Orkan-Tief fordert mindestens drei Tote in Düsseldorf
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Düsseldorf. .
Es war einer der schwersten Orkan-Stürme der vergangenen Jahrzehnte. Düsseldorf wurde in der Nacht zum Dienstag von einer Unwetter-Katastrophe heimgesucht. Die traurige Bilanz: drei Tote, zehn Verletzte und Schäden in Höhe von zig Millionen Euro.
Der Verkehr in der Stadt brach völlig zusammen. Auch die meisten Straßen- und Stadtbahnen fuhren nicht. Selbst Rettungs- und Notarztwagen kamen an vielen Stellen nicht durch.
Überall lagen umgestürzte Bäume und Äste, zahlreiche Autos wurden darunter begraben. Vor allem im Norden bot sich ein Bild der Verwüstung. Die Stadt warnte am Dienstag vor dem Aufenthalt in der Nähe von Bäumen und beschädigten Häusern. Es droht akute Lebensgefahr durch herabfallende Äste und Dachziegel. „Wenn es geht, bleiben Sie möglichst zu Hause“, appellierte Rathaus-Sprecher Volker Paulat an die Düsseldorfer. Die Aufräumarbeiten werden Tage, gar Wochen dauern.
Sturmböen von 140 Stundenkilometern
Es war etwa 20.50 Uhr, als ein Orkantief mit Sturmböen von 140 Stundenkilometern Düsseldorf erreichte. Im Stadtteil Reisholz wurden neun Menschen durch das extreme Gewitter überrascht. Sie schafften es nicht mehr zum nächsten Wohnhaus, das noch 150 Meter entfernt war. Die Menschen suchten stattdessen Schutz in einem Gartenhaus nahe der Henkelstraße. Kurz darauf stürzten zwei Bäume auf das Häuschen, das unter Wucht zusammenbrach. Für zwei Männer (56 und 53 Jahre) und eine Frau (52 Jahre) kam jede Hilfe zu spät. Zwei schwer verletzte Frauen (25 und 30 Jahre) konnten gerettet werden. Die Bergung dauerte Stunden. Die Feuerwehr musste im Stadtgebiet acht verletzte Fahrzeuginsassen aus ihren Autos bergen, die von umstürzenden Autos getroffen worden waren.
Nichts geht mehr
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Alle verfügbaren Einsatzkräfte waren auch am Dienstag den ganzen Tag in der Landeshauptstadt im Einsatz, darunter 600 Retter der Feuerwehr und mehr als 250 Polizisten. Die Notrufe waren überlastet. Allein bis zum Morgen registrierte die Feuerwehr 1200 und die Polizei 600 Einsätze. Oberbürgermeister Dirk Elbers drückte den Familien der Opfer sein „tiefes Mitgefühl“aus. Den vielen Menschen, die durch die Schäden „persönlich betroffen“ sind, versprach er „unbürokratische und schnelle Hilfe.“
Düsseldorf im Ausnahmezustand
Die Retter sind erschöpft und einige auch psychisch wohl am Ende ihrer Kräfte. Die Bilder dieses Einsatzes werden sie nie vergessen. Erst nach vier Stunden können sie den letzten Verschütteten aus dem völlig zerstörten Gartenhäuschen an der Henkelstraße in Reisholz herausziehen. Drei der Eingeschlossenen sind tot, zwei schwer verletzt.
Sie waren zu neunt, als sie sich am Montag in der abendlichen Hitze auf dem Grüngelände zwischen dem Mehrfamilienhaus und dem Bahngelände zu einer Gartengrill-Party trafen. Die pechdunklen Wolken am Himmel sahen sie zu spät. Das Gewitter kam so schnell, dass sie es nicht mal zum nur 150 Meter weit entfernten Wohnhaus schafften. Die Flüchtenden suchten stattdessen Schutz in einem Gartenhäuschen. Es war eine Todesfalle.
Laube klappt unter Pappel zusammen - drei Tote
Plötzlich krachte eine große Pappel auf die Laube und faltete sie wie einen Schuhkarton zusammen. Nur diejenigen überlebten, die sich direkt an oder unter einem Tisch im Raum befanden. Das Möbelstück hielt der Wucht stand, so blieb ein kleiner Hohlraum von 30 bis 40 Zentimetern Höhe. Drei Eingeschlossene konnten sich selbst daraus befreien, drei weitere wurden von der Feuerwehr gerettet, darunter zwei schwer verletzte Frauen (25 und 30 Jahre). Für zwei Männer (56 und 53 Jahre) sowie eine 52- jährige Frau kam jede Hilfe zu spät: Sie wurden von den Trümmern zerquetscht.
Nach dem Unglück spricht Oberbürgermeister Dirk Elbers den Angehörigen sein „tiefes Mitgefühl“ aus. Er macht sich am Dienstag an mehreren Stellen der Stadt ein Bild von den Verwüstungen, er leitet am Nachmittag die Sitzung des Krisenstabes. Denn 16 Stunden nach der Unwetter-Katastrophe befindet sich Düsseldorf immer noch in einer Art Ausnahmezustand. Die Stadt hat es in NRW mit am schwersten getroffen. Kaum eine Straße, in der es nicht zu Zerstörungen kam. Tausende Bäume knickten um oder wurden beschädigt. Vermutlich Hunderte Autos wurden eingedrückt. Verkehrsschilder und ganze Ampelanlagen sind zerstört. Und von zahlreichen Hausdächern haben sich Dachziegel gelockert.
