Duisburg. Premiere von Woyzeck im Theater Duisburg: Das Jugendensemble „Spieltrieb“ interpretiert Büchners Klassiker neu. Warum es an seine Grenzen gerät.
Mit Damira Schumachers Inszenierung von Georg Büchners „Woyzeck“ könnte „Spieltrieb – Der Jugendclub am Duisburger Theater“ wahrscheinlich auch locker das große Haus füllen. Das Stück ist zurzeit nämlich Pflichtlektüre im Deutsch-Abitur. In Duisburg hat man sich aber für die kleine Bühne im Foyer III entschieden, wo zwar nur wenige Besucher zugelassen sind, diese aber hautnah am Geschehen sitzen.
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Woyzeck im Duisburger Theater: „Spieltrieb“ besetzt alle Rollen mit jungen Frauen
Beim Blick auf den Besetzungszettel staunt man, denn alle Rollen in diesem Stück um die Ausbeutung des Soldaten Woyzeck, egal ob Mann oder Frau, sind mit Frauen besetzt. Auswirkungen auf die Anlage der Charaktere und ihre Interpretation hat diese queere Besetzung dann aber doch nicht, denn die Darstellerinnen spielen die Figuren mit dem Geschlecht, das ihnen von Büchner zugeordnet ist.
Das Stück handelt vom Soldaten Woyzeck, der von seinem Hauptmann schikaniert und von einem Doktor für medizinische Experimente missbraucht wird. Zudem wird er von seiner Freundin Marie, mit der er ein Kind hat, mit einem Tambourmajor betrogen. Mangelernährung und die Misshandlungen durch die Gesellschaft treiben Woyzeck immer mehr in den Wahnsinn.
Die Inszenierung von Damira Schumacher ist in der Zeichnung der Charaktere stärker als in der Beschreibung der Gesellschaft, in der das Stück spielt. Eigentlich befinden wir uns in einer Garnisonsstadt des frühen 19. Jahrhunderts. Schumacher versucht das Stück in die Gegenwart zu übertragen, bleibt aber zu diffus. Anstatt das Stück im Bundeswehrmilieu anzusiedeln, kleidet Kostümbildnerin Sofia Dorazio Brockhausen die Soldaten in einfarbige Overalls.
Der Versuch, das Stück in die Gegenwart zu holen, ist nicht immer erfolgreich
Als Woyzeck trägt Lulu Feuser blaue Kleidung. Sie braucht einige Zeit, um sich warmzuspielen, traut sich anfangs noch nicht, den Wahnsinn und das Gehetzte der Figur auszuleben. Erst in den eifersüchtigen Wutanfällen gegen Marie spielt sie sich frei.
Bei der Marie von Michelle de Silva wundert man sich, dass sie Woyzeck betrügt, denn anfangs wird sie ihm gegenüber sehr liebevoll dargestellt. Dass sie ihr unehelich geborenes Baby als „Hurenkind“ bezeichnet, passt nicht in den Versuch, das Stück in die Gegenwart zu holen.
In der Rolle des Doktors dreht Jose Grunow direkt voll auf. Größenwahn und Irrsinn dieser Figur, die Woyzeck zwingt, sich nur von Erbsen zu ernähren, werden großartig und mit komödiantischem Gespür ausgespielt. Lucy Mathias, die den schikanierenden und herumschreienden Hauptmann verkörpert, könnte mehr Arroganz brauchen.
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Sehr ungenau ist der Tambourmajor von der Regie interpretiert. Felia Weigelt, die in einem rosa Overall gekleidet ist, darf sich beim Aufmarsch der Soldaten erst als schöngeistiger Geiger zeigen, bevor sie dann zum brutalen Macho und Kneipenschläger wechselt, als der die Rolle von Büchner gedacht ist.
Bleibt das Militär in dieser Aufführung ungenau beschrieben, so gelingen Damira Schumacher starke Wirtshausszenen. Bei Nachtclub-Atmosphäre zeigt die Regisseurin eine Gesellschaft, die nichts mit sich anzufangen weiß und sich zu Tode amüsiert. Überzeugende Auftritte haben hier Angelina Wössner als ausgelassen-überdrehte Dompteurin und Lea Sehlke als verspielter Affe.
Die von Rabea Stadthaus als Bühnenbild entworfene Röhrenkonstruktion wird in der Inszenierung zu wenig genutzt. Eigentlich reichen die jungen Akteure aus, um die Bühne mit ihrem Spiel zu füllen.
>> Der Jugendclub des Duisburger Theaters führt „Woyzeck“ noch mehrfach auf
- Georg Büchners Drama beruht auf einem historischen Mordfall aus dem Jahr 1821, bei dem erstmals die Schuldfähigkeit des Täters diskutiert wurde.
- Bis zum 16. Februar wird „Woyzeck“ noch 12-mal gespielt. Interessierte Besucher sollten sich beim Kartenkauf beeilen, denn viele Vorstellungen sind schon ausverkauft.
- Weitere Infos und Restkarten gibt es auf theater-duisburg.de