Duisburg. Salafismus, Milli Görüş, Die Rechte, Pegida: Duisburg wird im Verfassungsschutzbericht NRW mehrfach erwähnt. Wie Extremisten hier aktiv sind.
2023 verteilte in Duisburg eine Organisation Flyer, die in Deutschland die Einrichtung eines Kalifatstaates fordert. Kein Einzelfall von Islamismus und anderen Richtungen politischen Extremismus‘ in Duisburg: Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Landes NRW wird die Stadt gleich mehrfach erwähnt.
Das Ziel der Hizb ut-Tahrir: die Scharia in Deutschland
Als gesichert verfassungsfeindlich stuft der Verfassungsschutz die in Deutschland verbotene Hizb ut-Tahrir (HuT) ein. Entsprechend gibt es keine offizielle Vertretung, regionale Schwerpunkte der Islamischen Befreiungspartei sind laut Bericht unter anderem Duisburg, Essen und Dortmund. Verbreitet wird das HuT-Gedankengut laut Verfassungsschutz unter anderem durch „Realität Islam“ (RI).
Die Duisburger Aktivitäten aus 2023 dieser Gruppe sind noch nicht im Verfassungsschutzbericht 2022 enthalten. Im November tauchten Flugblätter auf, in denen vom „sogenannten Israel“ die Rede war. Ausgedrückt wurde deutliche Kritik am Krieg Israels gegen Palästina; der Auslöser, der Terrorangriff der Hamas, wurde nicht erwähnt.
Die Flyer passen zur Strategie von Realität Islam: Die Gruppe „thematisiere das Zeitgeschehen aus islamistischer Perspektive“, steht dazu im Verfassungsschutzbericht. Und weiter: RI sei „zutiefst durch islamistisches Gedankengut geprägt“.
Durch das Gedankengut der HuT. Deren Ziel: „Die Errichtung eines islamischen Staats unter Führung eines Kalifen. Dieser soll die Scharia als Grundlage und Maßstab staatlichen Handelns im Kalifat durchsetzen.“ Ein Fazit im Verfassungsschutzbericht NRW: „Islam und Demokratie sind für die HuT nicht miteinander vereinbar.“
Salafismus: gegen Demokratie und Homosexualität
Es sieht harmlos aus: Ein Straßenstand, daran ein Mann, der den Islam erklärt. Doch was wiederholt in Duisburg stattfindet, unter anderem mitten auf der Königstraße, ist extremistisch-salafistische Propaganda. „Da‘wa“, Einladung zum Islam, heißen die Aktivitäten, zum Beispiel unter dem Motto „Einladung zum Islam“ oder „Was ist Islam“.
In Duisburg unter anderem daran beteiligt: der laut Verfassungsschutz „szenebekannte Prediger“ Abu Rumaisa. In sozialen Netzwerken verbreitet der Prediger seine Ansichten, darunter auf dem YouTube-Kanal der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft (DMG) aus Braunschweig, über die der hessische Verfassungsschutzbericht 2022 feststellt, die DMG habe „eine große Bedeutung für die salafistische Szene in ganz Deutschland“.
Dort wird unter anderem aus einem Vortrag Abu Rumaisas zitiert: „Dann gibt es aber andere, die noch schlimmer sind und die einen falschen Islam predigen, der den Kuffar (Ungläubige, Anm. d. Red.) gefällt, indem sie sagen, Demokratie gehört zum Islam, Demokratie ist mit Islam vereinbar, schwul und lesbisch sein ist ok, solange man andere nicht stört, usw., nur damit sie dem Kafir gefallen, damit der Kafir sagt: ‚ihr seid tolle Muslime, ihr seid moderate Muslime!‘“
Abu Rumaisa hat einen Bezug zu Duisburg: Laut Polizei Duisburg wohnte der Salafist von 2018 an vorübergehend hier, nachdem er aus Eschweiler hergezogen war. 2022 reiste er in die Türkei aus.
Milli Görüş: In Duisburg sitzt die SD-Europazentrale
Milli Görüş ist seit zwei Jahren prominent in Duisburg vertreten: Seit 2022 ist hier die Europazentrale der Saadet Partisi (SD) angesiedelt, der „Partei der Glückseligkeit“ – unter ihrem Dach sind in der Türkei die Anhänger der Milli-Görüş-Bewegung organisiert.
Seit dem Umzug vom vorherigen Sitz in Köln ist die SD in Duisburg vermehrt aktiv. Der türkische Wahlkampf für die Wahlen 2023 machte sich hier unter anderem durch ein Europatreffen der Partei bemerkbar, das laut Verfassungsschutzbericht NRW „mehrere hundert Anhänger aus ganz Europa besuchten“.
Der Bericht konstatiert: „Die Einrichtung einer neuen Zentrale in Duisburg verdeutlicht, dass die Aufrechterhaltung der Exilstrukturen für sie (die SD, Anm. d. Red.) von Bedeutung ist.“
Die Rechte: „öffentlichkeitswirksamer“ Kreisverband in Duisburg
Als „ein Sammelbecken für Neonazis“ bezeichnet der Verfassungsschutzbericht NRW die Partei Die Rechte. Weil sie als gesichert verfassungsfeindlich eingestuft ist, wird sie nachrichtendienstlich beobachtet.
In Duisburg sitzt einer der neun Kreisverbände in NRW – und der einzige außer demjenigen in der Neonazihochburg Dortmund, bei dem der Bericht 2022 „öffentlichkeitswirksame Aktivitäten“ feststellte.
Pegida NRW verbreitete in Duisburg Corona-Verschwörungsmythen
Über Pegida NRW sind 2022 für Duisburg lediglich Kundgebungen am Duisburger Hauptbahnhof verzeichnet. Dort seien „Verschwörungsmythen in Zusammengang mit der Corona-Pandemie und nationalistische Ideologien verbreitet“ worden – allerdings nur vor einer „kleinen, zweistelligen Zahl an Teilnehmern“. Darüber hinaus vertrete Pegida fremden- und islamfeindliche Positionen.
>> VERFASSUNGSSCHUTZBERICHT NRW
Der Verfassungsschutzbericht NRW erscheint einmal im Jahr. Der bislang jüngste ist der Bericht befasst sich mit dem Jahr 2022.
Der Bericht informiert über Extremismus von links wie von rechts. Er fasst außerdem Fakten und Ereignisse aus folgenden Bereichen zusammen: Islamismus, Antisemitismus, Desinformation und Propaganda, Verschwörungsideologien.
Der Verfassungsschutzbericht ist auf der Seite des NRW-Innenministeriums online zu finden: https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/verfassungsschutzbericht_nrw_2022.pdf