Duisburg. Ein Stück Duisburg als unverzichtbarer Bestandteil: Eine Duisburger Firma stattet die großen Kreuzfahrtschiffe der Welt aus – auch die Aida.

342 Meter lang, 46 Meter breit, 2500 Kabinen: Wenn eines der weltweit größten Kreuzfahrtschiffe „Global Dream“ 2025 in See sticht, ist ein Stück Duisburg mit an Bord. Und zwar ein ebenso wichtiges wie schwerwiegendes: Der Anker stammt aus der Duisburger Kettenfabrik. Dort wird der tonnenschwere Koloss gefertigt – und das fast vollständig in Handarbeit.

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Versteckt zwischen Häusern liegt mitten im Wohngebiet an der kleinen Wildstraße der Eingang zu Europas Marktführer auf dem Gebiet der Anker. „Von den Seeankern kommen 90 Prozent von uns“, sagt Geschäftsführer Volker Domagala; 90 Prozent der in Europa hergestellten. Die Duisburger Kettenfabrik beherrscht die Weltmeere. „Es gibt nur fünf Werften, die für die großen Kreuzfahrtschiffe überhaupt geeignet sind. Da beliefern wir vier von.“

In diesem Hinterhof der Wildstraße in Neudorf produziert der europäische Marktführer in Sachen Anker seine Ware: die Duisburger Kettenfabrik.
In diesem Hinterhof der Wildstraße in Neudorf produziert der europäische Marktführer in Sachen Anker seine Ware: die Duisburger Kettenfabrik. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Duisburger Firma liefert Anker für Kreuzfahrtschiffe Aida – unter anderem

500 Anker laufen vom Neudorfer Hinterhof pro Jahr vom Stapel. Bis zu 20 Tonnen wiegt einer für Kreuzfahrtschiffe wie die der berühmten Aida-Flotte, deren Schiffe regelmäßig mit Ankern aus Duisburg ausgestattet werden. Kein Wunder: Zwei Stück halten das Gewicht von Ozeanriesen, deren größte Exemplare 200.000 Tonnen auf die Wellen bringen.

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Alles beginnt mit Stahl. Zum Beispiel von Thyssen und damit lokal produziert. Höchstens 220 Millimeter misst das Stahlblech, wenn es die Duisburger Kettenfabrik erreicht. In der Grobschmiede wird das Material bei bis zu 1150 Grad in Form gehämmert. Nur ein Schritt auf dem Weg zum fertigen Anker ist digitalisiert: das Ausfräsen der Form; jeder Anker besteht aus unzähligen Schichten Stahlblech, die zur nötigen Dicke zusammengeschweißt werden. Der Rest ist Handarbeit. Die Mitarbeiter der Duisburger Kettenfabrik halten sich an einen Entwurf aus den 1960er Jahren: „Mein Vater hat unseren Anker konstruiert“, sagt Domagala.

Fast alles bei der Herstellung der Anker für Duisburg ist Handarbeit.
Fast alles bei der Herstellung der Anker für Duisburg ist Handarbeit. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Der Geschäftsführer ist auf dem Firmengelände aufgewachsen. Sein Vater stieg 1961 als Betriebsleiter ein, die Familie wohnte direkt über dem Hof. Schon im Alter von fünf, sechs Jahren habe er die Frage nach seinem künftigen Berufswunsch so beantwortet: „Ich werd’ mal Chef von der Kettenfabrik!“

1990 wird der Kinderspruch wahr: Zusammen mit seinem Vater übernimmt der studierte Ökonom Volker Domagala den Betrieb. Heute stecken in 127 Jahren Firmengeschichte – 1896 wurde die Duisburger Kettenfabrik und Hammerwerk H. d’Hone GmbH gegründet – 62 Jahre Domagala.

Geschäftsführer Volker Domagala vor einem Anker. Die Seitenteile – Flunken genannt – graben sich über ihre volle Länge in den Meeresboden.
Geschäftsführer Volker Domagala vor einem Anker. Die Seitenteile – Flunken genannt – graben sich über ihre volle Länge in den Meeresboden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Anker für Containerschiffe, Wasserschutzpolizei und eben Kreuzfahrtschiffe, ob auf einem Fluss oder auf dem Meer: „Wir machen Anker von sechs Kilogramm bis 20 Tonnen.“ 80 Prozent des Geschäfts sind Anker, der Rest Spezialaufträge.

Anker sind zwar langlebig, eigentlich „halten die für die Ewigkeit“, sagt der Geschäftsführer. „Ich hab’ in 33 Jahren noch nicht eine Reklamation gehabt.“ Zum Glück fürs Geschäft gilt das nicht für die Kette, die den Anker an Bord hält: „Die Schiffer verlieren die Anker ab und zu. Es brechen irgendwann die Ketten.“ Die kommen übrigens nie aus Duisburg: „Sämtliche Ankerketten weltweit werden in China produziert.“

70.000 Euro kostet ein Anker für ein Kreuzfahrtschiff – mit Stahl made in Duisburg

Ebenso wie viele Anker. 70.000 Euro kostet einer der großen Anker für ein Kreuzfahrtschiff, wenn die Reederei ihn bei der Duisburger Kettenfabrik bestellt. Aus China, sagt Domagala, seien es „ein Drittel bis die Hälfte“. Diese Billiganker bestünden aus Gussstahl – mit gravierenden Nachteilen. „Wir stellen ein Roggenvollkornbrot her: flexibel und homogen. Ein Anker aus Gussstahl ist wie ein Weißbrot: viele Luftlöcher, nicht so flexibel, bricht schneller.“

Noch dazu sei die Kettenfabrik schneller: Vier bis sechs Monate Lieferzeit gebe es bei Ankern aus Fernost. „Wir können jeden Anker, jede Größe innerhalb von 14 Tagen liefern.“

Wie viel wiegt der Aida-Anker aus Duisburg? Für die richtige Antwort gibt’s beim Kreuzfahrt-Quiz einen Cocktail. Wir verraten sie.
Wie viel wiegt der Aida-Anker aus Duisburg? Für die richtige Antwort gibt’s beim Kreuzfahrt-Quiz einen Cocktail. Wir verraten sie. © Duisburger Kettenfabrik DKF D'Hone

Der nächste Aida-Auftrag kommt bestimmt. Inzwischen ist Volker Domagala auch selbst mal mitgefahren auf den Schiffen, die mit Duisburger Ankern an die Kette gelegt werden. Und hörte eine Quizfrage, die er mit Leichtigkeit hätte beantworten können – aber nicht wollte: „Wie schwer ist der Anker, und wie lang ist die Kette?“

Der Geschäftsführer der Kettenfabrik schwieg. Wer es anders machen will und sich auf der nächsten Kreuzfahrt einen Cocktail verdienen will, dem sei die Antwort verraten: 6225 Kilogramm und 632,5 Meter.