Duisburg-Ruhrort. Seit Mai sind Autos auf dem Neumarkt in Duisburg-Ruhrort teilweise ausgesperrt. Nun soll der Platz belebt werden. Welche Vorschläge es gibt.
Auf dem Neumarkt in Duisburg-Ruhrort ist bald Erntezeit. In den Hochbeeten sprießt der Mangold, die Kartoffeln wuchern ebenfalls. Auch die zweite Info-Veranstaltung zur Umgestaltung des zentralen Platzes in dem Hafenstadtteil verlief überraschend harmonisch. Rund 30 Personen waren ins Umwelt-Lokal gekommen, um sich über die weiteren Pläne für den Neumarkt zu informieren. Vielleicht lag‘s daran, dass das kritische Thema Parken und Verkehr diesmal weitestgehend ausgeklammert wurde, und es vielmehr darum ging, wie der Neumarkt künftig von den Bürgern belebt werden kann. Die Initiative, so viel ist schnell klar geworden, muss nämlich von den Ruhrortern ausgehen, auch wenn das Bezirksamt mit einer kleineren Summe Starthilfe geben will. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie kann die Infrastruktur umgestaltet werden?
Das Entscheidende vorweg: Bei dem Verkehrsversuch handelt es sich aktuell um ein zeitlich befristetes Projekt, das die Bezirkspolitiker vor einigen Monaten einstimmig beschlossen haben. „Bauliche Veränderungen am Platz dürfen nicht vorgenommen werden und wenn beispielsweise Möbel gebaut oder angeschafft werden, kann die Stadt dafür keine Haftung übernehmen“, erklärt Gina Röckelein von der Stadt Duisburg. Hintergrund sind Fördergelder, die vor rund 30 Jahren nach Ruhrort geflossen sind und für die Umgestaltung des Neumarkts verwendet wurden. Würde nun etwas verändert, könnte es sein, dass die Stadt die kompletten Zuschüsse zurückzahlen müsste.
Was wird von den Bürgern gewünscht?
Im Rahmen des ersten Urban-Zero-Festes erklärten zahlreiche Interessierte, dass sie mehr Sitzgelegenheiten auf dem Neumarkt haben wollen. Auch ein Schwarzes Brett, auf dem sämtliche Initiativen und Veranstaltungen angeschlagen werden können, soll installiert werden. Ein Lebensmittelverteiler mit Kühlung, öffentliche Trinkwasserstellen und WLAN statt der alten Telefonzelle sind weitere Vorschläge gewesen. „Ich helfe beim Limo-Baum am Ludgeriplatz und beim Fairteiler in Homberg mit. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viele Lebensmittel noch weggeworfen werden. Wir könnten so eine Stelle in Ruhrort ohne Probleme mit versorgen“, erklärt Martin Liebich.
Nach der Schließung von Edeka - welche Ideen gibt es in Sachen Nahversorgung?
Rund um den Neumarkt stehen zahlreiche Ladenlokale leer. Ende vergangenen Jahres hat der noch verbliebene Edeka geschlossen. Auch der Markt besteht nur noch aus einem Metzger und einem Obst- und Gemüsestand. In der Vergangenheit gab es immer wieder Forderungen, wieder einen Nahversorger anzusiedeln. Auch Duisburg Kontor sollte sich bemühen, dass wieder mehr Markthändler nach Ruhrort kommen. „Der eine oder andere Ältere würde das Angebot jetzt, wo sie wissen, was fehlt, bestimmt wieder gerne nutzen“, vermutet Elfi Ostholt. Die Ruhrorterin ist früher, regelmäßig auf dem Markt einkaufen gewesen.
„Ich weiß, dass von Duisburg Kontor bereits Gespräche geführt wurden und es grundsätzlich schwierig ist, Händler zu finden“, beschreibt Markus Dorok, Manager des Bezirks Homberg/Ruhrort/Baerl. Es wolle kaum noch jemand morgens früh aufstehen, zum Großmarkt fahren und dann unter dem Druck stehen, die Waren bis (nach-)mittags zu verkaufen. Mit dem Problem stehe Ruhrort nicht alleine da, auch in Rheinhausen gab es jüngst Debatten darüber, dass überwiegend Non-Food-Artikel dort angeboten werden und Lebensmittel-Stände rar sind.
