Duisburg. Routen von Castor-Transporten sind geheim. Jetzt ist wieder ein XXL-Konvoi einen Umweg durch Duisburg gefahren. Dabei bekam er ein Problem.

Auch beim zweiten bekannt gewordenen Probe-Transport eines leeren Castor-Behälters ist der Konvoi etliche Kilometer durch Duisburg gerollt: In der Nacht zu Mittwoch (22. November) führte die Testfahrt von Jülich nach Ahaus auch ab dem Kreuz Breitscheid (A3/A52) erneut über die Route vom 8. November, die den Duisburger Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Alarmbereitschaft versetzt (wir berichteten). Im Kreuz Kaiserberg (A3/A40), Duisburgs „Spaghettiknoten“, bekam der Castor-Transport diesmal ein Problem.

[Nichts verpassen, was in Duisburg passiert: Hier für den täglichen Duisburg-Newsletter anmelden.]

Augenzeugen berichten von einem gewaltigen Sicherheitsaufgebot und Dauer-Blaulicht in der Nacht auf Mittwoch auf der 170 Kilometer langen Strecke. Den Großeinsatz koordinierte erneut die Polizei Münster. Der von Massen an Polizeifahrzeugen und einem Helikopter begleitete Konvoi soll sich bis zu zwei Kilometer in die Länge gezogen haben. Diesmal fuhren wohl auch Vertreter der Atomaufsichtsbehörde mit, also des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums.

Castor-Testfahrt durchs Ruhrgebiet: Castor-Transporter musste im Kreuz Kaiserberg zurücksetzen

Eine Vorhut erreichte Duisburg vor Mitternacht über die A3: Zuerst rollte vor der 130 Tonnen schweren Castor-Transporteinheit ein anscheinend gewöhnlicher Lkw über die Strecke, ebenfalls eskortiert von vielen Polizeifahrzeugen.

Unplanmäßig musste die Polizei gegen Mitternacht dann den Übergang von der A3 auf die A40 im Kreuz Kaiserberg sperren. Eine Polizeisprecherin bestätigte die Sperrung auf Nachfrage.

Nach Informationen unserer Redaktion musste der etwa 30 Meter lange Lastzug mit dem Castor-Behälter – das Spezialfahrzeug hat 13 Achsen – an dieser Stelle zurücksetzen. Offenbar hatte der Zug im „Spaghettiknoten“ beim ersten Versuch nicht die Kurve gekriegt.

Am Ende der Kolonne: der etwa 30 Meter lange Lastzug mit dem Castor-Behälter, hier in der Nacht auf Mittwoch gegen 1 Uhr auf der A59 in Duisburg.
Am Ende der Kolonne: der etwa 30 Meter lange Lastzug mit dem Castor-Behälter, hier in der Nacht auf Mittwoch gegen 1 Uhr auf der A59 in Duisburg. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Castor-Route in Duisburg: A3, A40, A59 und A42

Warum die Kolonne im Kreuz Kaiserberg am Mittwoch und am 8. November nicht einfach geradeaus über die A3 Richtung Norden gefahren ist?
Die Beteiligten und Verantwortlichen machen dazu keine Angaben. Der erneute Umweg übers Duisburger Stadtgebiet ab dem Kreuz Kaiserberg ist jedoch ein weiteres Indiz dafür, dass der Schwertransport die Dauerbaustelle im Kreuz Kaiserberg mit gesperrten Fahrstreifen und mehreren Brücken nicht passieren kann.

Die stattdessen nun zweimal gefahrene Route an Rhein und Ruhr (siehe Karte): Von der A3 ging es Richtung Westen auf die A40, dann im Kreuz Duisburg (A40/A59) auf die A59 Richtung Dinslaken. Der nächste Richtungswechsel erfolgte wie am 8. November im Kreuz Nord (A42/A59): Über die A42 fuhr die Kolonne zurück auf die A3 in Oberhausen. Die weiteren Stationen: das Kreuz Oberhausen, die A2, das Dreieck Bottrop (A2/A31) und die Autobahn 31. Über diese ging es an Gladbeck und Bottrop vorbei Richtung Münsterland.

