Düsseldorf. . Er ist uralt, aber immer noch kernig und voller Energie. Und er hat sich für sein Comeback in Schale geworfen: Der Dinkel. Doch Christian Rölkens mag das Getreide lieber „oben ohne“. Beherzt greift der Düsseldorfer Müller in die Maschine, die ratternd tausende Dinkelkörner nach Gewicht sortiert.

„Ich sehe sofort, wenn hier auch nur ein Korn ungeschält ankommt“, sagt der 33-Jährige. Seine Handflächen sind grau vom Getreidestaub. Rölkens trennt ein einzelnes, ungeschältes Korn per Hand vom Spelz und wirft es zurück in den Tischausleser. Christian Rölkens „Einbrunger Mühle“ ist eine der umsatzstärksten Dinkelschälmühlen Europas und die einzige ihrer Art in NRW.

1400 Lastwagenladungen Dinkel werden hier jährlich von der Schale getrennt, das entspricht rund 35 000 Tonnen Getreide. 16 Stunden am Tag rattern die Maschinen. Wurden hier vor 25 Jahren noch 300 Tonnen Dinkel pro Jahr verarbeitet, verbucht der Inhaber heute das 116-fache Volumen.

So richtig aufs Korn genommen hat die Firma den Dinkel vor 25 Jahren. Wegen seiner schützenden Schale, dem sogenannten „Spelz“, stieg die Dinkel-Nachfrage infolge der Nuklear-Katastrophe in Tschernobyl: „Das Dinkelkorn war weniger belastet als der schalenlose Weizen“, erklärt Hans Jürgen Hölzmann von der Landwirtschaftskammer NRW.

Ein Großteil der nordrhein-westfälischen Dinkelproduzenten schloss sich daraufhin zur „Erzeugergemeinschaft rheinischer Qualitätsdinkel“ zusammen. Über 60 der insgesamt 80 Dinkelproduzenten in NRW gehören ihr heute an. Sie alle nahmen die Inhaber der „Einbrunger Mühle“ unter Vertrag. Die Mühle ist damit zugleich Motor und „Flaschenhals“ der Dinkelerzeugung im Umland: Der Landwirt baut nur so viel Dinkel an, wie die Düsseldorfer Mühle per Anbauvertrag verarbeitet und verkauft.

Nicht nur in heimischen Küchen

Das gemeinsame Produkt „rheinischer Qualitätsdinkel“ landet anschließend nicht nur in heimischen Küchen: „NRW produziert stark für den Export, innerhalb und außerhalb der EU“, sagt Rölkens. Den geschälten Dinkel seiner Vertragsbauern liefert der Düsseldorfer nach Italien, Spanien, Japan und Israel.

Ein Nischenprodukt

„Aber Dinkel ist nicht wie Weizen, den man jederzeit beliebig verkaufen kann“, sagt der Sprecher der Landwirtschaftskammer. Im Vergleich zum Weizen sei Dinkel weiterhin ein Nischenprodukt, wie Zahlen der Landwirtschaftskammer belegen. Etwa 2000 bis 2500 Hektar Dinkel würden in NRW angebaut, so der Sprecher weiter. Ein Bruchteil, gemessen an fast 281 000 Hektar Weizen, die das Statistische Landesamt erfasst hat. Landwirt Karl Bröcker setzt dennoch seit 25 Jahren auf Dinkel. Der Wuppertaler zählt zu den Vertragskunden der „Einbrunger Mühle“ und ist Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft.

„Auch wir produzieren nur nach Bedarf“, sagt Bröcker. Auf seinen Feldern steht das „Frankenkorn“, die beliebteste Dinkelsorte in NRW. Bröcker sitzt am Feldrand auf seinem Trecker und macht Mittagspause in der Sonne. Der Mähdrescher ruht nur kurz, die Dinkel-Ernte ist in vollem Gange. Das Feld am Hang ist das letzte von acht, das gedroschen werden muss.

Die Schwiegertochter bringt das Mittagessen. Es gibt Nudeln mit Hähnchen. Kauend sagt Karl Bröcker, er sei mit der Ernte zufrieden: „Der Dinkel ist schön gelb, trocken und frei von Pilzen. Auch das Wetter spielt mit“. Bröcker schaut aufs Feld und gerät ins Schwärmen. Er träumt nicht etwa von der Landschaft. Sondern von den Dinkelpfannkuchen seiner Ehefrau. Er fragt sich, ob die wohl auch jemand in Japan backt.