Duisburg-Homberg. Dass Venator in Duisburg Hunderte Stellen abbauen will, kommt für Mitarbeiter und Betriebsrat überraschend. Doch sie wollen nicht aufgeben.
Dass es keine guten Nachrichten geben wird, wenn der Chemiekonzern Venator zur Belegschaftsversammlung in Duisburg-Homberg einlädt, war Jörg Nadler klar. „Trotzdem ist der Einschlag viel härter als gedacht“, sagt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende.
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Über die Hälfte der Duisburger Belegschaft muss anscheinend bis zum Ende des zweiten Quartals gehen. Ein ganzer Werksteil der Titandioxid-Produktion wird geschlossen. Nadler ist pessimistisch, überhaupt noch Stellen retten zu können: „Unser Ziel ist jetzt, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen gibt.“
Stellenabbau in Duisburg – Mitarbeiter: „Scheiße ist das“
Mehrere hundert Mitarbeiter kamen am Donnerstagvormittag zur Versammlung in eine Halle an der Bruchstraße. Als die Seitentür gegen 11.45 Uhr aufging, strömten viele Beschäftigte heraus, ohne einen Ton zu sagen.
Sie stellten sich mit Kollegen in kleinen Kreisen zusammen, schauten auf den Boden oder die Industrieanlagen. Viele verschwanden in Autos oder gingen direkt wieder ans Werk. Eine halbe Stunde später war die Bruchstraße wie leergefegt. Nur die Tür zur Halle stand noch offen.
Auf einem der Klappstühle in der Halle hat Johann Kartaschow versucht, die Schocknachricht zu verdauen. Er arbeitet seit 2010 im Homberger Chemiewerk, und viele Worte fallen ihm nicht dazu ein, dass auch er vielleicht bald gehen muss. „Scheiße ist das.“
Mitarbeiter hoffen auf Einzelgespräche und guten Übergang
Er habe gewusst, dass es um den Duisburger Standort nicht gut steht und jederzeit Stellen abgebaut werden könnten. „Aber dass es so schnell geht und so viele Kollegen betrifft, hätte ich nicht gedacht.“ Richtig verstehen könne er die Maßnahme nicht, da der Konzern am Donnerstag keine genauen Zahlen genannt habe: „Er hat es auf Corona und den Ukraine-Krieg geschoben.“
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Kartaschow kann nur darüber spekulieren, wie es für ihn weitergeht. „Ich hoffe, dass der Stellenabbau für alle gut läuft.“ Sicher sei nur: „Morgen muss ich wieder ans Werk, denn die Arbeit muss getan werden.“
Ein Kollege, der anonym bleiben möchte, steckt Hoffnungen in Einzelgespräche, die der Konzern angekündigt habe. Die Chancen stünden gut, dass er bleiben kann, weil er nicht in der Titandioxid-Produktion arbeitet, sondern als Konstrukteur. „Aber möglich ist alles.“
Betriebsrat kritisiert Konzern: „Zu wenig investiert“
Der Betriebsrat macht den Konzern dafür verantwortlich, dass es beim Duisburger Standort nicht gut läuft: „Der hat die Spezialitäten nicht verstanden und zu wenig investiert“, sagt Betriebsratsvorsitzender Uwe Sova. Der chinesische Markt habe die Produktion erhöht. Deswegen seien die deutschen Venator-Standorte nicht mehr konkurrenzfähig.
Um das zu ändern, brauche es auch einen Wechsel bei der Konzernführung, findet Sova: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Standort unter dem Management entgegen der vergangenen zehn Jahren erfolgreich wird.“ Und er appelliert: „Solange es Boni in Millionenhöhe für den CEO gibt, muss es genug Geld dafür geben, dass der Übergang für Mitarbeiter sozialverträglich wird.“
>> IHK Niederrhein zu Venator-Plänen: „Sind sehr bitter“
- „Die Pläne von Venator sind sehr bitter“, sagt Stefan Dietzfelbinger, Hauptgeschäftsführer der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer (IHK). Der Verlust von Arbeitsplätzen treffe die Beschäftigten und deren Familien hart und zeige, „unter welchem Druck die Industrie bei uns an Rhein und Ruhr steht“.
- Er fordert die Bundesregierung auf, die Wirtschaft besser zu unterstützen. Außerdem verlangt er ein „energisches Vorgehen“ von der Stadt, um den Wirtschaftsstandort Duisburg zu stärken.
- Duisburgs Wirtschaftsdezernent Michael Rüscher bezeichnet den angekündigten Stellenabbau als „Hiobsbotschaft“. Er sagt: „Mit unseren Partnern stehen wir bereit, die betroffenen Beschäftigten zu unterstützen.“
- Die energieintensive Industrie in Deutschland stehe vor großen Herausforderungen, vor allem wegen der steigenden Strompreise, meint Rüscher. „Leider trifft diese Entwicklung nun auch Duisburg.“