den Meßer anführt und den die Bezirksvertretung Süd 2019 fasste (damals noch für ein anderes mögliches Baugrundstück für die Wagenbauhalle): Sie beauftragte die Duisburger Verwaltung einstimmig, den geplanten Bauplatz aus dem Landschaftsschutzgebiet herauszunehmen.
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„Dem ist nie gefolgt worden, aber die Politik hatte damals den richtigen Weg für alle öffentlich erkennbar aufgezeigt“, sagt Meßer. Laut Stadt aber verbietet der Status als Landschaftsschutzgebiet eine Bebauung nicht grundsätzlich: „Es bleibt immer im Einzelfall zu prüfen, ob eine Baugenehmigung erteilt werden kann“, sagt Stadtsprecherin Anja Kopka.
Baugenehmigungen im Duisburger Landschaftsschutzgebiet: Rücknahme gefordert
Meßer fordert in seinem offenen Brief, die Baugenehmigung für das Privathaus am Breitenkamp zurückzunehmen. „Sollte dies nicht in den nächsten drei Monaten passieren, behalte ich mir weitere Schritte vor.“
Einer Rücknahme der Baugenehmigungen erteilt die Stadt Duisburg eine Absage. „Wir haben den Sachverhalt erneut geprüft“, sagt Stadtsprecher Werning. „Da keine bauordnungsrechtlichen Verstöße festgestellt wurden, ergreifen wir auch keine Maßnahmen. Eine Rücknahme der Baugenehmigungen ist nicht möglich, da sie rechtmäßig erteilte wurde.“
Die Politik allerdings wird der Streit um die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigungen erneut beschäftigen: Ein Antrag der Grünen für die Ratssitzung am 15. April verlangt von der Verwaltung einen „umfassenden Bericht“ – und die Rücknahme der Genehmigungen für sowohl Privathaus als auch Wagenbauhalle.
Sollte die nicht folgen, zieht der Beirat der Unteren Naturschutzbehörde in Betracht, den Vorgang der Höheren Naturschutzbehörde zu melden. Die ist, im Gegensatz zur Unteren Naturschutzbehörde, die der Stadt unterstellt ist, bei deren Aufsichtsbehörde angesiedelt: der Bezirksregierung Düsseldorf – eine Stufe unter NRWs Oberster Naturschutzbehörde, dem Landesumweltministerium.
Die Wagenhalle steht ohnehin seit Jahren, und „dass ein Haus, das gerade gebaut wird, wieder abgerissen werden muss, ist unwahrscheinlich“, weiß auch Meßer. Das Ziel einer Meldung an Duisburgs Aufsichtsbehörde wäre ein anderes: „Dass es nicht jedes Jahr rund um Serm so weitergeht.“ Und: Die Landschaftsschutzgebiete zu stärken; stadtweit. Denn die, so Meßers Einschätzung, „werden nicht ernst genommen von der Verwaltung.“
>> UNTERE NATURSCHUTZBEHÖRDE: WELCHE BEDEUTUNG HAT DER BEIRAT?
Das Landesnaturschutzgesetz NRW schreibt die Einrichtung von Beiräten bei den Unteren Naturschutzbehörden vor. Ihre Aufgabe: Sie „sollen bei Schutz, Pflege und Entwicklung der Landschaft mitwirken und . . . bei Fehlentwicklungen in der Landschaft entgegenwirken.“
Der Beirat muss angehört und beteiligt werden, wenn Projekte mit Eingriffen in Natur und Landschaft einhergehen. Seine Beschlüsse sind für die weitere politische Entscheidungsfindung allerdings nicht bindend. Diese treffen die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Duisburg sowie, in kommunalpolitisch letzter Instanz, der Rat.