Duisburg. Alia (19) wird kurz vor einem Termin beim Scheidungsanwalt von ihrem Mann tödlich verletzt. Ihre Mutter schildert vor Gericht ein tristes Leben.
Am Ende bleibt es rätselhaft, was Alia A. an ihren Ehemann Skender und die beiden aneinander band. Am Freitag im zweiten Verhandlungstag in dem Mordfall am Landgericht erzählt die Mutter der Getöteten von einem tristen und trostlosen Leben. Patricia S. (35), Nebenklägerin in dem Verfahren und insgesamt fünffache Mutter, spricht auch über die offenbar toxische Beziehung, die ihre Tochter und ihr Schwiegersohn geführt haben. Im Herbst 2022 war Alia A. wieder zur Mutter geflüchtet. Sie habe endgültig entschieden, sagt S., sich von ihrem Mann zu trennen. Es ist möglicherweise ihr Todesurteil. Am zweiten Oktober hätte ihre Tochter einen Anwaltstermin gehabt, um die Scheidung einzureichen. Am Morgen dieses Tages stirbt sie im Alter von 19 Jahren im Krankenhaus an den tödlichen Verletzungen, die ihr der eigene Ehemann zugefügt hat: Am Mittag des Vortags soll sich das Paar erst auf offener Straße im Stadtteil Vierlinden gestritten haben. Dann stieg A. in seinen Mercedes C220 und fuhr seine Frau und seinen Sohn Leandro im Kinderwagen um. Skender A. stieg aus und prügelte und trat auf Alia ein. Sie hatte wohl keine Chance.
Sie sei durch ihren Ex-Ehemann – „ein grausamer Mensch“ – jahrelang selbst täglich Opfer häuslicher Gewalt geworden, erzählt Patricia S., die inzwischen neu verheiratet ist. Auch Alia habe es getroffen, als die noch zu Hause gelebt habe. Von ihrem Vater sei sie einmal gewürgt worden, weil sie sich geschminkt habe. Sie habe zwangsverheiratet werden sollen, was sie noch verhindern konnte. Der Vater habe Alia beleidigt und auch geschlagen. Sie habe sich schließlich in die Wohnung ihres neuen Freundes Skender A. in Düsseldorf geflüchtet. Und kam wohl vom Regen in die Traufe: „Es lief auf und ab, mal war es gut, mal mit Gewalt.“ Während S. aussagt, schluchzt eine jüngere Schwester von Alia im Zuschauerraum und ringt mit den Tränen.
Blaues Auge und „Flecken“ am Körper der Tochter
Aus ihrer Abneigung gegen den Schwiegersohn macht S. keinen Hehl: „Ich wollte mit Skender nichts zu tun, weil er meine Tochter verprügelt.“ Alia sei einmal mit einem blauen Auge zu ihr gekommen. Auch habe sie immer wieder „Flecken“ am Körper ihrer Tochter bemerkt: „Es ging immer um ihren besten Freund“, sagt die Mutter. Skender A. sei eifersüchtig gewesen und deshalb ausgerastet. Der inzwischen 26-Jährige soll auch mit Selbstmord gedroht haben, wenn sich Alia von ihm trenne. Er habe angedroht, sich durch den massiven Konsum von Kosmetika zu töten oder sich zu strangulieren. Einmal habe er sich auf Bahngleise gelegt, ein anderes Mal habe er angedeutet, vom Balkon zu springen, als das Paar bei der Mutter in Duisburg zu Besuch war. Die Polizei rückte an. Sie stand auch schon bei dem Paar in der Düsseldorfer Wohnung, als Skender A. Alia am Verlassen des Hauses hindern wollte.
Alia A. sei schließlich ein erstes Mal schwanger geworden, habe das Kind aber auf Druck ihres Mannes abtreiben lassen: „Es hat ihr weh getan, dass sie das gemacht hat. Sie wollte das nicht.“ Als sie dann mit Leandro ein zweites Mal schwanger geworden sei, habe sie das Kind unbedingt behalten wollen. Die Beziehung rettet das nicht. „Er war zu mir immer freundlich und nett, aber zu meiner Tochter sch......“ Der inzwischen zweijährige Leandro wird inzwischen von einem Vormund betreut. Er war bei der Attacke lebensgefährlich verletzt und lange im Krankenhaus behandelt worden.
Von der Hochzeit erfährt die Mutter nur durch Zufall
Der Kontakt zwischen Mutter und Tochter wird während der Beziehung zu Skender A. immer loser. S. sagt, sie habe selbst zu der Zeit mit „privaten Problemen“ zu kämpfen gehabt. Außerdem habe Alia gewusst, dass sie die Beziehung nicht gutheiße. Zehn, vielleicht 15 Mal sei sie ihrem Schwiegersohn überhaupt nur begegnet. Wann genau die beiden zusammen gekommen sind? Das kann die Mutter nicht sagen. Selbst von der Hochzeit des Paares habe sie erst im Nachgang erfahren: Eine Verwandte habe entdeckt, dass Alia ihren Status bei WhatsApp geändert habe. Viel weiß die Mutter nur vom Hörensagen, an einiges kann sie sich nicht mehr erinnern.
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Die 35-Jährige betont noch, sie habe ihre Tochter vor Skender A. gewarnt: „Ich weiß: Menschen ändern sich nicht. Ich habe das selbst durchgemacht. Heirate den nicht. Es wird nur noch schlimmer.“ Während S. aussagt, wirkt Skender A. komplett teilnahmslos. Sein Kopf ist nach unten gesenkt oder ein leerer Blick geht starr in den Raum. Die Mutter der Getöteten schaut er nicht an. Seine Verteidiger hatten am ersten Prozesstag angekündigt, dass er sich noch zu den Vorwürfen äußern werde. Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Es geht um den Vorwurf des vollendeten und versuchten Mordes.