Duisburg. Unseriöse Vertriebler und Betrüger schieben Strom- und Gas-Kunden ungewollte Neuverträge unter. Warum das leicht ist und wie Sie sich schützen.

Die meisten Menschen wissen nicht, wie einfach unseriöse Vertriebler und Betrüger ihnen Strom- und Gasverträge unterschieben können. Die Methoden der Drückerkolonnen im neu entbrannten Wettbewerb der Versorger haben in Duisburg jüngst zu zahlreichen ungewollten Verträgen geführt. Die Verbraucherzentrale hat in den vergangenen Monaten nach eigenen Angeben zudem vermehrt Betrugsversuche zur Anzeige gebracht, berichtet Paulina Wleklinksi, Leiterin der Duisburger Beratungsstelle.

Oft merkten die Getäuschten erst Wochen später, dass sie gegen ihren Willen unfreiwillig ab- und anderswo angemeldet wurden. Als typisches Beispiel nennt Wleklinksi den Fall einer Mittfünfzigerin in Neudorf. Diese erhielt eine Mahnung von Vattenfall, obwohl sie Stadtwerke-Kundin war und keinen neuen Vertrag abgeschlossen hatte. Die Dunkelziffer dürfte groß sein – die Verbraucherberater schlagen Alarm und warnen:

Ungewollte Energieverträge: Wer steckt hinter den Drückerkolonnen?

Seit der Energiepreiskrise 2021/22 setzen Strom- und Gaslieferanten vermehrt auf Akquise und den Direktvertrieb an der Haustür. Darunter sind Discounter, aber auch die großen Konzerne. Die unseriösen Vertriebsleute seien „nicht bei den Energieversorgern angestellt, sondern bei externen Dienstleistern“, erklärt Wleklinksi. „Die Energieunternehmen beauftragen diese Dienstleister, neue Kunden zu gewinnen.“ Für neue Vertragsabschlüsse kassieren die Fremdfirmen Provisionen.

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Mit welchen Methoden werden Verträge an der Haustür untergeschoben?

Die Mitarbeiter der Direktvertriebsfirmen klingeln an der Haustür oder rufen an. Um Endverbraucher zu Vertragsabschlüssen zu bewegen, „verschleiern sie Vertragsinhalte oder machen falsche Versprechungen“, erläutert Wleklinksi.

Die Außendienstler haben es bei ihren Touren darauf abgesehen, zu Namen und Anschriften die dazugehörigen Zählernummern herauszufinden. Denn: „Mit der Zählernummer kann auch ohne Vertragsschluss ungewollt ein Lieferantenwechsel eingeleitet werden“, so Wleklinksi. „Dies ist möglich, da für den tatsächlichen Prozess des Lieferantenwechsels lediglich Name, Adresse und Zählernummer benötigt werden. Eine Kundenvollmacht muss nur im Ausnahmefall vorgelegt werden.“

Oft gehe es den Vertrieblern zudem darum, Unterschriften einzusammeln. Es werde etwa vorgegaukelt, man brauche die Unterschrift nur zur Bestätigung für den Arbeitgeber oder als Nachweis für die Stadtwerke. Immer wieder schreckten sie auch vor Urkundenfälschungen nicht zurück. Wleklinksi: „Wir sehen unter Verträgen oft gefälschte Unterschriften, auch dilettantisch nachgemachte – dann ist es klar Betrug. Und dann gibt es eine Strafanzeige.“

Paulina Wleklinski, Leiterin der Beratungsstelle Duisburg der Verbraucherzentrale NRW, warnt vor den Methoden, mit denen Energieverträge untergeschoben werden.
Paulina Wleklinski, Leiterin der Beratungsstelle Duisburg der Verbraucherzentrale NRW, warnt vor den Methoden, mit denen Energieverträge untergeschoben werden. © FUNKE Foto Services | Tanja Pickartz

Mit welchen Tricks wird bei Anrufen gearbeitet?

Am Telefon drängen Callcenter-Mitarbeiter während ihrer Werbe- und Akquise-Anrufe dazu, sofort E-Mails oder SMS-Nachrichten zu beantworten. Sie gaukeln etwa vor, mit der Antwort werde lediglich die Kontaktaufnahme dokumentiert. Tatsächlich wird die schriftliche Reaktion als Zustimmung zum Anbieterwechsel missbraucht. Denn: Seit 2021 können Strom- und Gaslieferverträge außerhalb der Grundversorgung nicht mehr mündlich abgeschlossen werden. Beide Parteien müssen in Textform bestätigen. Das geht aber auch per E-Mail oder SMS.

Auf wen haben es die Drückerkolonnen abgesehen?

