Duisburg. In Duisburg sind über 700 Brücken im Dienst. Vielfach sind Neubauten und Sanierungen nötig. So steht es um die Standsicherheit der Bauwerke.
Über 700 Brücken führen in Duisburg über Gräben, Straßen, Bahngleise oder Flüsse. „Akut einsturzgefährdet ist derzeit keine einzige Brücke“, beruhigt Duisburgs Brückenpapst Lars Höffken, Abteilungsleiter im Amt für Stadtentwicklung und zuständig für die Infrastruktur.
Regelmäßig werden die knapp 180 Bauwerke geprüft, jährlich auf Sicht, alle drei Jahre im Rahmen einer kleinen Prüfung und alle sechs Jahre durch eine Hauptprüfung, dann werden sie auch von innen begangen. Diese Rhythmen gelten auch für die Besitzer der übrigen Brücken.
Diese Sicherheit kostet: Um die Brücken, die die Stadt selbst pflegt, zu unterhalten, wurden in den vergangenen Jahren im Schnitt rund zwei Millionen Euro Budget veranschlagt. 2023 waren es mit 2,75 Millionen Euro erstmals deutlich mehr. Im Auftrag erledigen die Wirtschaftsbetriebe Duisburg (WBD) die vorgeschriebenen Prüfungen und Begehungen.
Die Experten achten dann auf die Verkehrssicherheit, die Standsicherheit und die Dauerhaftigkeit der Brücken. „Hochkomplex“ seien diese Sichtungen, bei denen alles nach DIN-Norm bewertet und gewichtet wird. Seile, Bögen, Flächen werden unter die Lupe genommen. Mit einem Befahrungswagen geht es auch unter die Brücke. „Wir drehen alles auf links, schauen in jede Ritze und dokumentieren alles fotografisch“, erklärt Höffken.
Bewertet werden die Bauwerke mit einer Gesamtnote zwischen 1 und 4: Die 4,0 bedeutet einen umgehenden Handlungsbedarf oder eine Sperrung. „Unsere Alarmglocken schrillen schon bei einer 3, eine 4 ist bei uns wie eine 6: absolut ungenügend“, betont der Ingenieur.
Bei 30 Brücken zeichnet sich Handlungsbedarf ab
Die meisten Bauwerke sind nach Angaben der WBD besser als 3,0 bewertet und damit in einem guten Zustand. „Bei etwa 30 Brücken zeichnet sich ein Handlungsbedarf für die langfristige Instandhaltungsplanung ab“, schreibt deren Sprecher Volker Lange.
Zum Tagesgeschäft gehören kleine Holzbrücken, die schneller marode werden, zuletzt etwa eine Fußgängerbrücke am Toeppersee. Akuter Handlungsbedarf bestand etwa bei der Gaterwegbrücke, die über die Bundesbahngleise im Zuge der Friedrich-Ebert-Straße führt. Mit der Sanierung habe man sich lediglich zehn bis zwölf Jahre Reststandzeit erkauft, jetzt folgen eine Machbarkeitsstudie, ein Planfeststellungsverfahren, schließlich der Bau.
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Die denkmalgerechte Sanierung der Straßenbrücke über den Eisenbahnhafen in Ruhrort-Laar (Bassinbrücke) und der Hubbrücke über den Nordhafen Walsum im Zuge der Königstraße werden derzeit geplant. Sie sind ebenso wie die Hubbrücke Schwanentor in einer Prioritätenliste der Stadtverwaltung aufgezählt, die die strategische Verkehrsinfrastrukturentwicklung der nächsten Dekade beschreibt.
Herausfordernd für die Sanierung ist, dass bei den alten Brücken etwa die Korrosionsfarbe asbesthaltig sein kann. Manche Brandschutzbauten sind früher mit Asbestbeton gebaut worden, andere Teile sind „schwer bleihaltig oder haben alle möglichen anderen Schwermetalle in sich“, beschreibt Höffken. Die Gaterwegbrücke musste deshalb komplett eingehaust werden, „das ist ein Vermächtnis der früheren Generationen“.
Die alten Brücken haben Ingenieure noch mit dem Rechenschieber konstruiert
Für den Ingenieur sind Stahlbauten wie die Uerdinger Rheinbrücke oder die Laarer Brücke dennoch beeindruckend. „Die sind über 100 Jahre alt, die Ingenieure haben damals noch mit Rechenschiebern gearbeitet.“ Vor den Weltkriegen habe man mit Bedacht und hoher Qualität gebaut, die Sensibilität für bestimmte Baustoffe habe man sich erst später erarbeitet. Brücken, die jetzt zur Diskussion stehen, seien häufig aus den 60er und 70er Jahren, als in aller Schnelle gebaut wurde. Ein gutes Zeichen für eine Brücke ist, wenn sie ein bisschen schwingt. Was für die Standfestigkeit ein Muss ist, wirkt beim Thema Materialermüdung beschleunigend.
Die Entwicklung gehe rasant weiter: „So eine Brücke wie die neue A40-Rheinquerung hätten wir vor 30 Jahren noch nicht berechnen können.“ Versuche in den Niederlanden, mit legoartigen Bauteilen schneller fertig zu werden, beobachtet er mit Spannung. „In Deutschland ist noch jede Brücke ein Einzelbauwerk.“
Ärger der Bürger verständlich, Shitstorms „ungerecht“
Nicht jeder zeigt Verständnis, wenn Brücken plötzlich gesperrt werden. Neues Ungemach droht, wenn die Uerdinger Rheinbrücke und die Brücke der Solidarität ersetzt werden müssen. In den letzten Jahren stand sein Team, stand die Stadt Duisburg häufiger im Auge eines Shitstorms. Die Sperrung der Cölve-Brücke brachte die Bürger sogar demonstrierend auf die Straße. Und die Sperrung des Karl-Lehr-Brückenzugs zwang Pendler, Schüler, Fußgänger und Fahrradfahrer zu kilometerweiten und hoch frequentierten Umwegen mit den entsprechend wütenden Kommentaren in den sozialen Netzwerken.
Auch wenn die Beschwerden nicht immer gerecht seien - die Cölve-Brücke etwa gehörte da noch zur Stadt Moers - versteht Höffken den Frust. Er ist als Verkehrsteilnehmer selbst von Einschränkungen und Sperrungen betroffen, er kennt die Ungeduld aus eigenem Erleben. Ziel seines Teams sei deshalb, die Interessen der Duisburger Bevölkerung und der Industrie in gleichem Maße abzuwägen. Unumgänglich sei zwar auch künftig, dass „direkte Anlieger bei manchen Baumaßnahmen phasenweise über Gebühr belastet“ werden. Aber grundsätzlich gilt: „Wir wollen die vorhandenen Brücken instand halten und fahrbereit halten.“
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>>KANN HOCHWASSER DEN BRÜCKEN GEFÄHRLICH WERDEN?
Die Hochwasserstände der letzten Wochen machen den Brückenexperten nicht unruhig. Der neue Karl-Lehr-Brückenzug etwa habe bis zu 2,50 Meter dicke und 30 Meter tief gegründete, mächtig bewehrte Bohrpfähle, „das sind 15 Stockwerke, das ist schon einiges“.
Man müsse nur darauf achten, dass sich kein Treibgut an den Pfeilern festkeilt, „dann erhöhen sich die Kräfte, die auf das Bauwerk wirken, sofort“, erklärt Höffken. „Aber wir sind ja nicht in Kanada, wo ganze Baumstämme im Fluss treiben.“ Wichtiger sei die Deichpflege.