Duisburg. Gegner der aktuellen Bauernproteste verweisen auf Millionen EU-Subventionen. Was Duisburger Landwirte bekommen und was sie dafür leisten müssen.
Deutlich spürbar sind die Protestzüge der Landwirte gegen Kürzungen beim Agrardiesel. Die Bauern bekommen aber auch Gegenwind. Warum sie wegen eines Einschnitts von wenigen tausend Euro Straßen blockieren, obwohl sie jährlich ein Vielfaches durch EU-Subventionen einnehmen, fragen manche Diskutanten in den sozialen Netzwerken.
Wie viel EU-Gelder nach Duisburg fließen, kann man bis auf den letzten Cent auf der Webseite www.agrar-fischerei-zahlungen.de/ nachlesen. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat die Zahlungen für 2021 und 2022 detailliert aufgeschlüsselt. Die erste Überraschung ist schon die schiere Zahl der in Duisburg „Begünstigten“: 2022 haben 65 Landwirte, Pferdehöfe sowie Großhandel, die Schulen mit Obst und Milch beliefern, Mittel aus dem EU-Agrarfonds empfangen – und damit so gut wie alle. Insgesamt sind demnach über eine Million Euro nach Duisburg geflossen.
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Die Gesamtsumme der Subventionen setzte sich bei den meisten Landwirten aus einer Basisprämie und verschiedenen Komponenten zusammen. Einige Bauern erhielten zudem Mittel für Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen sowie für Natur- und Gewässerschutz.
Im Schnitt machte das rund 15.000 Euro pro Hof. Eine Handvoll Kleinunternehmer bekam aus dem Fonds jeweils einige hundert Euro. Die höchsten Zahlungen flossen in das Budget der Landwirte Mosch und Terlinden, jeweils rund 72.000 Euro.
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wurden landesweit 2022 allein an Basisprämien über 247 Millionen Euro ausgeschüttet – konkret: 247.382.255,62. Die Ausschüttungssummen sind unter anderem abhängig von der Größe der Betriebe und dienen neben der Einkommenssicherung dazu, einen Ausgleich zu schaffen zwischen den hohen Umweltschutz-, Tierschutz- und Verbraucherschutzstandards in der EU und den vergleichsweise geringeren Auflagen in Mitbewerberländern.
Warum bekommen Duisburger Landwirte die EU-Subventionen?
Diese Standards kosten viel Geld, sagt Johannes Benger, Ortslandwirt für Mündelheim und Serm in der Kreisbauernschaft Ruhrgroßstädte. Ein Beispiel: Ein Bauer will nach der hochsommerlichen Gerste-Ernte als nächstes Zuckerrüben auf dem Acker pflanzen. Diese werden aber erst im April gesät, die Fläche würde im Herbst und Winter brach liegen. Das sei seitens der Politik nicht gewünscht, weshalb der Bauer eine Zwischenfrucht einbringt, den rapsähnlichen Gelbsenf etwa. Die Pflanzen frieren im Winter ab und werden im Frühling eingegrubbert. Vorteil: Auf der Fläche wird die Erosion verringert, außerdem hat die Zwischenfrucht einen Düngeeffekt.
Direkte Einnahmen lassen sich damit aber nicht generieren. Für das Invest aus Saatgut, Maschinenkapazitäten, Diesel und Zeit bekomme der Betrieb Punkte, die später die Höhe der Subvention bestimme, erklärt der studierte Landwirt. Auch die Anlage von Blühstreifen oder ein Streifen Gerste, der nicht abgeerntet wird und den Tieren als Deckung und Futter zugleich dienen soll, gelte als Maßnahme zur Stärkung der Biodiversität auf Kosten des direkten Ertrags.
„Die Subventionen sind das Honorar für erbrachte Dienstleistungen“
„Für mich ist das keine Subvention, sondern ein Ausgleich für unsere geleistete Arbeit“, sagt Benger. „Wir halten uns an das Regelwerk, leisten fachgerechte Arbeit.“ Ansonsten werde man sanktioniert, bekäme weniger EU-Gelder. Viele Bauern, die kein eigenes Land besitzen, hätten ohnehin hohe Kosten durch die Pacht. Damit sich das rechnet, seien entsprechende Umsätze auf den Flächen nötig. „Die Betriebe rechnen fest damit, es ist ihr Honorar für erbrachte Dienstleistungen“, so der Landwirt, „mitunter sind wir eher Landschaftspfleger als Lebensmittelproduzenten“.
Den protestierenden Landwirten gehe es nicht allein um die im Schnitt 2 bis 3000 Euro Verlust durch die veränderten Bedingungen beim Agradiesel, sondern um die seit Jahren anhaltenden und kaum planbaren Verluste auf vielen Ebenen, auch bei anderen Subventionen. Für die Betriebe seien die EU-Subventionen durchaus existenziell.
In den vergangenen 20 Jahren seien die Zahlungen kontinuierlich gesunken, außerdem seien die Berechnungsgrundlagen ständig verändert worden. Deshalb gebe es jährlich Informationsveranstaltungen, um alle auf Stand zu bringen. Es bleibe jedoch ein Risiko, größere Maschinen anzuschaffen.
Immer weniger Landwirte in Duisburg
Benger selbst erhielt 2022 rund 21.000 Euro, in den Vorjahren sei es deutlich mehr gewesen. Er und sein Vater könnten vom Ackerbau allein nicht leben, „wir leben vom Pferdebetrieb“. Wegen der kontinuierlich steigenden Maschinenkosten brauche ein rentabler Betrieb heute 80 bis 100 Hektar Fläche. In zentralen Stadtlagen könnten auch mal 20 Hektar reichen, wenn direkt vom Feld Erdbeeren und Kartoffeln verkauft oder die Flächen als Gartenparzellen verpachtet werden.
Benger, der viele Landwirte persönlich kennt, relativiert die Zahl der 65 Begünstigten noch: Einige Flächen in Duisburg würden von anderen mit bewirtschaftet, mancher Landwirt stehe kurz vor dem Ruhestand und mancher habe nur ein paar Schafe auf der Wiese stehen, „die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe sinkt kontinuierlich“.
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AKTUELLE PROTESTE: „DIE POLITIK MUSS EXPERTENGESTEUERT SEIN“
Die Landwirtschaft habe wegen der guten Getreidepreise aufgrund der Ukraine-Krise ein gutes Jahr gehabt, „das hat vielen geholfen“, sagt der Duisburger Landwirt Johannes Benger, „wir können aber nicht mit Weltkrisen planen“.
Mit Blick auf die kritisierten Protestaktionen mancher Landwirte, etwa der Bedrohung von Wirtschaftsminister Habeck beim Anlegen seiner Fähre, betont Benger, dass er sich an so einer Aktion nie beteiligen würde. „Ich bin auch kein Fan von polemischen Plakaten.“ Der Verband habe alle Aktionen angemeldet, hier wolle keiner gegen geltendes Recht verstoßen.
Von der Politik erwarte er, dass sie expertengesteuert agiert, einen fachlichen Diskurs verfolgt. „Es wird zu viel mit Stimmung gearbeitet“, bedauert Benger, „wir müssten viel mehr abwägen“.