Duisburg. Seit 1. Januar dringt Wasser in 17 Reihenhäuser in Duisburg ein. Bei den Bewohnern liegen die Nerven blank. Sie fühlen sich alleingelassen.

Die Anwohner an der Möhlenkampstraße in Beeck sind verzweifelt: Seit 1. Januar kämpfen sie gegen ein massives Wasserproblem in ihren Kellern – Ausgang ungewiss. Die Situation kostet sie Geld, Schlaf, Nerven. Letztlich können sie ihren Alltag nicht mehr so leben, wie sie es vor dem Wassereinfall getan haben.

Sie haben sich Hilfe suchend an verschiedene Stellen gewandt: Stadt, Oberbürgermeister, Bezirksbürgermeister, Bundestagsabgeordneter, Wirtschaftsbetriebe, Emschergenossenschaft. Ohne bisher wirklich Unterstützung bekommen zu haben, sagen die Betroffenen.

Seit 1. Januar stehen in Duisburg-Beeck 17 Reihenhäuser unter Wasser

In dem Beecker Wohnviertel stehen die Keller von 17 Reihenhäusern unter Wasser. In einem wohnen Jutta und Andreas Hille. Wenn sie in ihren Keller wollen, müssen sie auf der letzten Stufe der Treppe Gummistiefel anziehen: Das Wasser steht zentimeterhoch.

Zwei Räume sind besonders betroffen: Der Sportraum der 54-Jährigen und die Heimwerkstatt ihres Mannes: „Der ist jetzt ein Schwimmbad“, witzelt Jutta Hille. Galgenhumor, denn zum Lachen ist an der Möhlenkampstraße niemand mehr.

„Anfangs haben wir gedacht, dass das Ganze nur ein paar Tage dauert und versucht, das Wasser mit Kehrblech und Eimer herauszuschaffen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass das keinen Sinn macht“, erzählen die Hilles.

Die ersten Nächte haben sie deshalb auf dem Sofa geschlafen und sind alle zwei Stunden runter in den Keller. Als klar war, dass nur Pumpen helfen können, waren keine zu bekommen: „Wir haben unsere in Gelsenkirchen gekauft. Ein Nachbar war bis nach Monheim.“

Vier Pumpen haben die Hilles jetzt in Betrieb, die nach einem festen Plan laufen. „Wenn die nachts anspringen, werden wir in der ersten Etage wach“, berichten sie. So laut seien die Helfer, ohne die nichts mehr geht. Rund 300 Liter pro Stunde schaffen die aus ihrem Haus – und es ist einfach kein Ende in Sicht. Es kommt immer neues Wasser nach.

Das Problem zermürbt die Nachbarschaft und macht einen normalen Alltag unmöglich

Diese Dauerüberflutung bringt neben der psychischen Belastung viele Probleme mit sich. „Wir können in unserem Haus zum Beispiel keine Wäsche mehr trocknen. Also wasche ich sie hier und bringe sie zu meinen Schwiegereltern“, erzählt Jutta Hille. Die wohnen im Nachbarhaus und „haben interessanterweise nicht eine feuchte Fuge im Haus.“

Gemeinsam einkaufen gehen? „Haben wir seit 1. Januar nicht mehr gemacht.“ Den lang ersehnten Kapverden-Urlaub hat das Paar storniert: „Wir können das Haus doch so nicht allein lassen.“

Was die ganze Nachbarschaft aber besonders zermürbt: Sie wissen nicht, welche Ursache das Problem hat. Wann das Wasser endlich wieder aus ihren Häusern verschwindet. Ob sie es dann wirklich renovieren sollen oder ob so eine Geschichte bald schon wieder passiert. Und sie haben Angst, was das viele Wasser auf Dauer mit ihren Häusern macht.

Nachbar Dieter Langer berichtet, dass seine Frau schon geträumt hat, dass das Haus über ihnen zusammenbricht. Er selbst schlafe nicht bei offenem Schlafzimmerfenster: „Ich kann den Regen nicht mehr hören. Die Nerven liegen einfach blank.“ Und das Geld rinnt den Langers durch die Finger: „Ich habe in diesem Jahr wegen der Pumpen schon 600 Euro höhere Stromkosten.“

Natürlich haben alle schon mit ihren Versicherungen Kontakt aufgenommen. „Da ist keine Unterstützung zu erwarten“, sagen die Nachbarn unisono.

Betroffene fühlen sich von den Behörden alleingelassen

Inge Eickmanns treibt der Wertverlust um, den das Geschehen sicher mit sich bringen werde. „Das müssen wir doch sagen, wenn wir unser Haus mal verkaufen wollen.“ Bülent Kök und seine Frau haben ihren Keller erst vor vier Jahren aufwendig renoviert. „Jetzt ist alles voller Schimmel und ich mache mir Sorgen, dass das Wasser im Haus hochzieht und sich der Estrich auflöst.“

Er probiert, dem Wasser mit einem Trockennasssauger zu begegnen. Den müsse er alle sechs Stunden anwerfen. „Insgesamt bin ich jeden Tag zwei bis drei Stunden mit dem Absaugen beschäftigt. Zum Glück kann ich Homeoffice machen.“

