Großenbaum: Wirtshaus an der Zollschranke machte den Anfang
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Duisburg. Großenbaum erscheint geschichtslos, ehe es als Zollstation in die Welt trat. Später wurde es Sitz eines Stahlwerks. Hier gibt‘s viele alte Fotos.
Wie geschichtslos erscheint Großenbaum, ehe es in der frühen Neuzeit als Zollstation in die Welt trat. Dann wurde es mit einem Paukenschlag Sitz eines Stahlwerks. Und seit dessen Ende ist es ein beliebter Vorort.
Die wenigen Funde frühen menschlichen Lebens sind schnell aufgezählt: ein geschliffenes Steinbeil an der Fichtenstraße aus der Zeit vor 1700 vor Christus, Graburnen von etwa 500 vor Christus östlich vom Bahnhof und elf römische Goldmünzen aus der Zeit um 350 in einem Garten an der Großenbaumer Allee.
Wo Großenbaum ist, waren früher Wald und die Grenze zwischen den Herzogtümern Berg und Kleve
Das wundert nicht, denn das gesamte Gebiet war Wald. Mitten durch ihn verlief die Grenze zwischen dem Herzogtum Berg und dem Herzogtum Kleve. Wo sich heute der Bahnhofsvorplatz befindet, hat es eine bergische Zollstätte gegeben. 1532 haben die Eheleute Sibille und Jan Meypels die Erlaubnis erhalten, an dem Schlagbaum ein Wirtshaus zu eröffnen.
Nach diesem großen Baum hat sich die Ansiedlung bald genannt. Die Menschen entdeckten den Wald als Erwerbsquelle. Weit gestreut entstanden kleine Bauernhöfe, deren Inhaber ihr Vieh mit den Früchten des Waldes mästen und sich dort auch Brennholz besorgen durften, die Walderben.
Viermal im Jahr trat das Holzgericht der Huckinger Mark zusammen, um Streit zu schlichten oder neue Walderben aufzunehmen. Das endete erst 1831.
Noch 1891 haben erst 350 menschen in Großenbaum gelebt
Schon seit über 250 Jahren bilden aber die Fichtenstraße und, weiter nördlich, Am Friemerschlag, die Waldgrenze. Bis dahin ist schon damals kräftig abgeholzt worden. 1820 haben in Großenbaum 254 Menschen gelebt. Auch 1891 waren es erst 350.
Ab 1846 durchfuhren Züge der neuen Köln-Mindener-Eisenbahn auf der ersten Fernbahn im Rheinland den Ort. Wegen der Holzverladung hatte er von Anfang an eine Station. Eine Sägemühle siedelte sich an.
Hahnsche Werke: Albert Hahn legte 1888 Eisen-, Walz- und Röhrenwerk an
1888 legte der Düsseldorfer Industrielle Albert Hahn (1824 bis 1898) auf dem Gelände der Sägemühle ein Eisenwerk mit sechs Öfen, ein Walz- sowie ein Röhrenwerk an. Die Firma begann mit 150 Arbeitern, hieß ab 1896 Hahnsche Werke AG und beschäftigte 1913 bereits 2000 Menschen, in der Spitze bis zu 3500. 1910 folgte ein Walzwerk für nahtlose Röhren.
Die Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg führte 1923 dazu, dass von 1500 Beschäftigten 1200 entlassen werden mussten. Erst 1926 ging es wieder aufwärts. 1937 geriet das Werk unter Druck durch das Nazi-Regime. Es gehörte zwei jüdischen Familien. Als 1938 die Gefahr bestand, keine Rohstoffe mehr zu bekommen, verkauften die es zu etwa einem Viertel seines Wertes an Mannesmann. Ab Oktober 1944 gab es dort Angehörige der Sinti und Roma aus Osteuropa als Zwangsarbeiter.
Vom Bombenkrieg blieb das Werk weitgehend verschont, konnte bald nach Kriegsende 1945 wieder anlaufen. 1952 bekam die Familie Hahn es zurück. Das Werk war aber ab 1958 erneut Teil des Mannesmann-Konzerns. Einzelne Werksteile sind schon 1964 und 1966 stillgelegt worden. Die Blechherstellung wurde 1970 Thyssen zugeordnet.