Stadt Duisburg hat wenig Einfluss auf wirtschaftliche Entscheidungen von Händlern
Hinzu kommt: Als Stadt könne man ohnehin nicht viel Einfluss nehmen. Es sei die wirtschaftliche Entscheidung der Händler, ob sie sich in Ruhrort ansiedeln. Ein anderer Bürger brachte die Idee ein, dass vielleicht ein Genossenschaft-Markt eine Alternative sei. Die Ruhrorter würden einen Landwirt ansprechen, der seine Ware in dem Hafenstadtteil feilbiete. Dafür müsste man allerdings auch wieder etwas höhere Preise für die Lebensmittel in Kauf nehmen. Stadtplanerin Gina Röckelein blickt voraus: „Sinnvoll ist es, erst einmal eine Bedarfsanalyse zu machen, um zu schauen, wie die Meinung der Ruhrorter ist.”
Welche Einrichtungen wissen die Ruhrorter am Neumarkt zu schätzen?
Da ist vor allem der Kultkiosk Hafenmund zu nennen, der von Auswärtigen oft als Schmuckstück bezeichnet wird. Nach der Corona-Pandemie hat Michael Hollmann allerdings nur noch eingeschränkt mittwochs bis freitags von 10 bis 14 Uhr geöffnet. „Rein rechtlich dürfte der Kiosk 23 Stunden öffnen. Es ist eine wirtschaftliche Entscheidung, die zu diesen Öffnungszeiten führen“, sagt Dorok. Immerhin gebe es mittlerweile auch Gespräche, dass das Gebäude demnächst saniert werden solle, damit es auch wieder ein Hingucker wird. „Das Büdchen gehört zu Ruhrort dazu“, betont eine Diskussionsteilnehmerin.
Wie soll der Neumarkt in den nächsten Monaten belebt werden?
Die ersten Wochen des Verkehrsversuchs haben bereits gezeigt, dass die Ruhrorter bereit sind, sich den Platz zurückzuerobern. Es wurden spielende Kinder gesichtet, die Nachbarn haben ein kleines Fest veranstaltet. Am 22. Juli soll so ein Treffen noch einmal in einer größeren Version stattfinden. Jeder, der mitmachen möchte, bringt sich etwas zu essen und zu trinken mit, und gesellt sich dazu. „Solche Veranstaltungen genehmigen zu lassen, geht mittlerweile einigermaßen schnell“, sagt Martin Liebich, der mit seiner Frau am kommenden Sonntag einen Kleidertausch auf dem Neumarkt veranstaltet.
Vorschlag: Hinterhoftrödel könnte auch mal auf dem Neumarkt stattfinden
Denkbar sei auch, dass künftig Kulturveranstaltungen wie Comedy oder Konzerte auf dem Platz stattfinden. „Wir haben ein kleines Budget für bezirkliche Kulturveranstaltungen“, bestätigt Bezirksmanager Dorok. Außerdem hat das Kreativquartier, das mit dem „Plus am Neumarkt“ ein großer Aktivposten am Platz ist, Gelder für eine kleine Bühne beantragt. Dorok stellt aber auch klar: Je nach Art der Veranstaltung dauert es mit den Genehmigungen länger, etwa, wenn dort Getränke ausgeschenkt werden sollen.
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Ein beliebtes Format soll es künftig auch auf dem Neumarkt geben, so ein Vorschlag: Bei den Ruhrortern und auch Auswärtigen gehört der Hinterhoftrödel zu einer festen Größe. „Ich würde gerne mal mitmachen, aber ich habe gar keinen Hinterhof“, sagt einer. Für den Termin beim Ruhrorter Hafenfest kann Abhilfe geschaffen werden – im „Plus am Neumarkt“ gibt es im Hof noch freie Plätze. Und vielleicht wird ja demnächst auch mal am Neumarkt getrödelt.
Wie geht es nun weiter?
Ratsmitglied Matthias Schneider (Bündnis 90/Die Grünen) glaubt, dass sich die Bezirksvertretung künftig auch um eine personelle Ausstattung für das Projekt Gedanken machen muss, damit die vielen Ideen koordiniert werden – oder sei es auch nur, um so praktische Fragen zu klären wie: Gibt es auf dem Neumarkt irgendwo einen Wasseranschluss?
Die Teilnehmer haben sich mit Gina Röckelein zu einem Workshop verabredet, bei dem nach den Ferien etwa noch mehr Sitzgelegenheiten gebaut werden sollen. Diese sollen dann auf dem Platz aufgestellt werden. Da es keine Lagerungsmöglichkeiten gibt, werden diese weitestgehend draußen stehen. „Aber die Liegestühle sind ja auch noch da“, freut sich Gina Röckelein. Und selbst das Gemüse in den Hochbeeten überlebt, weil der eine oder andere Ruhrorter den Pflanzen einen Schluck Wasser gönnt.