Ein beladener Castor aus Jülich wiege 25 Tonnen, eine beladene Transporteinheit insgesamt 130 Tonnen. Das erklärte zuletzt Jörg Kriewel, Sprecher der für den Atommüll und die Transporte verantwortlichen Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN). Zur Streckenführung leerer und möglicherweise später befüllter Castor-Transporte gebe auch die JEN keine Auskunft. Diese sei „Teil des Genehmigungsverfahrens“ durch das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) und unterliege der Geheimhaltung, so Kriewel.

BUND-Vorsitzende: Weg über Berliner Brücke „unverantwortlich“

Die JEN will mit den Leerfahrten jedoch möglichst realistisch die Abläufe testen, die später mit den rund 300.000 Brennelement-Kugeln aus einem früheren Versuchsreaktor in 152 Castor-Behältern folgen sollen. Die nun erneut getestete Strecke wären im Falle der Castor-Transporte von Jülich nach Ahaus jedoch „eine mögliche Route“, so Kriewel.

Die Duisburger BUND-Vorsitzende Kerstin Ciesla lehnt die ihrer Auffassung nach „völlig unnötigen“ Atommülltransporte quer durch NRW in „30 Jahre alten Castor-Behältern“ grundsätzlich ab (siehe Infobox). Zur Strecke durch Duisburg meint sie: „Wir hier in Duisburg machen uns Sorgen und Gedanken darüber, wie lange die alte Berliner Brücke noch hält, und die wollen da 130 Tonnen schwere Transporte mit Atommüll drüberschicken? Das wäre unverantwortlich“. Die A59 führt über den Brückenzug, der eine Restnutzungsdauer bis 2029 hat.

Nach Cieslas Ansicht zeige der aufwendige Großeinsatz, dass die Ahaus-Option gescheitert sei: „Selbst der Transport des leeren Probe-Castor ist offenbar nur mit massivem Polizei-Einsatz möglich. Dabei hat die Polizei in Zeiten von antisemitischen und rassistischen Straftaten und einer anstehenden Fußball-EM Wichtigeres zu tun, als dem Forschungsstandort Jülich den Atommüll vom Hals zu schaffen.“

Platzverweise in Oberhausen, Protest in Ahaus

Vorausfahrende Einsatzkräfte hatten in der Nacht die Brücken über dem Fahrtweg kontrolliert – und Menschen an der Strecke. Nach Angaben von Bündnissen, die sich gegen die Transporte einsetzen, sollen auch „Zivilfahnder“ beteiligt gewesen sein. Zwei Personen hätten auf einer Brücke über der Autobahn A2 bei Oberhausen-Königshardt ein Banner gehalten, sagte eine Polizeisprecherin. Sie hätten nach eigenen Angaben eine Mahnwache abhalten wollen. Die Polizei habe den beiden Platzverweise erteilt. Zuvor hatten am Dienstagabend etwa 150 Menschen in Ahaus in der Nähe des Zwischenlagers für radioaktive Abfälle gegen die geplante Probefahrt demonstriert.

Ahaus oder Jülich? Entscheidung noch nicht gefallen

  • Ob die 152 Jülicher Castor-Behälter in ein Zwischenlager in Ahaus transportiert werden, steht noch nicht fest. Den Transport bevorzugen die drei Bundesministerien für Forschung, Umwelt und Finanzen. Die schwarz-grüne Landesregierung NRW hatte im Koalitionsvertrag festgelegt, Atomtransporte vermeiden und den Neubau eines Zwischenlagers in Jülich vorantreiben zu wollen. Das Land sei von „Entscheidungen auf Bundesebene“ abhängig, sagte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) zuletzt.
  • Duisburgs BUND-Vorsitzende Kerstin Ciesla fordert den Neubau eines Zwischenlagers in Jülich: „Dort gibt es bereits ein Zwischenlager für den Reaktor, dort ist das Know-how. Dies fordert auch die Stadt Jülich. Das Zwischenlager in Ahaus ist nur bis 2O36 genehmigt, bis dahin wird es kein Endlager geben. Also warum so tun, als würde man das Problem durch den Transport lösen, wenn es nur unnütze Verschiebereien sind?“
  • Die JEN bereitet parallel beide möglichen Optionen, den Neubau in Jülich wie den Transport nach Ahaus vor. Sie erwartet eine Transportgenehmigung des Bundesamtes für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in den nächsten Monaten.
  • Fragen und Antworten zu den Castor-Transporten von Jülich nach Ahaus: zum Hintergrund-Artikel