Duisburg. In der Operette „Orpheus in der Unterwelt“ verdreht die emanzipierte Eurydike den Göttern den Kopf. Doch die Duisburger Inszenierung übertreibt.
Barrie Kosky ist zurzeit einer der weltweit gefragtesten Opern-Regisseure. Von ihm stammt auch die aktuelle „Zauberflöte“, die in Duisburg gespielt wurde. Seine Inszenierung von Jacques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ hatte jetzt als Koproduktion mit den Salzburger Festspielen und der Komischen Oper Berlin ihre Duisburger Übernahme-Premiere im Stadttheater. Zu erleben ist ein grell-bunter, mitunter überdrehter und temporeicher Abend.
Seit ihrer Uraufführung im Jahr 1858 ist Offenbachs Parodie auf die griechische Mythologie ein Klassiker der Operette: Orpheus ist hier ein Geigenprofessor. Er und seine Frau Eurydike gehen regelmäßig fremd. Nur auf Druck der öffentlichen Meinung, die in Person einer Sängerin auftritt, sollen sich die beiden zusammenraufen. Zudem wird Eurydike vom Gott Pluto in die Unterwelt entführt und Göttervater Jupiter wirbt auch noch um sie.
Operette „Orpheus in der Unterwelt“ in Duisburg: Emanzipierte Eurydike
Bühnenbildner Rufus Didwiszus lässt den Ehestreit des Paares in einem großbürgerlichen Schlafzimmer des 19. Jahrhunderts spielen. In der Unterwelt sieht man ein riesiges Feuerrad, auf dem ein geflügelter Teufel reitet. Regisseur Barrie Kosky erfindet die Geschichte nicht neu, sondern erzählt sie bunt und mit viel guter Laune nach. Eurydike ist eine selbstbewusste und emanzipierte Frau, die sich ihre Liebhaber aussucht, wie es ihr gefällt. Elena Sancho Pereg singt ihre Rolle mit funkelndem Sopran.
Der besondere Clou dieser Inszenierung ist, dass die umfangreichen Dialoge nicht von den Operndarstellern selbst gesprochen werden, sondern vom Schauspieler Max Hopp synchronisiert werden. Der spielt eigentlich die komische Rolle des John Styx, der erst im dritten Akt auftaucht, doch hier ist er in jeder Szene dabei und spricht in unterschiedlichen Tonlagen alle Charaktere und sorgt dazu noch für die Geräuschkulisse von knarrenden Türen, Schritten, Schlürfen und was es sonst noch alles gibt. Max Hopp macht das virtuos und so perfekt, dass man oft vergisst, dass er mit auf der Bühne steht.
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Trotz des frechen Witzes dieser Inszenierung übertreibt es Barrie Kosky jedoch in einigen Szenen, was dazu führt, dass die Gags verpuffen. Ein weiteres prägendes Merkmal dieser Aufführung ist die zwölfköpfige Tanzgruppe, für die Otto Pichler aberwitzige Choreographien entworfen hat. Da gibt es ein schrilles Bienenballett, tanzende Teufel und auch der Can-Can, der große Ohrwurm dieses Stückes, wird in einer queeren Choreographie umgesetzt. Frauen und Männer tanzen gemeinsam im Rüschenrock, im Finale sogar mit nacktem Oberkörper, bei dem nur die Brustwarzen abgedeckt sind.
Die vielen Rollen sind trefflich besetzt: Andrés Sulbaran singt den Orpheus mit hellem Tenor, scheut aber auch vor grellen Farben nicht zurück. Mit resolutem Mezzo gibt Susan MacLean die öffentliche Meinung. Florian Simson gefällt als Pluto mit leichtem Spieltenor. Bei den olympischen Göttern trumpfen Romana Noack als kraftvoll-kecker Cupido und Heidi Elisabet Meier als fröhlich-frivole Venus auf.
Duisburger Philharmoniker spielen ausgelassen und fröhlich
Die Duisburger Philharmoniker zeigen sich unter dem Dirigat von Adrien Perruchon bei bester Laune und spielen einen ausgelassenen und fröhlichen Offenbach, wie man es sich wünscht. Der komödiantische Funkenflug dieser Aufführung trifft auch das Duisburger Publikum, das alle Beteiligten feiert, tosenden Jubel gibt es für die Eurydike von Elena Sancho Pereg und den Schauspieler Max Hopp.
>> Weitere Aufführungen von „Orpheus in der Unterwelt“
● „Orpheus in der Unterwelt“ ist in Duisburg noch sieben Mal zu sehen, nämlich am 2., 6., 8., 10., 13., 14. und am 18. Oktober.
● Danach wandert die Inszenierung weiter nach Düsseldorf (26. Oktober bis 7. November) und Berlin (1. bis 29. Dezember). In allen Städten spielt Max Hopp den John Styx.