Duisburg-Altstadt. Im Rathaus Duisburg gibt es 80 Dienstzimmer – und eine Privatwohnung. Wie sieht es darin aus? Wer lebt dort und warum? Ein Hausbesuch.
Für die einen ist es ein Wahrzeichen, für die anderen ein Stück Stadtgeschichte, für wieder andere einfach nur ein Bürogebäude. Für die Baums ist das Duisburger Rathaus ein Zuhause: Die Familie lebt in dem besonderen Bauwerk am Burgplatz. Denn das beherbergt neben 80 Dienstzimmern und dem Ratssaal mit den prächtigen Fenstern auch eine einzelne Wohnung.
Eine Dienstwohnung, um genau zu sein. Sie befindet sich im Dachgeschoss, und genau hier sind Marvin Baum, seine Frau und die beiden Kinder gerade eingezogen. Für den 35-jährigen Familienvater ist es eine Rückkehr: Der Hausmeister, der sich um die kleinen und größeren Wehwehchen des historischen Gebäudes kümmert, hat seine Kindheit im Rathaus verbracht. „Mein Vater war ebenfalls als Hausmeister bei der Stadt beschäftigt, und wir haben hier alle zusammengelebt, bis ich ausgezogen bin“, erzählt der städtische Mitarbeiter.
Wohnen im Duisburger Rathaus: Für Marvin Baum hat sich ein Traum erfüllt
Mit seiner eigenen kleinen Familie hat der Duisburger in den vergangenen Jahren in Großenbaum gewohnt. Dort war es auch nett. Aber jetzt ist für Baum ein Traum in Erfüllung gegangen. „Ich habe hier als Kind sehr glückliche Zeiten verbracht“, erinnert sich der Duisburger mit einem Lächeln. „Dass ich die Nachfolge meines Vaters antreten durfte, nachdem der nach 27 Jahren in Rente gegangen ist, und dabei auch die Räumlichkeiten übernehmen konnte, das war eine glückliche Fügung.“
Hausmeister-Familie taucht unfreiwillig auf Hochzeitsbildern auf
Die Räumlichkeiten, das sind 127 Quadratmeter neben dem „Saal Wuhan“ im dritten Stock, der offiziell für Sitzungen benutzt wird. Hier oben wirkt alles etwas neuer als in den anderen Etagen. „Im Krieg ist eine Bombe im Turm eingeschlagen“, erklärt Marvin Baum. „Deswegen hat man diesen Stock komplett restauriert.“
Entsprechend modern ist auch die Wohnung, die sich der Duisburger mit seiner Familie teilt. Sie besteht aus vier großen Zimmern mit Fenstern, durch die man einen tollen Blick auf das neue Mercatorquartier hat. Die Wände, weiß getüncht und ohne Schnörkel, sind dick – so dick, dass drinnen alles still ist, auch wenn es draußen mal hoch hergehen sollte. „Politische Debatten haben wir jedenfalls noch nie mitbekommen“, sagt Marvin Baum.
Auf dem Boden liegt Parkett, es gibt eine kleine, gemütliche Küche, zwei Kinderzimmer für die vierjährige Freyja und das neugeborene Baby sowie ein großes Bad – eigentlich alles wie in einer ganz normalen Mietwohnung. Und doch: Das Leben am Burgplatz ist speziell. Das fängt schon damit an, dass auch Besucher der Baums den öffentlich zugänglichen Haupteingang des Rathauses benutzen müssen. Einen separaten Eingang zur Wohnung gibt es nicht.
Dies führt auch dazu, dass Familie Baum öfter auf Hochzeitsfotos auftaucht – nicht ganz freiwillig wohlgemerkt. „Wenn sich ein frisch vermähltes Paar just in dem Moment vor dem Rathaus ablichten lässt, in dem wir den Kopf zur Türe hinausstrecken, kann das schon mal passieren“, lacht Marvin Baum.
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Auch Gäste der Familie stehen oft etwas länger vor dem historischen Gebäude. Aber nicht für ein Foto. Sondern weil sie die Klingel der Baums nicht auf Anhieb finden. Wo die nur ist? „Neben dem Eingang“, beschreibt Marvin Baum. Tatsächlich: „Hausmeister“ ist auf dem Klingelschild zu lesen.
Prominente Pforte stammt aus dem 19. Jahrhundert
Wer die Schelle gefunden hat, tritt ein durch die schwere, hölzerne Eingangstüre, die auch der Oberbürgermeister und seine Dezernatsmitarbeiter benutzen. Die Pforte stammt noch aus dem 19. Jahrhundert und ist wahrscheinlich die berühmteste der Stadt – immerhin schritten seit 1899 schon Persönlichkeiten wie Helmut Kohl, Helmut Schmidt oder Queen Elizabeth II. hindurch. Für die Baums ist das nichts Besonderes. Das aufwendig verzierte Portal gehört für sie zum Alltag. Sie sperren es mit ihrem Hausschlüssel auf.
Weiter hinein geht es ins Rathaus, vorbei an der Anmeldung, an der die Empfangsmitarbeiterin freundlich grüßt, dann die steinernen Stufen hinauf. Oder besser gleich in den Paternoster. „Aber der läuft nur bis 18 Uhr, und am Wochenende gar nicht“, sagt Marvin Baum.
Zum Glück gibt es inzwischen auch einen Aufzug, den die Bewohner benutzen dürfen. „Früher mussten wir noch die Treppen nehmen, auch mit schweren Einkäufen, da bekam man eine gute Kondition“, erzählt der junge Hausmeister.
Das Rathaus kennt er wie seine Westentasche. Nicht wie jemand, der hier nur ab und zu vorbeischaut. Sondern wie ein alter Freund des Hauses. Früher durften Baum und sein Bruder in dem historischen Gebäude spielen und nach Dienstschluss die Treppen rauf- und runterlaufen. Heute verrichtet Baum all jene handwerklichen (Pflege)Arbeiten, die das Haus in Schuss halten: Mal ist ein Fenster undicht, ein anderes Mal regnet es rein.
„Das ist nicht für jeden was, denn das Gebäude ist schon sehr pflegeintensiv“, meint der 35-Jährige. Dann fügt er hinzu: „Das darf es ja auch sein – in dem Alter!“ Er sagt es mit einem liebevollen Unterton. Für ihn ist mit dem Einzug ins Rathaus ein Traum in Erfüllung gegangen. Denn für andere mag das Gebäude einfach nur ein Bauwerk sein. Für ihn ist es mehr: ein Zuhause für Generationen.
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