Duisburg. Die Kritik an der Ausländerbehörde in Duisburg reißt nicht ab. Eine neue Initiative protestiert gegen „strukturellen Rassismus“ der Stadtspitze.
Mit Protestaktionen vor den Außenstellen der Ausländerbehörde Duisburg in Homberg und Hamborn sowie vor dem Hauptbahnhof haben Geflüchtete und ihre Unterstützer ihrem Ärger über die teilweise jahrelangen Wartezeiten auf die Bearbeitung ihrer Anträge und Unterlagen Luft gemacht. „Yallah Ausländerbehörde“ nennt sich eine neue Initiative – das arabische Wort bedeutet soviel wie „Auf geht’s“ oder „Beeilung“.
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„Auf den Namen ist einer der Betroffenen aus Syrien gekommen, der seit 2020 auf einen neuen Aufenthaltstitel wartet“, berichten Mira Schmitz und Ibo Özcan, die Initiatoren der Proteste. „Wir sind politisch und in der Flüchtlingshilfe engagiert, kennen in unserem Umfeld viele, die unter der Unterbesetzung der Behörde leiden“, berichten die Rheinhauserin und der Marxloher, den in Duisburg viele als Rap-Musiker und Leiter von Rap-Workshops in Schulen und Jugendeinrichtungen kennen.
Protest gegen tatenlose Stadtspitze, nicht gegen die Beschäftigten
Der Protest richte sich ausdrücklich nicht gegen die Mitarbeitenden der Ausländerbehörde, betonen Schmitz und Özcan. „Wir kennen viele der Beschäftigten aus Duisburg und anderen Städten und wissen, dass sie selbst unter der extrem hohen Arbeitsbelastung leiden.“ Ihre Kritik richtet sich gegen die Stadtspitze, die der seit Jahren prekären Lage viel zu lange tatenlos zugesehen habe.
„Die Probleme sind hausgemacht und in Duisburg besonders schwerwiegend“, schreibt die Initiative in einem offenen Brief an OB Sören Link und Thomas Freitag, den Leiter der Ausländerbehörde. „Strukturellen Rassismus“ nennt das Ibo Özcan: „Die Stadt hat die Pflicht, den Menschen zu helfen. Dazu sollte es keines öffentlichen Drucks bedürfen.“
Gerüchte: Kriminelle Machenschaften mit dem Verkauf rarer Termine
Die Kritikpunkte sind hinlänglich bekannt: Telefonisch ist die Behörde nicht erreichbar, eine persönliche Vorsprache ist selbst für die Klärung von Kleinigkeiten nicht möglich. E-Mails werden, wenn überhaupt, erst nach Wochen oder Monaten bearbeitet. „Die Gerüchte über mögliche Terminverkäufe durch Kriminelle, die sich am Leid der Geflüchteten bereichern, sind Ihnen ebenfalls bekannt“, heißt es im Brief. So verzögere sich die Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder die Zusammenführung von Familien manchmal über Jahre.
„Anträge zur Umverteilung oder Aufhebung von Wohnsitzauflagen werden erst nach vielen Monaten bearbeitet. Wir kennen eine Familie, die aufgrund einer Schwangerschaft bereits im März die Aufhebung der räumlichen Beschränkung für die werdende Mutter beantragt hat. Bis heute wurde über den Antrag nicht entschieden, die Geburt des Kindes steht kurz bevor“, berichtet die Initiative. „All das behindert die Integration, weil die Menschen sich hier kein neues Leben aufbauen können“, sagt Ibo Özcan.
Kritik: Mit Passpflicht finanziert Deutschland das syrische Terror-Regime
Eine erhebliche Hürde sei auch die Passpflicht, wonach etwa Syrer nur mit einem gültigen Nationalpass einen Aufenthaltstitel beantragen können, beklagt „Yallah Ausländerbehörde“: „Schutzbedürftige werden gezwungen, ihren Verfolgerstaat zu finanzieren, mit freundlicher Unterstützung deutscher Behörden. So fließen trotz internationaler Sanktionen jährlich 100 Millionen Euro aus Deutschland nach Syrien und füllen fröhlich die Kriegskasse von Diktator Assad.“
Die Einrichtung einer Rezeption zur Abgabe und Aushändigung von Dokumenten, mehr Personal, telefonische Erreichbarkeit und mehr Termine sind deshalb Forderungen an die Stadtspitze. Geltende Gesetze und Vorschriften kann Duisburg nicht im Alleingang ändern, weiß auch Ibo Özcan. „Wir planen deshalb auch eine Protestaktion vor dem NRW-Innenministerium in Düsseldorf“, kündigt der 24-Jährige an. „Wir werden weiter Druck machen, damit sich die Situation verbessert und für Schutzbedürftige ein würdiges Leben in Deutschland möglich ist.“
>> STADT: VERBESSERUNGEN BRAUCHEN NOCH ZEIT
- In ihrer Antwort auf eine Anfrage des TV-Senders Studio 47 verweist die Stadt auf die Besetzung von 15 vakanten Stellen in der Ausländerbehörde. Die Wirksamkeit der Verstärkung werde aber „noch einige Monate“ auf sich warten lassen, denn die Einarbeitung in die komplexe Materie des Ausländerrechts erfordere Zeit.
- Zeitersparnis verspricht sich die Behörde auch von der Einführung der elektronischen Akte, die Digitalisierung des Bestandes läuft seit dem Frühjahr. Entlastung bringen auch Kräfte des städtischen Dienstleisters Octeo, der in den Bezirksämtern die Übertragung der Aufenthaltstitel in die neuen türkischen Pässe übernommen hat.