Laut Wleklinksi längst nicht nur auf Menschen mit Migrationshintergrund, die Sprach- und Verständnisprobleme haben, sich mit der Energieversorgung in Deutschland nicht auskennen. „Es gibt keine bestimmte Zielgruppe. Wir haben sehr junge Betroffene ab Anfang 20, aber auch Rentner.“ Die Verantwortlichen „nutzen die Unwissenheit der Leute und jede Gelegenheit“.

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Gibt es besonders Gefährdete?

Mehrfamilienhäuser sind für die Drückerkolonnen von größerem Interesse, weil sie sich einfach Zutritt zum Hausflur und zum Keller verschaffen können, um an Strom- und Gaszählernummern zu gelangen. Eine von der Verbraucherzentrale beratene Duisburgerin beispielsweise wollte einfach nur das Haus verlassen. „Da standen ihr diese Leute vor der Tür im Weg – und sie hat die dann im Rausgehen unbedacht reingelassen“, schildert Wleklinksi eine typische Situation.

Besonders geeignet für die Masche sind einige ältere Mehrparteienhäuser: „In Duisburg gibt es noch Wohnungen in älteren Häusern, da sind die Stromzähler neben der Haustür angebracht.“ Oft steht neben den Geräten, zu welcher Wohnung sie gehören („2. OG links“) – was es für Betrüger noch einfacher macht.

Wie kann ich mich gegen ungewollte Vertragsabschlüsse schützen?

Die Verbraucherzentrale warnt: „Wer an der Haustür nichts unterschreibt und nicht auf eine SMS oder E-Mail eines Anbieters während eines Werbetelefonats antwortet, kann verhindern, ungewollt einen Vertrag abzuschließen.“

Außerdem sollte man vorsichtig mit eigenen Daten und mit der Nummer des eigenen Zählers umgehen. Für die Erstellung eines Angebots brauche ein Anbieter diese Nummer nicht.

Zudem sollte man Fremde nicht einfach ins Haus lassen. Sollten sich diese als Mitarbeiter der Stadtwerke ausgeben: Die dort Beschäftigten können sich mit Dienstausweis legitimieren. Im Zweifel sind telefonische Nachfragen bei Stadtwerken und Netze Duisburg möglich (>> zum Artikel).

Wie kann ich einen untergeschobenen Vertrag widerrufen?

Betroffene müssen rasch reagieren, rät die Verbraucherzentrale: Sie „sollten so schnell wie möglich nicht nur den neuen Energieliefervertrag, sondern auch die Vollmacht zur Kündigung des Altvertrags gegenüber dem neuen Anbieter widerrufen. Nur so besteht die Chance, dass nach erfolgreichem Widerruf der Altvertrag ungekündigt fortbesteht.“ Denn grundsätzlich gelte: „Wer einen Vertrag an der Haustür oder mit Hilfe von Fernkommunikationsmitteln geschlossen hat, besitzt ein 14-tägiges Widerrufsrecht.“

Innerhalb dieser 14 Tage kann der Neulieferant den Altvertrag allerdings bereits gekündigt haben. Eine „wirksame Kündigung“ kann laut Verbraucherzentrale nicht durch einen Widerruf beseitigt werden: „Die Vollmacht muss also vor der Kündigung widerrufen werden.“ Kündigt der neue Anbieter den Versorgungsvertrag dagegen, nachdem die Vollmacht widerrufen wurde, „ist diese Kündigung unwirksam und das Vertragsverhältnis mit dem alten Anbieter besteht zu den ursprünglichen Tarifbedingungen fort.“

Paulina Wleklinksi kennt Fälle, in denen Verbraucher wegen Täuschungsmanövern unbewusst Verträge abgeschlossen haben: „Daher ist ein vorsorglicher Widerruf immer richtig.“ Dieser könne zwar formlos erfolgen – wegen des Nachweises aber am besten per Fax oder Einwurfeinschreiben.

Was mache ich, wenn gar kein neuer Vertrag abgeschlossen wurde?

Was tun, wenn Energieunternehmen Nicht-Kunden mit Begrüßungsschreiben die Belieferung ankündigen, obwohl kein Vertrag abgeschlossen wurde? Dann sollten Empfänger den Vertragsschluss gegenüber dem Absender dennoch schriftlich bestreiten. Denn: „Wenn ein Anbieter einen Vertragsschluss behauptet, muss er diesen im Zweifel auch beweisen. Vorsorglich sollte auch der Widerruf geklärt werden.“

Was tun, wenn ich Betrugsversuche mitbekomme?

Die Verbraucherzentrale bittet darum, solche Fälle bei der Bundesnetzagentur zu melden (www.bundesnetzagentur/beschwerde) oder bei der Verbraucherzentrale: Verbraucherzentrale NRW, Friedrich-Wilhelm-Straße, Telefon: 0203 488 011 01, E-Mail-Adresse: duisburg@verbraucherzentrale.nrw

Informationen zur kostenpflichtigen Rechtsberatung: www.verbraucherzentrale.nrw/node/1439