Duisburg. Durch den Duisburger Norden tuckert neuerdings ein rollendes Café in einem knallroten Kultfahrzeug. Ordensschwestern betreiben es mit ihrem Team.
Die katholische Kirche verliert im Duisburger Norden immer mehr an Bedeutung. Seit Jahren wenden sich viele Menschen ab oder treten aus. Die beiden Bistümer haben schon lange harte Sparprogramme verordnet. Betroffen sind Mitarbeiterstellen, aber auch Kirchen, die aufgegeben, verkauft und dann teils sogar abgerissen werden. Diesen Pfarreientwicklungsprozess sieht die Ordensschwester Ursula Preußer als Herausforderung, aber auch als Chance, in der Pfarrei St. Johann neue Wege zu gehen und neue Ideen auszuprobieren.
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Ihr jüngstes Projekt ist – zur Freude vieler Duisburgerinnen und Duisburger – ein besonderer Marienkäfer, der sofort zum Sympathieträger geworden ist. Dahinter verbirgt sich ein knallrotes Kirchenmobil, mit dem Schwester Ursula samt einem wachsenden Team durch den Bezirk Hamborn tourt. Jüngst hat es durch einen Fernsehbeitrag überregionales Interesse geweckt. „Es ist unser Anliegen, die Menschen aus den Kirchen an die frische Luft zu bringen“, sagt sie und hat dafür ganz bewusst ein außergewöhnliches Gefährt ausgewählt. Mit einer dreirädrigen Ape, dem kultigen Kleintransporter des italienischen Herstellers Piaggo, tuckert sie durch den Stadtnorden, um die Menschen zu treffen, ohne dass sie in ein Gotteshaus kommen müssen.
Rollendes Café der Pfarrei St. Johann ist ein Ort der Gastfreundschaft im Duisburger Norden
Da trifft es sich gut, dass die Duisburger Werkkiste die Ape so umgebaut hat, dass sich die Seitenwände des Kastenwagens nach oben klappen lassen – wie die Flügel eines Marienkäfers. Zum Vorschein kommt dann ein rollendes Café, das als Ort der Gastfreundschaft bekannt werden soll. „Kaffee oder Punsch sind die Medien, um mit uns ins Gespräch zu kommen“, sagt Mitstreiterin Mariotte Hillebrandt, die wie Ursula Preußer zur Ordensgemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern gehört.
Der erste Einsatz im neuen Jahr hat das Kirchenmobil auf den Hamborner Altmarkt geführt, wo das Team seinen Stand zwischen Markthändlern aufgebaut hat. Auf dem Wochenmarkt, so verlangt es dort der städtische Veranstalter Duisburg Kontor, dürfen die Ordensschwestern und ihre Helfer die Heißgetränke mit Keksen nicht verschenken. Ein Euro nehmen sie pro Portion. Den Preis haben sie mit den übrigen Marktbeschickern abgesprochen, zudem fließen Erfahrungswerte aus Neumühl ein, wo die Ape seit September allmonatlich Station auf dem Wochenmarkt macht.
Zwar sind jetzt viele Menschen auf dem Altmarkt, aber nur wenige bleiben am roten, schwarz gepunkteten Marienkäfer-Transporter stehen oder lassen sich von den Ordensschwestern ein Getränk schmackhaft machen. Schwester Mariotte lässt sich davon aber nicht entmutigen. Sie weiß nur allzu gut, dass Marktbesucher oft schnell ihre Einkäufe erledigen wollen und nicht allzu viel Zeit mitbringen; der hartnäckige Nieselregen lädt auch nicht zu ausgiebigen Unterhaltungen ein. Die extra aufgestellten Klappstühle und der Klapptisch bleiben bei dem Wetter diesmal größtenteils unbenutzt.
Dreirädriges, knallrotes Kirchenmobil soll probeweise neue Standorte anfahren
„Nach den ersten paar Besuchern wussten wir, dass unser Projekt erfolgreich ist und dass wir mit den Leuten ins Gespräch kommen“, erinnert sich die Projektkoordinatorin Schwester Ursula an den allerersten Einsatz des Marienkäfermobils im vergangenen September. Seither sei „die Resonanz sehr positiv“ gewesen; auf das Auto, dass viele „charmant und lustig“ finden, aber auch auf die grundsätzliche Idee. Zwar laufe noch die „Experimentierphase“, doch dabei gehe es nur darum, welche Standorte sich künftig lohnen. Gesetzt sind, neben dem Neumühler Markt, bereits die Abtei und der Marxloher Friedhof an der Schwabenstraße, wo das Team jeweils einmal pro Monat vorbeischaut.