Historische Fotos
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Schon 1973 gab es Pläne, die Werksfläche von 420.000 Quadratmetern durch die Stadt anzukaufen. 1983 lief die Produktion ganz aus. Rund 55 Millionen Mark hat die Umwandlung in ein modernes Gewerbegebiet bis Ende der 1980er Jahre gekostet und viele neue Arbeitsplätze gebracht.
Für die Arbeiterschaft von Hahn, die vielfach aus Polen zuwanderte, wurde Wohnraum geschaffen. Das geschah auf der Ostseite der Eisenbahn fortschreitend von Süden nach Norden. Die Kiesbaggerei florierte. Die bäuerliche Bevölkerung geriet in die Minderheit. Großenbaum erhielt nach 1900 kleinstädtischen Charakter.
Eingemeindung: 1929 kam Großenbaum von der Bürgermeisterei Angermund zur Großstadt Duisburg
1925 hatte die Bevölkerung schon 3500 Einwohner erreicht. 1929 wurde der Ort von der Bürgermeisterei Angermund in die Großstadt Duisburg eingemeindet.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entdeckten Berufspendler den Stadtteil. Bis 1962 stieg die Bevölkerung auf 8430 Einwohner an. 1968 galten 60 Prozent der Wohngebäude als Neubauten, weil sie nach 1945 entstanden sind.
Ein weiterer Schub setzte 1968 mit den ersten Hochhäusern Am Golfplatz ein. Ende der 70er Jahre wurden über 12.000 Einwohner erreicht, heute sind es rund 10.000. Seit Jahrzehnten hat der Bau von Eigenheimen dominiert. Der eigene Autobahnanschluss 1991 hat den Stadtteil noch attraktiver gemacht.
Eigenständiges kirchliches Leben hat sich erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt. 1909 wurde die katholische Kirche St. Franziskus als Notkirche errichtet, ab 1910 mit eigenem Pfarrer. 2006 gingen Großenbaum und Rahm in der Großpfarrei St. Judas Thaddäus Buchholz auf.
Die Evangelischen, bis dahin nach Wanheim orientiert, bekamen 1911 einen Hilfsprediger und 1912 ein Gemeindehaus, seit 1962 in einer Gemeinde mit Rahm. Sie erhielt 1965 die Versöhnungskirche an der Lauenburger Allee.
Duisburgs erste Gesamtschule
Auch eigene Schulen sind erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. 1910 hat die katholische Volksschule an der Großenbaumer Allee, heute Grundschule, 390 Kinder (auch evangelische) gezählt. 1911 folgte die evangelische Volksschule Lauenburger Allee, heute ebenfalls Grundschule.
Seit Ende der 1960er Jahre gab es dort auch eine Hauptschule. Sie erhielt 1973 an der Weierstraße einen Neubau, wurde in den 80er Jahren aber Sonderschule für Erziehungshilfe. Denn seit 1976 dominiert die Gesamtschule Süd, Duisburgs erste Gesamtschule. Neben ihr befindet sich seit 1977 auch das heute einzige Hallenbad im Stadtbezirk Süd.
Besonderen Stellenwert hat Großenbaum bei Heimen. 1949 hat die Diakonenanstalt aus Mülheim-Selbeck (seit 1972 Theodor-Fliedner-Werk) ein Kinderheim Zu den Wiesen gebaut. 1953 entstand ein Neubau für ihre Schwestern, das Diakonissen-Mutterhaus. Sie übernahmen auch den Dienst im 1952 neu errichteten Curtius-Pilgrim-Stift, einem Altersheim, das 1942 in der Altstadt zerstört worden ist. 1971 eröffnete ferner ein den Diakonissen direkt angeschlossenes Altenwohnheim.
Wegen Überalterung und Personalmangels mussten sich die Schwestern zurückziehen. Sie gaben die Kinderarbeit auf. Ihre Einrichtungen wurden bis 1980 zu einer modernen Altenwohnanlage umgebaut.
In den 80er Jahren gab es im Stadtteil 400 Wohnplätze für Senioren. Anfang 1972 eröffnete das städtische Kinderdorf an der Rotdornstraße.
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