CSD Duisburg: „Du schwule Sau“ – Beleidigungen sind Alltag

Duisburg. 1000 Menschen haben beim CSD in der Innenstadt Flagge gezeigt. Beleidigungen gehören weiterhin zum traurigen Alltag queerer Menschen in Duisburg.

„Du schwule Sau“ schreit ein Fremder am Samstagvormittag Christian Karus an. Der Organisator des 22. Christopher Street Day (CSD) in Duisburg ist – mit einem Hemd in Regenbogenfarben – gerade auf dem Weg zum Rathaus, um die Veranstaltung zu eröffnen. „Das passiert immer wieder“, sagt er. Solche Reaktionen bestätigen viele Teilnehmer. Dennoch: Friedlich, fröhlich und vielfältig verläuft der bunte CSD in Duisburgs Innenstadt.

Nach dem Hissen der Regenbogenflagge am Rathaus, die für Akzeptanz und Toleranz für diverse sexuelle Neigungen steht, geht es anderthalb Stunden durch die Innenstadt. Dann feiern – laut Polizei – über 1000 Menschen auf der Königsstraße am Forum das bunte und laute Fest im Dunstkreis der Bühne.

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„Wir danken vor allem der Politik in Duisburg, dass sie unser Anliegen unterstützt und wir freuen uns wirklich“, erklärt Christian Karus (45). Bei der Eröffnung des CSD mit dem Motto „Duisburg ist echt queer – mit Sicherheit“ stehen zahlreiche Politiker in der ersten Reihe. Lustvoll und spaßig soll der Tag ablaufen, aber auch politisch und gesellschaftlich bedeutsam. Bunt und fröhlich geht es zu auf dem Weg zur Bühne und davor.

CSD in Duisburg mit Regenbogenflaggen und Hundemasken

Neigungen, die sonst eher in bestimmten Communities im Verborgenen blühen – heute können sie ausgelebt werden. Eine große Gruppe sind „Puppy and Friends“, übersetzt „Welpen und Freunde“. Viele Männer tragen Hundemasken, weil sie gerne Welpen spielen. Um dabei sein zu können, sind sie aus der ganzen Region angereist – vom Münsterland bis Köln, sogar aus Stuttgart sind Teilnehmer dabei.

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Who let the dogs out? Andreas, Philipp, David und Michael (v. l.) streifen sich in ihrer Freizeit Hundemasken über. Als „Wuffel“ oder „Puppys“ treffen sie sich etwa im Landschaftspark Duisburg.

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Viele haben sich Künstlernamen gegeben. Morpheus zum Beispiel heißt eigentlich Sascha und ist 41 Jahre alt. „Wir kennen uns alle untereinander, es fing schon 1974 mit solchen Gruppen an“, sagt er und zeigt für das Gespräch sein Gesicht. Sie sind froh, dass sie die Hundemasken tragen dürfen. „In anderen Städten war das von der Polizei beim CSD verboten, wegen des Vermummungsverbots“, erzählt ein Gruppenmitglied.

Christopher-Street-Day

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Bunt geht es an diesem Tag zu, weil die Regenbogenfarben in vielfältiger Weise leuchten. Manche haben sich die Gesichter, andere den nackten Oberkörper bemalt. Vor allem Jugendliche tragen T-Shirts mit der Aufschrift: „Speak Out Loud, Stay Proud“ (Sprich laut, sei stolz). Die Kanugilde rollt mit eigenem Boot mit, ein Jugendlicher sorgt mit einer Seifenblasenkanone für viel Spaß. Andere halten Schilder hoch: „Solidarität und Schutz für queere Menschen in Uganda“, heißt es da.

Diskussionen und verbale Anfeindungen

An der Ecke Friedrich-Wilhelm-Straße/Mercatorstraße, dort, wo der Zug nach links Richtung Stadtmitte einbiegt, macht eine Gruppe Freie Christen deutlich, was sie von queeren Menschen halten. „Jesus Christus, dein Retter oder Richter. Du entscheidest es selbst“, steht auf ihrem Plakat. „Die haben eine Identitätskrise, Jesus hat Adam und Eva erschaffen, nicht Adam und Peter“, macht einer klar. Die Veranstaltung ist geprägt von viel Spaß, aber auch immer mit politischen Diskussionen und verbalen Anfeindungen.

Menschen mit Migrationshintergrund sind im Zug so gut wie gar nicht vorhanden. Manche sitzen im Park und stehen an den Straßen, zücken das Handy, um das bunte Treiben aufzunehmen, kommen aus dem Kopfschütteln gar nicht heraus und sehen sich, sichtlich skeptisch und angewidert, den Zug an. Nur eine kleine Gruppe zieht ohne Maske mit und hält ein Schild hoch mit der Aufschrift „migrant & queer – wir sind hier“.

Queere Menschen über fehlende Akzeptanz und Probleme in der Schule

Für viele war es schon ein Drama in der Schule. „Wenn noch ein Elternhaus dazukommt, das einem keinen Halt gibt, wird es wirklich problematisch“, sagt Alexander. Er ist mit Felix und Jason in die Innenstadt gekommen, um Freunde zu treffen und einen schönen Nachmittag zu haben. Diskriminierungen jeglicher Art kennen die drei seit langem. Während Alexander viel Rückhalt in der Familie hat, kann Felix davon nur träumen. Der Vater akzeptiert sein Anderssein, die Mutter aber kommt damit überhaupt nicht klar, sagt der 18-Jährige. „Sie beleidigt mich, sagt, ich sei nicht normal.“ Das Thema werde tunlichst vermieden in der Familie. Einfach so genommen zu werden, wie man ist, sei eine Utopie.

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Jason macht eine klare Ansage an die Gesellschaft. „Ich bin hier und ihr werdet mich nicht los“, ist das Statement des Jugendlichen. Als „Müll und Schwuchteln“ beschimpft zu werden, kennen alle. Einen seelischen Panzer gegen solche Anfeindungen von Fremden haben sie sich zugelegt. „Auf solchen Mist reagieren wir gar nicht.“

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Vielfältig negative Reaktionen, vor allem von Menschen mit Migrationshintergrund, hat auch Daniela beobachtet, die auf dem CSD in Berlin und Köln war und jetzt nur Zuschauerin ist. „Alles, was wir uns an Frauenrechten, Freiheit und Demokratie erarbeitet haben, steht auf dem Spiel.“

Béla, der am Stand von Amnesty International Aufklärungsarbeit leistet, kennt die Problematik aus vielen Ländern, in denen queere Menschen verfolgt werden. „Es flüchtet ja kaum jemand ganz alleine. Wenn in den Gruppen, die hier ankommen, queere Menschen sind, können sie trotzdem nicht frei leben, weil es die Gruppen nicht zulassen. Die Menschen bringen ja ihr System und ihre Vorurteile mit.“ Die Frage, ob der CSD noch notwendig ist, beantwortet sich von selbst.