Ob sich auch der Altmarkt als regelmäßiger Standort etabliert? Das muss sich erst noch zeigen. Sehr zu schätzen wissen das Kirchenmobil und den alkoholfreien Punsch diesmal zumindest die Sternsinger. Sie haben sich neben dem Fahrzeug der Pfarrei St. Johann aufgestellt und stimmen einige Lieder an, bevor sie in die Geschäfte und in die Nachbarschaft ausschwärmen, um ihren Segen zu spenden. Die Ape kommt bei der Gruppe gut an. „Die Kirche muss zu den Menschen gehen und zeigen, dass sie offen für viele Themen ist, auch für nichtkirchliche Themen“, sagt Andrea Maul, die die Sternsinger durch Alt-Hamborn begleitet.
Angebot für alle Menschen in Hamborn – unabhängig von Herkunft, Kultur oder Glauben
Mit dieser Forderung rennt sie beim Team offene Türen ein. Denn der Marienkäfer versteht sich ausdrücklich nicht als Beratungsmobil und schon gar nicht als mobile Kircheneintrittstelle. „Wir wollen nicht missionieren, wir wollen präsent sein“, stellt Schwester Ursula klar. Die Einsätze hätten nichts mit Religion zu tun, bekräftigt der Ehrenamtler Klemens Traut. Dem Team gehe es um Nächstenliebe, darum für andere Menschen da zu sein – unabhängig von Herkunft, Kultur oder Glauben.
Oft helfen schon ein freundlicher Gruß und ein Lächeln, weiß Teammitglied Ines Snowley. Doch auch tiefere und intimere Unterhaltungen hat sie am Marienkäfer schon geführt, insbesondere auf dem evangelischen Friedhof in Marxloh. Dies waren oft Gespräche voller Trauer und Schmerz. „Ich möchte Verständnis zeigen und Wertschätzung für die Probleme meiner Mitmenschen“, sagt Snowley, für die ihre Einsätze am Kirchenmobil eine Bereicherung sind.
Tatsächlich sind seit September viele Begegnungen am Kaffeestand fröhlich gewesen, so wie etliche Anlässe zu denen die Ape samt Team schon gerufen wurde, darunter Gemeindefeste oder Martinszüge von Schulen. Doch auch Seelsorge ist möglich und erwünscht. Gefragt ist manchmal aber auch Unterstützung, um Behördenschreiben zu verstehen. Außerdem haben die Ordensschwestern ein großes Netzwerk im Duisburger Norden, das sie für Hilfesuchende aktivieren können.
Das Projektteam sucht weitere ehrenamtliche Mitstreiterinnen und Mitstreiter
Das derzeit zehnköpfige Team sucht noch Verstärkung. Interessierte müssen weder Mitglieder der Pfarrei noch keine Christen sein. Um möglichst viele Menschen im Stadtbezirk mit dem Projekt erreichen zu können, fehlen allerdings Mitstreiter, die etwa Türkisch, Arabisch, Bulgarisch oder Rumänisch sprechen können. Dass diese Sprachen bisher nicht am Kirchenmobil vertreten sind, empfindet Schwester Mariotte aber nicht als großen Nachteil: „Kaffee ist eine internationale Sprache.“
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Da der rote Kleintransporter mit einem Kaffeevollautomaten und mit einem Waschbecken zum Spülen ausgestattet ist, gehen den Ordensschwestern die Vokabeln dieser Sprache so schnell nicht aus. „Wir können hier bis zum letzten Tag Kaffee kochen“, sagt Schwester Mariotte und lacht fröhlich.
Ebenso unerschöpflich scheinen aktuell auch die Ideen für den dreirädrigen Marienkäfer zu sein. So überlegt das Team, ihr rollenden Cafés um Spielzeug zu erweitern und demnächst auch an Spielplätzen Station zu machen. Egal welche Ideen die hochmotivierte Gruppe um die Projektkoordinatorin Ursula Preußer künftig noch umsetzen oder vielleicht verwerfen mögen, für die Ordensschwester steht bereits eines ganz fest: „Unterwegs sein mit Gott ist immer ein Abenteuer.“