Duisburg. Das Jugendamt Duisburg ist immer zur Stelle, wenn das Kindeswohl gefährdet ist. Auch nachts und an Wochenenden. Was die Rufbereitschaft erlebt.

Wenn Kinder nachts von der Polizei aufgegriffen werden, dann schellt bei Eileen Krolls oder Matthias Niersmann das Diensttelefon. Sie gehören zu den elf Mitarbeitern des Jugendamtes Duisburg, die Rufbereitschaften machen. Täglich ab 16 Uhr bis morgens um 8, an Wochenenden und Feiertagen rund um die Uhr ist jemand erreichbar. Um über 700 Minderjährige zwischen 0 und 18 kümmern sich die Mitarbeiter pro Jahr, die Männer um Jungs, die Frauen um Mädchen.

Die Einsätze ergeben sich häufig aus häuslicher Gewalt gepaart mit desaströsen Wohnverhältnissen, da sei oft schnell klar, dass ein Kind da nicht bleiben kann, erzählen Krolls und Niersmann. Damit so ein kleines Kind nicht mit der Polizei auf die Wache muss, wo womöglich noch ein Elternteil in einer Befragung sitzt, entscheiden die Jugendamts-Experten schnell, wo das Kind hin kann. Je nach Lage bringt die Polizei es dann an einen sicheren Ort oder die Rufbereitschaft fährt mit einem Taxi vor: „Die Mitarbeiter sollen Kopf und Hände freihaben“, begründet Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke den Fahrdienst.

Nachts allein im Zug: Rufbereitschaft des Jugendamtes kümmert sich um Minderjährige

Häufig kommen die Anrufe auch von der Bundespolizei, weil Kontrolleure der Deutschen Bahn die Minderjährigen im nächtlichen Zug fahrkartenlos aufgreifen. „Wenn die Polizei die Eltern nicht erreichen kann, werden wir angerufen“, sagt Eileen Krolls. Auch sie versucht dann zunächst, Kontakt zur Familie herzustellen, das kann auch die Oma oder der Onkel sein. Aber manche Teenager wollen gar nicht nach Hause und die nächtliche Fahrt mit der Rufbereitschaft könne ein erster Schritt zur Klärung der Situation sein.

Dank des guten Austauschs wissen die nächtlichen Helfer, wenn es in einer Familie kriselt und es da noch knallen könnte. Selbst seien sie aber noch nie angegriffen worden, betonen Krolls und Niersmann. „Wir werden eher als Unterstützer erlebt, wir deeskalieren“, betonen sie. Eltern seien oft froh, wenn man ihnen neue Wege aufzeigt, Lösungen anbietet. Zu Ende bringen sie ihre Fälle allerdings selten. „Wir intervenieren, stellen den Kinderschutz sicher und übergeben am nächsten Werktag um 8 Uhr.“

Eileen Krolls (re.) und Matthias Niersmann arbeiten im Jugendamt Duisburg in der Rufbereitschaft. Wenn die Polizei nachts oder am Wochenende mit Minderjährigen zu tun hat, werden sie zur Unterstützung gerufen.
Eileen Krolls (re.) und Matthias Niersmann arbeiten im Jugendamt Duisburg in der Rufbereitschaft. Wenn die Polizei nachts oder am Wochenende mit Minderjährigen zu tun hat, werden sie zur Unterstützung gerufen. © Funke | Annette Kalscheur

Eine Saison haben sie nicht, aber im Sommer sei deutlich mehr los als im Winter. „Wenn Jungs in den Ferien Langeweile haben, bauen sie eher Mist“, beobachtet Niersmann. Auch bei den Mädchen fällt dann mehr auf, was sie treiben, ergänzt Krolls. Aber auch der November ist nicht frei von Unsinn: Da musste Niersmann sich um 13 und 14 Jahre alte Jungs kümmern, die mit dem Auto über die A3 aus Herford angebrettert waren und dabei mehrere Unfälle produziert hatten. Die Nacht verbrachten sie in einer Jugendschutzstelle, bevor das Jugendamt der Heimatstadt wieder übernahm.

Inobhutnahmen in Duisburg: Gutes Netzwerk hilft

Obwohl Inobhutnahmen immer herausfordernd sind und stressig für die ganze Familie, sind die Experten der Rufbereitschaft noch nie an Grenzen gestoßen, sagen sie. Die Kooperation mit Polizei, Feuerwehr, Kinderschutzeinrichtungen und Trägern verlaufe gut und störungsfrei.

