Duisburg. Durch soziale Netzwerke haben sich Fälle sexualisierter Gewalt verzwölffacht. Die Fachberatungsstelle Wildwasser in Duisburg hilft Betroffenen.

„Sexuelle Übergriffe nehmen zu“, beobachtet Sabine Block. Die Diplom-Psychologin arbeitet für die Fachberatungsstelle Wildwasser in Duisburg.

Vor allem in den sozialen Medien sei der Anstieg „extrem. Wir erleben einen großen Anstieg an Betroffenen“, sagt Block. Insgesamt seien es im letzten Jahr deutschlandweit 15.520 angezeigte Fälle gewesen. „Pro Schulklasse sind ein bis zwei Kinder betroffen“, verdeutlicht Block. Die Dunkelziffer werde langsam heller, die Weltgesundheitsorganisation WHO geht aber sogar von einer Million Kindern aus, die bereits sexuelle Gewalt durch einen Erwachsenen erleben mussten.

Stark zugenommen haben demnach auch Fotos aus dem Intimbereich, die Jugendliche einander schicken und mit denen nicht immer angemessen umgegangen werde. „Seit 2018 haben sich Fälle von sexualisierter Gewalt in den sozialen Netzwerken verzwölffacht!“, sagt die Wildwasser-Expertin.

Allein 2022 habe es laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik 48.800 Fälle von Missbrauchs-Darstellungen gegeben. In Duisburg wurden laut Polizei insgesamt 355 Fälle aufgedeckt, in denen kinderpornografisches Material erstellt, verbreitet, erworben oder besessen worden sein soll. 2021 waren es 333 Fälle.

In den sozialen Medien sei die Kontaktaufnahme sehr leicht, der Schutz für Kinder und Jugendliche jedoch schwer. „Bislang war das engere Umfeld für manche eine Gefahr, jetzt kommt eine Riesengruppe virtuell dazu, die andere nimmt aber nicht ab“, verdeutlicht Block die Herausforderung.

Auch im Kleinkindalter sei eine Zunahme bei sexuellen Übergriffen zu verzeichnen. Auch untereinander: Die Frage, ob es sich um „normale“ Doktorspiele handele oder ob die Körpererkundungen kleiner Kinder mehr als das sind, könne in überlasteten Kitas manchmal nur schwer beantwortet werden. Aufgeregte Eltern würden die Dynamik noch verstärken. „Um bei Vermutungen fachlich kompetent agieren zu können, braucht es Fortbildungen“, appelliert Block, nur dann könne man besonnen mit der Situation umgehen.

Viele Beratungsangebote in Duisburg

Positiv sei, dass Duisburg gut aufgestellt sei, um Betroffenen und Fachkräften helfen zu können. Neben Wildwasser sind der Kinderschutzbund, die Caritas, die Evangelische Beratungsstelle und das Institut für Jugendhilfe in Duisburg ansprechbar.

Die Hauptaufgabe von Wildwasser ist die Fachberatung, rund 600 mal haben die Expertinnen 2022 helfen können. In 67 Fällen habe sich das Team um minderjährige Opfer sexualisierter Gewalt gekümmert und in dem Kontext Angehörige, Fachleute und Kitagruppen beraten.

Was noch fehle in Duisburg, sei eine Beratungsstelle für übergriffige Jugendliche, „sie brauchen auch Hilfe“, sagt Block. Auch Angebote für erwachsene Täterinnen und Täter seien sehr begrenzt, dabei diene das dem Opferschutz.

Psychologin Sabine Block von der Beratungsstelle Wildwasser in Duisburg betont, dass die Zahl der Opfer von sexualisierter Gewalt durch soziale Netzwerke weiter steigen.
Psychologin Sabine Block von der Beratungsstelle Wildwasser in Duisburg betont, dass die Zahl der Opfer von sexualisierter Gewalt durch soziale Netzwerke weiter steigen. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

In der Beratung waren im vergangenen Jahr auch 45 Frauen und Mütter, die entweder selbst sexuelle Gewalt erlitten haben oder deren Kinder betroffen waren. Wie man sein Kind schützen und mit den Nachwirkungen umgehen kann, ist Teil einer Gruppenarbeit, die im kommenden Jahr starten soll.

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