Andreas Hille in seinem Keller. Den kann der 53-Jährige seit Wochen nur noch in Gummistiefeln betreten.
Andreas Hille in seinem Keller. Den kann der 53-Jährige seit Wochen nur noch in Gummistiefeln betreten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Nachbarschaft fühlt sich von den Behörden alleingelassen: „Überall, wo ich mich gemeldet habe, wird mir suggeriert, es liege am Klimawandel“, erzählt Inge Eickmanns. Oder die Angesprochenen versprechen, das Anliegen weiterzuleiten: „Und dann hören wir nichts mehr.“

So richtig geärgert haben sie sich über die Aussage einer Behörde: „Das ist Pfusch am Bau, damit müssen sie leben.“ Die Häuser wurden 1959 gebaut und es gibt Nachbarn, die haben vom ersten Tag an hier gewohnt und sagen: „So was hatten wir noch nie.“

Über die Ursache können die Nachbarn nur spekulieren

Über die Ursache wird im Viertel viel spekuliert. Hat die Emschergenossenschaft die Pumpen zwischendurch abgestellt? Ist es das Grundwasser? Hat es was mit dem nahen Rhein zu tun? Man weiß es einfach nicht.

Mitte März haben dann zwei Vertreter der Emschergenossenschaft an der Möhlenkampstraße vorbeigeschaut: „Aber auch sie wissen nicht, wer für uns zuständig ist. Sollte die Zuständigkeit mal irgendwann geklärt sein, wären sie bereit, die Stadt Duisburg oder wer auch immer zuständig ist, zu unterstützen“, fasst Jutta Hille das Ergebnis des Besuchs zusammen.

Die Stadt Duisburg teilt auf Anfrage unserer Redaktion mit: „Aufgrund verschiedener Hinweise von Anwohnern, auch über das Bürgerbüro des Oberbürgermeisters, wurden zunächst die Wirtschaftsbetriebe Duisburg angefragt. Ein Zusammenhang zwischen den nassen Kellern der Bewohner und der öffentlichen Abwasserentsorgung, für die die WBD zuständig sind, konnte allerdings nicht festgestellt werden.“

„Um die Bürgerinnen und Bürgern bei dem komplexen Thema Wasser und Gebäude dennoch zu unterstützen, bieten die WBD über die Regenagentur Beratung an. So wurde einer Petentin kurzfristig ein Termin mit der Regenagentur vermittelt. Der Beratungsschwerpunkt liegt dabei allerdings auf dem Thema Starkregen“, erklärt Stadtsprecherin Gabi Priem.

Da nicht auszuschließen sei, dass eindringendes Grundwasser die Ursache sei, habe sich auch die Untere Wasserbehörde der Stadt mit einer Lösung befasst. „Die Gründe für den Grundwasseranstieg können allerdings sehr komplex sein. Einerseits traten in den Wintermonaten aufgrund des langanhaltenden Dauerregens außergewöhnlich hohe Niederschlagsmengen auf, welche zu neuen Höchstwerten der Grundwasserstände führten. Andererseits gibt es eine Reihe weiterer nun zu evaluierenden Einflussfaktoren, die sich auf den gestiegenen Grundwasserstand im Bereich der Möhlenkampstraße auswirken könnten.“

Es sieht also nicht so aus, dass die Anwohner auf schnelle Hilfe hoffen können. „Die Behörden schieben das Problem so lange hin und her, bis das Wasser weg ist und hoffen, dass wir die Füße stillhalten. Ich glaube, wir haben das Problem bestimmt noch bis Mitte Mai“, sagt Andreas Hille. Seine Frau sagt: „Früher kannten wir uns hier alle nur vom Grüßen. Aber so was schweißt die Nachbarschaft zusammen. Wir sind alle Wasserzombis.“ Da blitzt er wieder durch, der Galgenhumor.

>> Emschergenossenschaft vermutet Grundwasser als Ursache

  • „Wenn nur die Keller unter Wasser stehen, ist es ganz klar ein Grundwasserproblem. Zumindest spricht es sehr dafür“, ordnet Ilias Abawi, Sprecher der Emschergenossenschaft, ein.
  • „Wir hatten seit 2018 nur trockene Jahre“, erklärt er. 2023 sei diese Serie gerissen: „Es war das nasseste Jahr in unserer Region seit 1931, dem Beginn unserer Aufzeichnungen.“ In diesem Jahr gehe es weiter so: „Im Januar und Februar hatten wir nur vier Tage ohne Regen.“
  • Der Grundwasserkörper, den man sich wie einen unterirdischen See vorstellen müsse, sei voll, ebenso der Boden. Dazu kommt das Hochwasser des Rheins, das ein Abfließen des Wassers verhindere: „Da drückt Wasser gegen Wasser.“
  • Eine mögliche Lösung für die Hausbesitzer sei eine Grundwasserregulierung. „Das muss aber gut geprüft werden, denn so ein Vorgehen kann Folgeschäden haben.“ Außerdem gebe es verschiedene Methoden. „Wir sind nicht für das Grundwasser zuständig. Aber wenn die Stadt uns mit der Grundwasserregulierung beauftragt, können wir das übernehmen.“
  • Dass die Emschergenossenschaft Pumpen abgestellt habe, schließt Abawi aus: „Unsere Pumpen sorgen dafür, dass die Stadtteile im Norden trotz der massiven Absenkungen durch den Bergbau trocken bleiben. Würden wir sie abstellen, stünden die Straßen unter Wasser. Die Keller wären als letzte dran.“