Duisburg. Seit sechs Jahren bietet der „Wilder Wiener“ in Duisburg österreichische Küche mit besonderem Flair. Wie schmeckt es dort? Wir haben es probiert.

Der Österreicher Walter Portner lässt sich gerne in die Karten gucken, nicht nur in die Speisekarte. In seinem Restaurant „Wilder Wiener“ hängen mehrere Rennräder an der Wand. Offensichtlich radelt der aus Niederösterreich stammende Gastronom gern. Und was an seinem Restaurant „wild“ ist, verrät er in einem „Youtube“-Video, verlinkt auf der Homepage des Restaurants: „Ich mag es überhaupt nicht haben, wenn jemand über Duisburg schimpft. Da werde ich ganz schnell ziemlich pampig. Daher der Name Wilder Wiener.“

Der gelernte Koch betreibt das Restaurant an der Schweizer Straße seit 2017. Das Gästebuch auf der Homepage ist voll mit guten Kommentaren. Einer hat sogar zweimal geschrieben im Abstand von drei Jahren: „Soviel gleichbleibende Qualität in Service und Küche ist über einen langen Zeitraum hinweg in der heutigen Zeit selten geworden.“ Wow, damit liegt die Messlatte hoch. Es wird also Zeit, das renommierte Restaurant einer anonymen Gastrokritik zu unterziehen.

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Atmosphäre: Es hängt sehr viel davon ab, wo man Platz findet. Der vordere Raum mit der Theke ist voller Krimskrams, der für Gemütlichkeit sorgen soll. Jede Menge Emaile-Schilder mit geistreichen oder humorvollen Sprüchen wie „Wir haben hier kein Wifi. Redet miteinander“. Eine alte Kaffeewaage von Onko-Kaffee steht mitten im Raum. Im Regal reiht sich altes Porzellan an Bücher etwa über die frühere österreichische Kaiserin Sisi und die „Radsport-Mafia“. An der Wand ein Brief des Bürgermeisters von Wien, der glücklich ist, dass Portner seinen Gästen in Duisburg vorführt, „was wirklich gute Küche bedeutet“.

Der hintere Raum ist schlicht gehalten. Hier finden gut Gesellschaften Platz, aber auch einzelne Gäste, die das Flair österreichischer Kaffeehäuser lieben. Ockerfarbene Wände und dunkle Holzmöbel sorgen für gediegene Atmosphäre. Metall-Leuchter und Stuck lenken den Blick an die Decke in gefühlt fünf Metern Höhe. Auch wenn der Raum nicht ganz rankommt an ein Wiener Kaffeehaus, hier lässt sich gut ein gemütlicher Abend verbringen.

Service: Der selbst ernannte „wilde Wiener“ mag klare Worte. Bereits an der Eingangstür warnt ein Aushang: „Wir möchten Sie höflich hinweisen, dass es aufgrund der herrschenden Personal- und Krankheitssituation zu längeren Wartezeiten kommen kann.“ Davon ist aber nichts zu spüren. Personal satt. Der charismatische Inhaber, der mittlerweile ein zweites österreichisches Restaurant mit dem Namen „Wilder Kaiser“ im Tennisclub Grunewald eröffnet hat, sind zwar nicht da. Aber die Kellner wuppen den Freitagabend hoch effizient. Das Helle von Ottakringer (0,5 Liter für 5,90 Euro) ist schnell da.

Auch danach lässt nichts lange auf sich warten. Die Speisekarte provoziert eine ausgiebige Beratung. Wer weiß schon, was die Kaffee-Spezialität „Überstürzter Neumann“ (3,80 Euro) bedeutet? Klar: Schlagobers, also Sahne, in der Tasse mit Mocca übergossen. So heißt hier nämlich der Espresso. Und was zum Himmel ist eine Überschwemmung (6,50 Euro)? Beim „Wilden Wiener“ ist das Weißwein mit richtig vielen Eiswürfeln und Soda im Weißbierglas, damit man lange was davon hat.

