Duisburg. Andrea Schreiber von den St. Sebastianus-Schützen bekleidet als erste Frau im Süden ein wichtiges Amt. Sie sagt: „Es ist noch Luft nach oben.“

Die Frauen sind einfach nicht mehr aufzuhalten. Auch nicht mehr in den traditionell geprägten und früher männerdominierten und mit der katholischen Kirche eng verbundenen historischen Schützenvereinen.

Auch interessant

Und schon gar nicht in der Sebastianus-Schützenbruderschaft Mündelheim-Ehingen in Duisburg. Alte Quellen und eine Brustplatte auf dem Königssilber weisen das Jahr 1712 als Gründungsjahr aus, damit gehören die Schützen zu den ältesten Vereinen in Duisburg.

Nach über drei Jahrhunderten: die erste Brudermeisterin im Duisburger Süden

Nach 312 Jahren steht nun mit Andrea Schreiber zum ersten Mal eine Frau als Brudermeisterin an der Spitze der Mündelheimer Sebastianer. Sie löst den bisherigen Brudermeister Michael Weicht ab, der aus familiären Gründen sein Amt zur Verfügung stellte.

Auch wenn Frauen diese Position mittlerweile in den Vereinen, die im Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften organisiert sind, immer häufiger bekleiden, ist in der Hinsicht „noch viel Luft nach oben“. Im Duisburger Süden ist das Ganze jedenfalls Neuland, von Buchholz über Rahm bis hin nach Serm füllen nach wie vor immer noch Männer dieses Vorstandsamt aus.

Frauen an die Macht: Schützinnen sorgten selbst für den Umbruch

Restriktionen gab es auch, wenn es um die Ermittlung des Schützenkönigs ging. „Früher durften Frauen nicht auf den Vogel schießen, jedenfalls nicht auf den Rumpf“, erläutert die 51-jährige Mündelheimerin. Das hat sich mittlerweile geändert: „Noch nicht bei allen Bruderschaften, aber die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.“

Dass die Mündelheimer Schützenfrauen in Sachen Königsschießen bereits früh die Initiative ergriffen, ist auch Andrea Schreiber und ihren Schützen-Kameradinnen zu verdanken. Im Jahr 2011, als es keinen männlichen Bewerber gab, der König werden wollte, fassten sich die Mädel der Artemis-Kompanie mutig ein Herz und schlugen dem damaligen Brudermeister Heiner Lambertz vor: „Wir wollen auf den Vogel schießen, dann aber auch ganz offiziell den König stellen.“

Eine Frau als Schützenkönigin? Es gab „die eine oder andere Diskussion“

Um den Hofstaat brauche man sich auch keine Gedanken machen, die Königin sollte von sieben Hofdamen aus der Artemis-Kompanie begleitet werden. Der Vorschlag fand im Verein Zustimmung, „auch wenn es die eine oder andere Diskussion gab“. Somit war der Weg frei für die erste Schützenkönigin. Manuela Janßen schoss damals den Vogel ab. Auch im Folgejahr dokumentierten die Schützenfrauen ihre Treffsicherheit und stellten mit Katharina Brück abermals die Schützenkönigin.

Andrea Schreiber mit Schülerprinzessin Thea Bergmann (l.), Jungschützenprinzessin im Sommer 2023 – damals schoss sich Schreiber gerade frisch zur Schützenkönigin.
Andrea Schreiber mit Schülerprinzessin Thea Bergmann (l.), Jungschützenprinzessin im Sommer 2023 – damals schoss sich Schreiber gerade frisch zur Schützenkönigin. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Bis zum vergangenen Jahr hatten dann wieder die Männer das bessere Zielwasser getrunken. 2023 wurde dann ausgerechnet mit Andrea Schreiber auch wieder eine Frau beim Schützenfest im September gekrönt. Aktuell haben die Mündelheimer St. Sebastianus-Schützen mit Schützenkönigin und Brudermeisterin Andrea Schreiber praktisch eine „Doppelspitze in einer Person“.

Duisburger Brudermeisterin zum Brauchtum: „Ich wurde da praktisch reingeboren“

Andrea Schreiber, verheiratet und bei der Deutschen Rentenversicherung beschäftigt, ist mit dem Brauchtum aufgewachsen: „Großeltern und Eltern waren schon bei den Schützen aktiv, ich wurde da praktisch reingeboren.“

Auch interessant

Mit 16 wurde sie Vereinsmitglied, engagierte sich einige Jahre später in verschiedenen Positionen für die Mündelheimer Schützen. Schreiber ist Gründungsmitglied und Führerin der Artemis-Kompanie, war Schriftführerin, Schießmeisterin und sechs Jahre lang Geschäftsführerin – und jetzt eben erste Brudermeisterin.

„Die Gemeinschaft ist für mich sehr wichtig“

Warum sie sich in dem Maße engagiert? „Ich bin eben so gestrickt, Organisation fällt mir nicht schwer, ich empfinde das nicht als Belastung. Jeder Verein braucht Menschen, die sich engagieren.“ Das Vereinsleben gibt ihr viel: „Die Gemeinschaft ist für mich sehr wichtig, wir sind Teil des Dorflebens, das macht schon viel Freude und erfüllt einen.“

Und als Schützenkönigin geehrt zu werden, war für sie ein ganz besonderes Erlebnis: „Wenn man bei der Krönung im Festzelt umjubelt, beim Festumzug durch das Dorf gefeiert wird und die Parade auf der Ehrentribüne abnehmen darf, das ist schon etwas, was man nie vergisst.“

Auf der Ehrentribüne wird Andrea Schreiber in den nächsten Jahren immer stehen. Das muss sie schon Kraft ihres Amtes als erste Brudermeisterin.

>> DAS IST DIE ST. SEBASTIANUS-SCHÜTZENBRUDERSCHAFT MÜNDELHEIM

  • Die St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Mündelheim-Ehingen besteht aus elf Kompanien und hat über 200 Mitglieder. Gefeiert wird zweimal im Jahr.
  • Jeweils zu Pfingsten werden auf der Schießanlage am Ehinger Berg die neuen Majestäten ermittelt. In diesem Jahr am 19. und 20. Mai.
  • Das traditionelle Schützenfest mit der Inthronisierung findet jeweils am dritten Septemberwochenende statt.