Duisburg. In Duisburgs Untergrund liegt eine Haltestelle, die kaum jemand kennt. Warum in dem Geisterbahnhof wohl niemals eine U-Bahn halten wird.

  • In den 1980er Jahren wurde in Duisburg-Neudorf ein U-Bahnhof gebaut.
  • Doch in dem heutigen Lost-Place hielt noch nie eine U-Bahn.
  • Die Haltestelle ist ein Beispiel für die verfehlte Verkehrsplanung vergangener Jahrzehnte.

Duisburgs geheimste Bahn-Haltestelle liegt in Neudorf: Der Geisterbahnhof unter Carstanjens Garten wurde in den 1980er Jahren gebaut, aber nie fertig gestellt. Fahrgäste haben den Stopp, der 22 Meter tief liegt, deshalb noch nie betreten. Eine Erinnerung an das verborgene Städtebauprojekt, das viel über die Verkehrsgeschichte von Duisburg erzählt.

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Auf Fotos ist erkennbar: Das Projekt ist noch immer eine Baustelle – eine ziemlich saubere sogar. Die Gleise fehlen, das Holz-Treppengeländer sieht etwas provisorisch aus. Unter der Betondecke laufen braune Entwässerungsrohre entlang, die aussehen, als wären sie eben erst installiert worden. Ein klassischer Lost-Place, und doch ist es hier ganz anders als in so manchem verlassenem Gebäude der Deutschen Bahn (DB): Es liegt kaum Staub im Untergrund, es wachsen keine Pflanzen, es gibt keine Kaugummi-Reste am Boden oder Graffiti an den Wänden. Nur wenige dürfen hier unten hin. Wo sich der Einstieg befindet, soll geheim bleiben.

Îm Duisburger Geisterbahnhof müssen regelmäßig Kontrollen stattfinden

Fast fertig, nur die Gleise fehlen. In 22 Metern Tiefe liegt der Geisterbahnhof.
Fast fertig, nur die Gleise fehlen. In 22 Metern Tiefe liegt der Geisterbahnhof. © Stadtwerke Duisburg | Michael Neuhaus

In Schuss gehalten wird das Bauwerk trotzdem: Alle zehn Jahre finden große Kontrollen statt. „Unterirdische Bauwerke unterliegen keiner Witterung“, erklärt Udo van Laak, Sachgebietsleiter im Bereich Stadtbahn beim Amt für Stadtentwicklung und Projektmanagement, das Phänomen. „Sie haben deshalb eine Lebensdauer von weit mehr als 100 Jahren – das alles hier ist also quasi nagelneu.“

Die Vorgeschichte zu der nicht vollendeten Haltestelle ist lang. „In den Jahren 1967 bis 1969 stellte das Land NRW diverse Verkehrs- und Entwicklungsprogramme auf, die ein regionales Stadtbahnnetz vorsahen. Diese sahen vor allem Nord-/Süd-Linien vor, die die überwiegenden Ost-/West-Linien der Deutschen Bahn ergänzen sollten“, erinnert Stadtsprecherin Gabi Priem an die Hintergründe.

Die Verkehrswende war schon in den 1960er Jahren ein Thema

Schon damals gab es Überlegungen zu einer Verkehrswende. Um den zunehmenden Autoverkehr auf den Straßen einzugrenzen, war es Anfang der 1970er Jahre eine Zielsetzung des Landes NRW, die Verkehrsteilnehmer häufiger zur Nutzung von Bus und Bahn zu bewegen. Hierzu sollte ein Verkehrsmittel geschaffen werden, das „frei von Behinderungen auf eigenem Gleiskörper“ verkehren kann.

Bis 1992 fuhr die Straßenbahn über die Königstraße. Danach wurde die Fußgängerzone eingerichtet und die Bahn verkehrt seitdem unterirdisch.
Bis 1992 fuhr die Straßenbahn über die Königstraße. Danach wurde die Fußgängerzone eingerichtet und die Bahn verkehrt seitdem unterirdisch. © Stadtarchiv | Dr. Michael Kanther

Der Stadtbahnbau im Ruhrgebiet erfolgte mit erheblicher finanzieller Förderung vom Bund und Land. Dazu wurde extra das „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ verabschiedet. Im Juli 1969 wurde der erste Grundstein für den Stadtbahnbau im gesamten Ruhrgebiet gelegt – ausgerechnet in Duisburg, an der Station „Neuer Friedhof“. Dieser war Teil der Stadtbahn-Südstrecke, die die Innenstädte von Duisburg und Düsseldorf verband. Die Südstrecke wurde im Jahr 1976 fertiggestellt.

Bereits zwei Jahre zuvor, 1974, war mit dem aufwendigen Bau der unterirdischen Stadtbahn in der Innenstadt begonnen worden. „Bei den Planungen für den Bau wurden unter anderem auch städtebauliche Aspekte berücksichtigt. Durch den Entfall der Straßenbahnanlagen auf der Königstraße konnte zum Beispiel ein großstädtischer Boulevard mit einer Lindenallee und künstlerisch gestalteter Brunnenanlagen entstehen“, blickt Stadtsprecherin Gabi Priem zurück.