Speisekarte: Kellner im „Wilden Wiener“ in Duisburg-Duissern erklären alles bereitwillig

Die Kellner erklären alles bereitwillig. Sie suchen förmlich das Gespräch, ohne aufdringlich zu sein. Und bleiben hart, wenn es nötig wird. Nein, das Wiener Schnitzel kommt partout ohne Kapern und Sardellen daher. „Die mag ohnehin niemand.“ So steht es auch in der Karte. Diskutieren bleibt zwecklos. Beide Zutaten gibt es in der Küche auch gar nicht.

Die kräftige Rinderbrühe mit Frittaten ist voll mit frischem Gemüse.
Die kräftige Rinderbrühe mit Frittaten ist voll mit frischem Gemüse. © Jörg Schäfer

Angebot und Geschmack: Die kräftige Rinderbrühe mit Frittaten (dünn geschnittener Pfannkuchen) ist voll mit frischem Gemüse: Karotten, Lauch, Frühlingszwiebel, Sellerie, Paprika. Alles frisch, knackig und voller Aroma. Die Brühe schmeckt, als hätten dafür tagelang Knochen im Topf vor sich hin geköchelt. So viel tolle Suppe für 7,90 Euro. Das sucht seines gleichen.

Das Wiener Schnitzel als Klassiker der Speisekarte gibt es in zwei Varianten: Original vom Wiesenkalb (26,90 Euro) oder vom Strohschwein (21,60 Euro). Zum Kalb werden Preiselbeeren und ein Erdäpfel-Vogerlsalat serviert, also Kartoffelsalat mit Blattsalat. Das Fleisch ist hauchdünn und steckt in einer kross gebratenen Panade. Auf der Homepage wird gezeigt, wie der Koch es zubereitet. Das Schnitzel schwimmt in einer Pfanne voll Fett, wird also frittiert. Auf dem vorgewärmten Teller ist davon nichts mehr zu spüren. Einfach perfekt. Der Salat mit seiner leicht säuerlichen Vinaigrette passt herrlich dazu. Einziger Makel: Das dünne Kalbfleisch schafft es kaum, sich gegen die Panade durchzusetzen.

Liebling der Gäste im „Wilden Wiener“: Kalbsgulasch „Erzherzog Johann“ mit Rahmsoße

Das Kalbsgulasch „Erzherzog Johann“ mit Rahmsoße und hausgemachten Spätzle mit Salat (19,90 Euro) zählt laut Speisekarte zu den Lieblingen der Gäste. Nicht ohne Grund: Das Fleisch zergeht auf der Zunge, so zart ist es. Dazu gibt es jede Menge Soße. Offensichtlich eine Hommage an den Westen, wo man gerne viel Soße ist. „Das ist der Einfluss der belgischen und niederländischen Küche“, verrät Portner auf seiner Webseite.

Dann der Nachtisch, natürlich Kaiserschmarrn mit Pflaumenkompott (15,90 Euro). Luftiger geht es kaum. Die Mehlspeise kommt leicht daher, ist innen weich und außen kross gebacken. Darüber Puderzucker. Die Pflaumen schmecken würzig, nicht zu süß. Das passt perfekt.

Fazit: Für die Qualität der offensichtlich frisch zubereiteten Gerichte gibt es an den Preisen nichts zu mäkeln. Wer Top-Qualität in typischer Atmosphäre sucht, ist hier richtig. Restaurant-Chef Portner will es authentisch, ehrlich, freundlich und lustig in seinem Lokal haben. Die Ansprache ist direkt und herzlich. Das Konzept passt prima nach Duisburg.

Bewertung:

Atmosphäre: 3/5 Punkte

Service: 5/5 Punkte

Angebot und Geschmack: 5/5 Punkte

Preis-Leistungsverhältnis: 5/5 Punkte

Adresse: Schweizer Straße 1, 47058 Duisburg

Telefon: 0203 9344252

Öffnungszeiten: Mittwoch bis Sonntag 17 bis 22 Uhr.

Internet: www.wilder-wiener.de

Hinweis der Redaktion: Diese Gastro-Kritik entspricht dem subjektiven Geschmacksurteil des Verfassers. Bei unseren Tests geben wir uns nicht zu erkennen, bewerten unabhängig und bezahlen das Essen selbst.