Duisburg. In einer Duisburger U-Bahn-Station erinnern Tafeln an den Nationalsozialismus. Einige Formulierungen gelten als problematisch. Die Details.

Geschichte im Schnelldurchlauf bietet die U-Bahn-Station König-Heinrich-Platz in Duisburg. Bunte Kacheln an der Wand reißen einzelne Kapitel aus vergangenen Jahrhunderten an, sechs davon beschäftigen sich mit der Zeit des Nationalsozialismus und ihren Auswirkungen. Entspricht ihr Inhalt einer zeitgemäßen Erinnerungskultur? Duisburger Politiker haben daran Zweifel und wünschen sich eine kritische Reflexion.

„Wie ganz Deutschland geriet auch Duisburg in den Strudel der NS-Zeit“ lautet eine der Formulierungen, die nun geprüft werden sollen. Solche Sätze, schreibt die Ratsfraktion der Grünen in einer Pressemitteilung, ließen „die nationalsozialistische Herrschaft wirken, als sei eine Naturgewalt über die Stadt hereingebrochen. Dass diese Ideologie auch von Menschen in Duisburg gelebt und in ihrer Grausamkeit ausgelebt wurde, wird kaum deutlich“, heißt es zur Begründung.

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NS-Erinnerung in Duisburg: Spaltung in „die Deutschen“ und „die Juden“

Im Antrag, dem sich die Mehrheit der Ratsfraktionen angeschlossen hat, wird eine weitere Formulierung beispielhaft erwähnt: „Viele jüdische Bürger flüchteten ins Ausland; wer blieb wurde ab 1941 in die Konzentrationslager verschleppt, viele wurden ermordet, die jüdische Gemeinde (...) ausgelöscht.“ Auf der darauf folgenden Kachel steht dann: „Auch die Bevölkerung erlitt im Krieg hohe Verluste. Ein großer Teil verließ die Stadt. Die Einwohnerzahl sank von 433.530 auf 141.000.“

Das Leid der Bevölkerung, so die Antragsteller, werde hier „praktisch der Verfolgungsgeschichte der jüdischen Gemeinde gegenübergestellt und die Duisburger Jüdinnen und Juden außerdem von ‚der Bevölkerung‘ – wie im NS-Staat geschehen – exkludiert“.

Die Schrifttafeln fügen sich optisch in das Gesamtbild der U-Bahn-Station, die zumindest in Teilen ein Kunstwerk ist.
Die Schrifttafeln fügen sich optisch in das Gesamtbild der U-Bahn-Station, die zumindest in Teilen ein Kunstwerk ist. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Ratsherr Christian Saris (Grüne) nimmt auch Bezug auf das Treffen, bei dem AfD-Funktionäre Pläne zur Ausweisung von Millionen Menschen entwickelten: „Gerade jetzt, wo Rechtsextreme der AfD offen von Massendeportationen reden (...), brauchen wir umfassende Erinnerungen an unsere deutsche Geschichte.“ Die damalige Spaltung in „die Deutschen“ und „die Juden“ lasse sich „erschreckend deckungsgleich“ auf heutige rechte Propaganda übertragen. Weiter sagt Saris: „Wir wollen sicherstellen, dass die Wandtafeln am König-Heinrich-Platz eine ehrliche und respektvolle Erinnerungskultur ermöglichen.“

U-Bahn-Station König-Heinrich-Platz ist in großen Teilen ein Kunstwerk

Durch den Kulturausschuss soll nun das Zentrum für Erinnerungskultur damit beauftragt werden, den Inhalt der Tafeln zu untersuchen. Die Historiker der städtischen Einrichtung sollen Möglichkeiten erarbeiten, wie die dabei gewonnenen Erkenntnisse in die Gestaltung der Wandtafeln einfließen können. Denkbar seien Umformulierungen, aber auch zusätzliche Erläuterungen.

Gerade jetzt, wo Rechtsextreme der AfD offen von Massendeportationen reden (...), brauchen wir umfassende Erinnerungen an unsere deutsche Geschichte.
Christian Saris - Ratsherr (Grüne)

Die Änderungsmöglichkeiten am König-Heinrich-Platz unterliegen aber auch einer Einschränkung: Große Teile der U-Bahn-Station sind ein Kunstwerk, zu dem auch die Wandtafeln in ihrer jetzigen Erscheinung gehören. Die Integrität des Werkes dürfe nicht beschädigt werden, heißt es dazu im Antrag. Auf Bitte der CDU-Fraktion soll die Stadt nun zuerst Kontakt zu den Urhebern Gerhard Richter und Isa Genzken aufnehmen, damit die Künstler in alle Schritte eingebunden werden können.

>>KÖNIG-HEINRICH-PLATZ NACH MITTELALTERLICHEM HERRSCHER BENANNT

Die U-Bahn-Station König-Heinrich-Platz wurde 1992 eröffnet und ist Eigentum der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG). Dort fahren die Linien U79, 901 und 903.

Der König-Heinrich-Platz ist nach Heinrich I. benannt. Der Herzog von Sachsen war von 919 bis 936 König des Ostfrankenreichs, zu dem auch Teile des Rheinlandes gehörten.