Duisburg. Der Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung und fehlende Landesgesetze zwingen Duisburg zum Handeln. Was sich für Hunderte Eltern bald ändert.

Der Offene Ganztag an den Grundschulen muss massiv ausgebaut werden. Der Rechtsanspruch auf die Betreuung der Schülerinnen und Schüler erfordert an zehn Duisburger Grundschulen außerdem grundlegene Veränderungen.

Und: Schon jetzt schwimmen den Trägern die Kosten davon: Aufgrund der Tariferhöhungen sind die Kosten für das Personal um 12 Prozent gestiegen.

Dr. Marcel Fischell, Geschäftsführer des Evangelischen Bildungswerks und Träger der Ogata an 18 Standorten, macht es deutlich: „Ohne Finanzierungszusagen können wir keine Rechtssicherheit garantieren.“ Die Einrichtungen seien durch die nicht refinanzierten Personalkosten fünfstellig defizitär. Die bisherige Auskunft der Stadt, „das schon irgendwie auszugleichen“, sei für ihn keine Planungsgröße. „Bei uns allen greift eine betriebswirtschaftliche Logik, einen defizitären Standort kann man nicht ausbauen“.

Er spricht für elf Träger, die sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen haben. Allein für einen seiner Standorte seien die Kosten um 70.000 Euro angestiegen. Der dynamisierte Zuschuss des Landes decke nur ein Drittel ab.

Fischell betont, dass alle Träger willens seien, den OGS-Ausbau zu stemmen, „alle Kinder sollen eine Chance haben, den Weg dahin gehen wir“. Ihn ärgert, dass es die Träger vor Ort ausbaden müssen, wenn das Land nicht seinen Verpflichtungen nachkommt.

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Im Schulausschuss hat Bildungsdezernentin Astrid Neese jetzt eine Vorlage präsentiert, mit der die Finanzierung des Ganztags zumindest für das Schuljahr 2024/25 sichergestellt werden soll. Dafür soll die Zuschusszahlung an die Träger um eben jene 12 Prozent angehoben werden, die durch die Tariflohnerhöhung erforderlich sind.

Deutlich wurde Neese in ihrer Kritik gegenüber dem Land: Die aus Düsseldorf offerierten 3 Prozent würden nicht reichen, „da muss das Land nachlegen“, außerdem fehle immer noch das Ausführungsgesetz.

Schulen des Verlässlichen Halbtags sollen Ganztags-Grundschulen werden

Allen Unsicherheiten und Streitigkeiten zum Trotz muss in Duisburg aber weiter um- und ausgebaut werden. Die Versorgungsquote liegt im aktuellen Schuljahr bei rund 40 Prozent: 8757 Plätze stehen für 20.598 Kinder zur Verfügung. Zehn reine Schulen des Verlässlichen Halbtags sollen kurzfristig zum nächsten Schuljahr in Ganztags-Grundschulen (OGS) umgewandelt werden. Dadurch würden 950 zusätzliche Plätze entstehen. An weiteren 35 Schulen gibt es parallel zu den OGS-Gruppen einen Verlässlichen Halbtag (bis 13 Uhr), dessen Umwandlung 1300 zusätzliche Plätze möglich machen würde.

Insgesamt wären zum Schuljahr 2024/25 rund 12.500 Plätze vorhanden. Weil zugleich die Schülerzahlen weiter steigen auf 21.750 in der Primarstufe, liegt die Versorgungsquote dann bei 57 Prozent, rechnet die Stadt vor.

NRW-weit einmalige Situation in Duisburg

Im Schulausschuss betonte Neese die steigenden Bildungschancen durch ein breites Angebot von Ganztagsschulen. Um den Rechtsanspruch zu erfüllen, sei die Verwaltung sehr kreativ geworden, etwa bei den Verpflegungskonzepten. (Siehe Bericht)

Die Stadt steckt allerdings auch in einer NRW-weit einmaligen Situation: Duisburg ist die einzige Kommune, in der der Ganztag sukzessive ab 2026 beitragsfrei sein wird. Dass daneben weiter ein kostenpflichtiger Verlässlicher Halbtag besteht, habe das Land nicht geduldet: Es fordert ab Mitte 2024 einheitliche und sozial gestaffelte Beitragssatzungen. Eine Übergangslösung sei nicht toleriert worden.

Bildungsdezernentin Astrid Neese betont, dass die Duisburger Stadtverwaltung kreative Wege geht, um den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung zu erfüllen.
Bildungsdezernentin Astrid Neese betont, dass die Duisburger Stadtverwaltung kreative Wege geht, um den Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung zu erfüllen. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

Die größte Gefahr wäre für die Stadtverwaltung gewesen, wenn eine Familie ihr Kind an einer Schule des Verlässlichen Halbtags anmeldet und dann den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz einfordert. Trotz des vielfach geäußerten Elternwunsches, den Halbtag zu erhalten, ist diese Gefahr gebannt und der Halbtag bald Geschichte. Umso mehr hofft Neese, dass die noch fehlende Ausführungsgesetzgebung für den Offenen Ganztag die Wünsche von Eltern nach mehr Flexibilität berücksichtigt und etwa ermöglicht, dass die Betreuung nicht immer zwingend von 8 bis 16 Uhr voll genutzt werden muss.

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Duisburger Politiker fordern vom Land eine flexible Betreuungslösung im Ganztag

Politiker aller Fraktionen forderten in der Debatte, die Bedürfnisse der Eltern zu beachten. So bräuchten alleinerziehende Mütter mitunter deutlich vor Schulstart schon ein Angebot, um pünktlich zur Arbeit zu kommen.

„Wir hoffen auf flexible Lösungen“, so Schulamtsleiter Ralph Kalveram. Die Beigeordnete Neese hofft, dass es keine allzu große Beschwerdewelle gebe: „Es ist ein Dilemma, dass sich das Land nicht regt, aber wir werden das Beste aus der Situation machen“.

Der Schulausschuss beschloss die Pläne der Verwaltung einstimmig und entschied, dass die Eltern mit einem vorbereiteten Brief über die Veränderungen zum kommenden Schuljahr nun zeitnah informiert werden sollen.

>>RECHTSANSPRUCH AUF EINEN GANZTAGSPLATZ AN GRUNDSCHULEN

  • Das Ganztagsförderungsgesetz des Bundes sieht vor, dass alle Kinder, die ab Sommer 2026 eingeschult werden, einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz haben.
  • Fachleute gehen davon aus, dass 80 Prozent der Eltern dieses Recht einfordern, an manchen Standorten könnten es aber auch mehr sein.