Im Juli 1992 wurde die U-Bahn in der City dann in Betrieb genommen – „unter großer Anteilnahme der Bevölkerung“, wie es in einem Bericht heißt. Die Strecke Richtung Norden wurde im September 2000 eingeweiht. „Das war eine weitere gravierende Verbesserung des ÖPNV in Duisburg“, so Priem. Heutzutage gibt es freilich häufiger Schienenersatzverkehr im Norden und die DVG macht mit Problemen an den Straßenbahnen Schlagzeilen.

Stadtbahnnetz: Der Stadt Duisburg ging das Geld aus

Unterhalb der Mülheimer Straße, im Bereich Carstanjens Garten, befindet sich der Geisterbahnhof.
Unterhalb der Mülheimer Straße, im Bereich Carstanjens Garten, befindet sich der Geisterbahnhof. © DVV | Andreas Kamps

Heute umfasst das Stadtbahnnetz für die U79 in Duisburg rund 21 Kilometer Streckenlänge, davon verlaufen neun Kilometer unterirdisch und zwölf Kilometer oberirdisch. Es gibt elf Bahnhöfe, davon acht in Tief- und drei in Hochlage sowie 13 Haltestellen. Die Investitionskosten hierfür betrugen damals rund 1,5 Milliarden Euro.

Und der Bahnhof Carstanjens Garten ist da nicht mitgezählt – er ist ja nie in Betrieb gegangen. Einen Architektenwettbewerb hatte es damals schon gegeben. Und für einen rund 970 Meter langen unterirdischen Streckenabschnitt, der bis zur Kreuzung Mülheimer Straße/Schweizer Straße/Sternbuschweg gehen sollte, lag auch ein Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidenten in Düsseldorf vor.

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Doch dann wurde das Projekt jäh gestoppt. Der Stadt ging das Geld aus. „Ein Kilometer unterirdische Strecke kostet etwa 100 Millionen Euro, überirdisch sind es nur 20 Prozent davon“, erklärt Udo van Laak.

Als die Finanzierung wackelte, verabschiedete sich die Stadt daher 1981 von der ursprünglichen Idee, die Hauptstrecke Richtung Mülheim noch weitere 600 Meter unterirdisch bis kurz vor die Koloniestraße verlaufen zu lassen. Stattdessen fahren dort nun Busse. So konnte sichergestellt werden, dass die Stadtbahn möglichst rasch in Betrieb ging. „Rasch“ dauerte dann aber doch bis 1992.

U-Bahn könnte Richtung Mülheim weiter geführt werden – sehr wahrscheinlich ist das nicht

Trotz Projektstopps wurde die Haltestelle Carstanjens Garten trotzdem noch von 1981 bis 1984 gebaut – mit dem Wissen, dass es ein Geisterbahnhof werden würde. Die Fertigstellung sollte den Duisburger Stadtplanern alle Möglichkeiten offen halten.

Theoretisch ist es also möglich, dass die U-Bahn noch weiter gebaut wird. „Die im Planfeststellungsbeschluss vorgesehene Tunnellösung bis zur Kreuzung Mülheimer Straße/Schweizer Straße/Sternbuschweg könnte aufgrund damaliger bautechnischer Vorkehrungen grundsätzlich weiterhin realisiert werden“, bestätigt Gabi Priem von der Stadt.

Sehr wahrscheinlich aber ist das wohl nicht, denn: „Dies würde einen enormen bautechnischen und finanziellen Aufwand auslösen und den schienengebundenen ÖPNV in Richtung Mühlheim vermutlich für einen langen Zeitraum unmöglich machen.“

>> Auch die Haltestelle Huckingen-Angerbogen wurde nie fertig gebaut

Der Geisterbahnhof Angerbogen in Duisburg-Huckingen wird seit fast 50 Jahren nur instandgehalten. Nun soll er wenigstens ein bisschen verschönert werden.
Der Geisterbahnhof Angerbogen in Duisburg-Huckingen wird seit fast 50 Jahren nur instandgehalten. Nun soll er wenigstens ein bisschen verschönert werden. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Carstanjens Garten ist nicht der einzige Geisterbahnhof, den es auf den Duisburger Stadtbahnstrecke gibt. Ende der 1960er Jahre meldete die Firma Mannesmann den Bedarf von Wohnungen für rund 20.000 Einwohnern an, der sich aus der wachsenden Mitarbeiterschaft des Stahlwerkes ergeben sollte.

Unmittelbar südlich des Ortsteils Duisburg-Huckingen sollte in Anlehnung an die landschaftlichen und topographischen Gegebenheiten ein Oval von Wohnquartieren entstehen, das von der Stadtbahnstrecke Duisburg-Düsseldorf angebunden wird. „Unter Berücksichtigung des neuen Ortsteiles und des daraus resultierenden Bedarfes der leistungsfähigen ÖPNV-Anbindung entstand die Planung für den Stadtbahnbahnhof Huckingen-Angerbogen“, erklärt Stadtsprecherin Gabi Priem.

Dieser wurde wegen einer, sich ebenfalls in der Planung des Landes befindlichen Modell- und Versuchsstrecke, in sogenannter doppelter Hochlage erstellt. Doch als der Stadtbahnbahnhof „Huckingen-Angerbogen“ im Rohbau annähernd fertig war, verwarf die Firma Mannesmann ihre Pläne für die Wohnbebauung – damit war dann auch die weitere Realisierung des Stadtbahnhofs obsolet.