In anderen Städten und Kreisen, das ergab eine Umfrage des ARD-Magazins Report Mainz, ist die Not so groß, dass Jugendamtsmitarbeiter Kinder in Obhut nehmen, sie dann aber im nächtlichen Büro betreuen oder gar zu Hause. „Das ist bei uns noch nie passiert!“ sagt Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke erleichtert. Für kurzfristige Inobhutnahmen stehen in Duisburg zwei Bereitschaftspflegefamilien zur Verfügung, eine nimmt unter Sechsjährige auf, die andere unter Zwölfjährige.

Der Leiter des Jugendamtes in Duisburg, Hinrich Köpcke, ist froh, dass die Personaldecke durch viel Eigeninitiative nicht ganz so dünn ist wie andernorts.
Der Leiter des Jugendamtes in Duisburg, Hinrich Köpcke, ist froh, dass die Personaldecke durch viel Eigeninitiative nicht ganz so dünn ist wie andernorts. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Die Fachkräftesituation sei zwar auch in Duisburg angespannt, „aber wir machen viel Werbung, investieren in Qualifizierungen und Mentorenprogramme, bieten Supervision“, beschreibt Köpcke. Besonders stolz ist er auf seine fünf Fachberater, die bei Inobhutnahmen die Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes unterstützen. Sie kennen die stationären Einrichtungen, die regionalen und überregionalen Heime und können bei der Vermittlung helfen.

Um Mitarbeiter nach Duisburg zu locken, wird eine außertarifliche Fachkraftzulage von 250 Euro gewährt. Trotzdem gab es zuletzt Engpässe, vor allem in Homberg. Hier habe es eine hohe Fluktuation gegeben durch Verrentungen einerseits und Schwangerschaften andererseits. Inzwischen sei der Bezirk aber stabilisiert. „Das war tatsächlich eng, wir haben es aber aufgefangen“, sagt Köpcke und versichert: „Jeder Meldung zur Kindeswohlgefährdung wird nachgegangen.“

Kindeswohlgefährdung in Duisburg: Dringender Handlungsbedarf bei 219 Kindern

2023 waren das 945 Gefährdungseinschätzungen. 219 Fälle wurden tatsächlich als Kindeswohlgefährdung bewertet, 109 Kinder galten als latent gefährdet. In 344 Fällen haben die Familien Hilfen zur Erziehung bekommen. 267 Meldungen ergaben keine Kindeswohlgefährdung.

Im vergangenen Jahr hat das Jugendamt außerdem 491 Minderjährige in Obhut genommen, 150 davon waren sogenannte „UMA‘s“, unbegleitete minderjährige Ausländer. Die Zahlen ähneln denen des Vorjahres, da waren es 494 Inobhutnahmen. In der Außenstelle in Walsum hat sich eine Arbeitsgruppe darauf spezialisiert, zu prüfen, wie alt die Geflüchteten sind, wie ihr psychischer Zustand ist, ob sie therapeutische Hilfe benötigen, ob Verwandte die Vormundschaft oder Pflegschaft übernehmen können und sie stoßen Gerichtsentscheide an, zählt Köpcke auf.

Aktuell gebe es 350 laufende Fälle, so Matthias Niersmann. Darunter sind auch ukrainische Geflüchtete. Für sie gebe es in Duisburg ein gutes Netzwerk, viele würden von Verwandten aufgenommen, „die Arbeitsprozesse dahinter sind trotzdem enorm aufwändig“.

>>Neue PIA-Ausbildung in stationären Einrichtungen

  • Stolz ist Hinrich Köpcke, dass durch einen Anstoß aus Duisburg nun Ausbildungen in stationären Einrichtungen möglich werden. Die Praxisintegrierten Ausbildungsgänge (PIA) kennt man schon aus Kitas und dem Ogata-Bereich.
  • In Duisburg gebe es für die stationäre Unterbringung von Minderjährigen ein Dutzend Träger. Sie erhalten zukünftig eine anteilige Förderung durch die Kommune zu den Kosten der Ausbildung.
  • Die Vorlage dazu soll im März durch die Gremien. Die Stadt wünscht sich hier allerdings, dass sich analog der PIA Förderung Kita das Land auch an dieser Stelle stärker engagiert, betont der Jugendamtsleiter.