"Das sieht aus wie im Krieg"
Die Feuerwehr registriert mehr als 2000 Schadensmeldungen. Feuerwehr-Sprecher Heinz Engels kann es nicht fassen. „Das sieht aus wie im Krieg. Ein solches Unwetter hatten wir hier noch nicht.“
Oberbürgermeister Dirk Elbers resümiert bei einer ersten Bilanz: „Ich habe es noch nicht erlebt, dass flächendeckend in der gesamten Stadt derartige Schäden zu verzeichnen sind“. Die Düsseldorfer Feuerwehr braucht jeden Mann, jedes Auto, das ein Blaulicht auf dem Dach hat. Selbst aus den Nachbarstädten rückt Verstärkung an. Mit dabei sind der Katastrophenschutz und das Technische Hilfswerk - insgesamt 800 Einsatzkräfte. Auch 400 Mitarbeiter von der Awista und der Stadt packen mit an.
Das Sirenengeheul der Feuerwehrautos und das gleichzeitige Kreischen der Motorsägen ist den ganzen Tag lang zu hören. Erst zum Wochenende werden alle Straßen wieder frei sein, prognostiziert Feuerwehr-Chef Peter Albers.
Flugbetrieb läuft, doch Straßen zum Flughafen sind dicht
Normal geht es am Dienstag nur auf dem Airport weiter. Der Flugbetrieb musste lediglich während des Gewitters für eine Stunde gesperrt werden. Doch wer am Boden bleibt, braucht starke Nerven. Am frühen Morgen geben viele Pendler schon nach kurzer Zeit auf und fahren wieder nach Hause. Die Straßen sind hoffnungslos verstopft, viele sind wegen der entwurzelten Bäume gesperrt. Kein Durchkommen in Düsseldorf. Stillstand auf der Bundesstraße B 8 im Norden, am Nordstern, am Nördlichen Zubringer - fast an den meisten Einfallstraßen. Auf der B8 lassen frustrierte Autofahrer ihr Fahrzeug auf einem Grünstreifen zurück, andere fahren auf der Gegenspur, weil die Fahrbahn in ihrer Richtung gesperrt ist. Radfahrer weichen auf Schnellstraßen aus, auf denen höchstens Schritttempo gefahren werden kann. An diesem Dienstag gibt es nur eine Verkehrsregel: Irgendwie vorwärts kommen!
Nahverkehr steht fast völlig still
Wer auf den öffentlichen Nahverkehr setzt, hat gleich verloren. Nur die Busse fahren - oder stecken im Stau. Stadt- und Straßenbahnen sind außer Betrieb. Bis zum Nachmittag kann lediglich die Linie 704 wieder in Betrieb genommen werden. Ob der ÖPNV sich am Mittwoch normalisiert, ist fraglich. Immer noch liegen viele Äste auf den Gleisen, sind abgerissene Oberleitungen noch nicht ersetzt worden. Besonders betroffen ist die Stadtbahn-Linie U 79 nach Wittlaer.
Ganze Straßen sind unpassierbar, darunter die Cecilienallee, Danziger Straße, die Maximilian-Weyhe-Allee und die Kaiserswerther Straße, die mit Überresten der Pappeln übersät sind. Die Polizei kommt mit dem Absperren von gefährdeten Bereichen kaum noch hinterher. „Unsere Kollegen hechten von einem Einsatz zum nächsten“, berichtet Polizeisprecherin Susanna Heusgen und warnt eindringlich: „Die Gefahr kommt von oben.“ In den Kronen hängen noch viele lose Äste, die schon bei einem kleinen Windstoß runter fallen können.
Lebensgefahr im Wald und in Grünanlagen
Auch Feuerwehrdezernentin Helga Stulgies ruft die Bürger dazu auf, besonders vorsichtig zu sein und den Wald, die Grünanlagen und auch die Friedhöfe (dort sind bereits mehrere Beerdigungen verschoben worden) in den nächsten Tagen möglichst zu meiden.
Doch zahlreiche Schaulustige sehen die Gefahr nicht. Sie greifen zu ihrem Handy, um auch an riskanten Stellen die besten Schnappschüsse zu machen. Auf dem Friedensplätzchen lässt ein Vater sogar auf einem umgestürzten Baum seine Kinder für die Kamera posieren. Und durch den kaum noch durchgängigen Hofgarten kämpfen sich die Fußgänger wie durch einen Dschungel. Purer Leichtsinn.
Dort hat übrigens der Sturm - wie auch im Rheinpark und Florapark - besonders arg gewütet und selbst Jahrhunderte alte Bäume umgeblasen. Der Hofgarten, Düsseldorfs wichtigster City-Park, ist nicht mehr wieder zu erkennen. Er ist ein Sanierungsfall geworden.
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